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Die Ecke nicht auf die Spitze treiben


Stadtteil: Kreuzberg
Bereich: Tempelhofer Vorstadt
Stadtplanaufruf: Berlin, Fürbringerstraße
Datum: 23. April 2018
Bericht Nr.: 618

In der Tempelhofer Vorstadt südlich des Landwehrkanals sind wir in einem Teil Kreuzbergs unterwegs, der ursprünglich zu Tempelhof gehörte, gegründet von dem Kreuzritterorden der Templer. Die Vorstadt wurde 1861 nach Berlin eingemeindet und bei der Gründung Groß-Berlins 1920 Teil des neu gebildeten Bezirks Kreuzberg. Bei der Besiedlung Ende des 19. Jahrhunderts spielte die Terraingesellschaft "Belle Alliance" eine wesentliche Rolle, die von dem Architekten Gustav Knoblauch geleitet wurde.

Die Architektenfamilie Knoblauch
Im Knoblauchhaus im Nikolaiviertel - das den Krieg fast unbeschädigt überstanden hat - zeigt das Stadtmuseum eine Dauerausstellung über das Berliner Biedermeier. Mit dieser Adresse in der Poststraße verbindet sich die Erinnerung an berühmte Architekten aus der Knoblauch-Familie.

Johann Christian Knoblauch - Vorfahr der Architekten Eduard Knoblauch, Gustav Knoblauch und Arnold Knoblauch - hatte den Vorgängerbau in der Poststraße 23 abreißen und ein spätbarockes Bürgerhaus hier errichten lassen. Der Knoblauch-Senior hatte sein Geld als Nadlermeister erworben. Der Beruf lässt sich auch mit dem heute doppeldeutigen "Drahtzieher" umschreiben, die aktuelle Bezeichnung wäre "Fachkraft für Metalltechnik". Das Militär brauchte seine Haken, Ösen und Ketten, außerdem stellte er Siebe, Fenstergitter, Näh-, Strick- und Schusternadeln her.


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Sein Enkel Eduard Knoblauch war "Architekt des Bürgertums", für das er über hundert Wohnhäuser baute. Ihm verdanken wir den Entwurf der Neue Synagoge in der Oranienburger Straße. Eine Bauaufgabe, für die es keine Vorbilder gab, weil Synagogen bis dahin nicht sichtbar werden durften in der Stadt. Er lehnte sich an den maurischen Stil an und erschuf damit einen neuen Bautypus. Während der Bauarbeiten der Synagoge starb er. Sein Sohn Gustav Knoblauch vollendete den Bau zusammen mit Friedrich August Stüler.

Gustav Knoblauch
Für die Luisenstädtische Bank errichtete Gustav Knoblauch 1899 am Schulze-Delitzsch-Platz ein Neorenaissancegebäude, das eine stumpfe Ecke den Platzes im Baukörper aufnimmt. An der Bernburger Straße hatte er 1876 für eine englische Aktiengesellschaft in einer geschlossenen Halle eine Rollschuhbahn erbaut. Die Halle mit Bühne und Restauration wurde auch für Theater- und Opernaufführungen und für Konzerte genutzt. Als die Rollschuhmode zu Ende ging, baute Franz Schwechten die Halle zum Konzertsaal für die Berliner Philharmoniker um. Bis zur Zerstörung im Zweiten Weltkrieg war der Saal mit der hervorragenden Akustik die "Berliner Philharmonie".

Terraingesellschaft "Belle Alliance"
Im Zusammenhang mit unserem Stadtrundgang in der Tempelhofer Vorstadt kommt Gustav Knoblauchs Rolle in der "Belle Alliance Aktiengesellschaft" in den Blick. Er leitete diese Terraingesellschaft, die die Flächen südlich des Landwehrkanals als Bauland übernahm, nachdem der Hobrecht-Plan die städtische Entwicklung vorgezeichnet hatte. Früher war hier Ackerland, an der späteren Urbanstraße lagen Wiesen, die von der Schlächterinnung für die Hütung des Schlachtviehs genutzt wurden. Die Terraingesellschaft legte die Fürbringerstraße und die sie kreuzenden Solmsstraße, Zossener Straße, Mittenwalder Straße an. Auch Straße und Platz, die nach den "theologischen Streithähnen Marheineke und Schleiermacher" benannt sind, gehören zu dem Bereich der Terraingesellschaft "Belle Alliance".

Der Königlich Preußische Minister der Öffentlichen Arbeiten berichtete, dass dieses "Stadtgebiet in kürzester Zeit mit Wohngebäuden gefüllt" war, doch es seien Massenquartiere für die Arbeiter meist ohne künstlerischen Wert entstanden. Wie wir auf unserem Rundgang an den denkmalgeschützten Wohngebäuden sehen, gab es aber auch Bereiche mit rein bürgerlichen Wohnungen ohne Mietskasernen-Charakter.

Vergessener Islamischer Friedhof
Als der türkische Botschafter am Preußischen Hof 1798 überraschend im Ephraim-Palais verstarb, war die Beerdigung ein Problem, weil die Kirche die Bestattung auf einem christlichen Friedhof ablehnte. Kurzerhand wurde auf Geheiß des Preußischen Königs ein Grundstück an der Urbanstraße als türkischer Friedhof hergerichtet und der Botschafter hier nach islamischem Ritus bestattet. Sechs Jahre später folgte dort die Beerdigung eines weiteren türkischen Gesandten. Der Friedhof lag am "Schlächtergraben" auf einem ehemals Podewilsschen Grundstück und war mit einem Findling kenntlich gemacht.

Im Laufe der Zeit geriet der Begräbnisplatz in Vergessenheit, der Findling war überwuchert. 1836 entdeckte ein Bauer den Friedhof wieder, der Staat richtete den Begräbnisplatz neu her. Als 30 Jahre später hier ein Kasernenhof angelegt werden sollte, kaufte der Preußische König ein Ersatzgelände am Columbiadamm, dort wurde auch die Sehitlik Moschee errichtet. Der Findling befindet sich heute mit einem Gedenkstein auf dem Schulhof Urbanstraße 20 der deutsch-türkischen Europaschule.

Altes Zollhaus
Das Alte Zollhaus am Carl-Herz-Ufer ist ein Gebäude mit mehreren Leben. Als Depot für die Stadtreinigung wurde es entworfen. Der Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoffmann wollte 1902 keinen Zweckbau hinstellen, sondern ein Gebäude, das "positiv auf das Gemüt seiner Betrachter einwirkt". Elemente eines englischen Landhauses hat er mit deutscher Fachwerkarchitektur verbunden. Als Material verwendete er Sandstein, Holz, Putzflächen, Dachziegel. So gelang es ihm, den Bau "harmonisch in die stimmungsvolle Stadtlandschaft am flussartig angelegten Kanal einzubinden".

Das Gebäude steht direkt an der Kante der Uferbefestigung. Von den Dampfern und Kähnen, die den Landwehrkanal befuhren, soll hier Zoll kassiert worden sein, darauf stützt sich der Name "Zollhaus". Im Zweiten Weltkrieg brannte das Haus völlig aus, doch der Leiter des Kreuzberger Gartenbauamts verhinderte den Abriss. Nach alten Vorlagen, aber mit neuer Nutzung wurde es wieder aufgebaut.


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Das Fachwerkhaus wurde zum "Genussfachwerk", ein Lokal eröffnete in dem umgebauten Stadtreinigungsdepot. Da eine Namensanknüpfung an die Müllwerker weniger zugkräftig schien, zitiert man das "Alte Zollhaus" im Restaurantnamen.

Wohnhäuser

Das älteste Wohnhaus der Tempelhofer Vorstadt liegt tief im Innenhof hinter dem Gebäude Johanniterstraße 10. Offensichtlich war es beim Bau an die Straße Johannistisch angebunden, die heute als Sackgasse davor endet. Gebaut wurde es 1837 als Gärtnerhaus inmitten weitläufigen Obst- und Gemüsegärten, in denen die Späth'sche Baumschule von 1720 bis 1760 ansässig war. Der Historiker Ernst Fidicin - nach dem das Haus benannt ist - baute das Gärtnerhaus 1849 zu seinem Wohnhaus um.

In der Tempelherrenstraße ist ein ganzes Ensemble von Mietwohnhäusern aus den 1880er Jahren erhalten, Hinter den anspruchsvoll geschmückten Fassaden der Vorderhäuser befinden sich größere Wohnungen, während die Seitenflügel kleinere Wohnungen enthalten. Hier wohnten keine Arbeiter, sondern Angestellte, Handwerker und Rentner.

Auch das Haus Fürbringerstraße 6 ist aufwendig dekoriert. Das Eckhaus zeigt, wie man eine Ecke wirkungsvoll in Szene setzt. Eine Aufgabe, an der vielen Architekten die Phantasie abhandenkommt, und hier erweist sich sogar ein Zimmermeister mit seinem Entwurf als Bau'meister'. Die Ecke wird nicht "auf die Spitze getrieben", sondern flächig gebrochen und durch dreigeschossige Erker plastisch gegliedert. Die Fassaden aus beiden Seitenstraßen streben mit ihren horizontalen Gesimsgliederungen auf die Ecke zu, die im Erdgeschoss mit drei Stufen in einen Laden einlädt. In jeder Etage sind zwei Fünf-Zimmer-Wohnungen angeordnet, das Haus hat eine gutbürgerliche Ausstattung.


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Kasernen und Offizierskasino
Der türkische Friedhof an der Urbanstraße (siehe oben) musste 1866 dem Kasernengelände weichen, das zwischen Blücherstraße und Urbanstraße eingerichtet wurde. Das Kaiser-Franz-Garde-Grenadier-Regiment Nr. 2 nahm hier sein Quartier. Das Regiment verdankt seine Entstehung der Niederlage gegen Napoleon, 1806 war die preußische Armee vernichtend geschlagen worden. Mit der Heeresreform 1820 wurde das Grenadier-Regiment gegründet und nach dem Österreichischen Kaiser Franz - dem Regimentschef - benannt. Am Heinrich-Heine-Platz sind noch Reste des "Exercierhauses" vorhanden, das Übungen des Regiments auch bei schlechtem Wetter zuließ.

An der Urbanstraße steht das villenartige Gebäude des Offizierskasinos, das heute als Nachbarschaftsheim genutzt wird. Die militärische Nutzung der Kaserne und des Kasinos wurden durch den Versailler Vertrag beendet. Die Kasernenbauten hat man nach der Kriegszerstörung im Zeiten Weltkrieg abgerissen. Auf der begrünten Mittelinsel der Baerwaldstraße erinnert heute noch ein Kriegerdenkmal an den Kasernenstandort.


Setzen Sie den Spaziergang hier fort: Lass mich vereinsamt weinen gehn

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Unsere Route:
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