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An der Laterne aufgehängt


Stadtteile: Mitte, Prenzlauer Berg, Wedding
Bereich: Mauerpark
Stadtplanaufruf: Berlin, Schwedter Straße
Datum: 21. November 2022 (Update zu: 22. August 2006)



Drei Ortsteile stoßen am östlichen Ende der Bernauer Straße aneinander, dort, wo sie in die Eberswalder Straße übergeht: Wedding, Prenzlauer Berg und Mitte. Von der Bernauer Straße durch den Mauerpark bis zum Gleimtunnel waren wir 2006 unterwegs. Heute folgt ein Update dieses Spaziergangs durch einen erweiterten und neu gestalteten Mauerpark.

Schwedter Straße
Die Schwedter Straße durchschneidet den Mauerpark in Nord-Süd-Richtung. Die Straße war zu DDR-Zeiten die Grenze, an der Ost und West aufeinandertraf. Während des Volksaufstandes im Juni 1953 wurde dort ein Bild des DDR-Präsidenten Wilhelm Pieck an einem Laternenpfahl aufgehängt. Das war symbolisch wohl anders zu verstehen als in unserer Zeit die die Wahlplakate an Masten und Laternen.

Im Zusammenhang mit dem Mauerbau wird berichtet, dass West-Berliner Polizisten an der Schwedter Straße nördlich der Gleimstraße versuchten, "die Arbeiter, welche die Grenzmauer ziehen, vom Bau abzuhalten, indem sie behaupten, sie würden auf Westberliner Gebiet bauen. Den Arbeitern wurde gesagt, wenn sie die Arbeiten nicht einstellen, werden sie die Mauer wieder einreißen". Die Mauer blieb aber stehen und ab 1963 durfte die Straße nicht mehr von Fußgängern betreten werden, so dass die Bewohner der Häuser sich neue (Hinter-)Ausgänge suchen mussten.

Als 1871 die Ringbahn gebaut wurde, musste die Schwedter Straße mit einer Brücke über die Ringbahngleise geführt werden. Die Schwedter Brücke gibt es nicht mehr, sie wurde nach der Wende in der Nähe des alten Standorts durch den Schwedter Steg ersetzt. "Die Gegend hatte einen äußerst zwielichtigen Ruf. In jener Zeit fanden dort regelmäßig Razzien statt, in deren Ergebnis Obdachlose und Kleinkriminelle dem Kadi vorgeführt wurden. Auch Selbstmörder, so verlautbaren zeitgenössische Schriften, fühlten sich von dem abgelegenen Ambiente angezogen." Dass die Ringbahnbrücke diese traurige Anziehungskraft hatte, ist vorstellbar.

Eberswalder Güterbahnhof
Beim heutigen Stadtspaziergang sind wir auf historischem Bahngelände unterwegs. Der Mauerpark an der Schwedter Straße liegt zu einer Seite auf dem Gelände des ehemaligen Eberswalder Güterbahnhofs. Eigentlich sollte dort ein Kopfbahnhof für den Personenverkehr zur Ostsee gebaut werden, doch der entstand dann als Stettiner Bahnhof an der Invalidenstraße. Stattdessen wurden ab 1877 Güterzüge am Eberswalder Bahnhof abgefertigt.

Trotzdem hingen der Eberswalder und der Stettiner Bahnhof immer wieder zusammen. Als der Personenverkehr am Stettiner Bahnhof stark zunahm, baute man am Eberswalder Güterbahnhof einen Bahnsteig an für den Personenverkehr zu den Vororten. Ein Drittel der Vorortzüge fuhr weiter vom Stettiner Bahnhof, zwei Drittel vom neuen Eberswalder Personenbahnhof. Das konnte nicht lange gut gehen, die Verwirrung der Reisenden war zu groß.

Und so entstand angrenzend an den Stettiner Bahnhof ein separater Vorortbahnhof, dessen historisches Backsteingebäude an der Julie-Wolfthorn-Straße vor einigen Jahren als Eventlocation neu hergerichtet wurde. Der Eberswalder Vorortbahnsteig wurde wegen des neuen Stettiner Vorortbahnhofs abgerissen, nur noch Güterzüge wurden an dem Bahnhof abgefertigt, bis in der Nachkriegszeit auch dieser Bahnverkehr zum Erliegen kam.


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Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark
Auf der Schwedter Straße verlief die Grenze zwischen Eberswalder Bahnhof (West-Berlin) und dem Ost-Berliner Friedrich Ludwig Jahn Sportpark, den die DDR auf einem ehemaligen Exerzierplatz eingerichtet hatte. Zu dem Sportpark gehört das Stadion "Einsame Pappel", an dessen Westseite zur Schwedter Straße eine 15 Meter hohe Böschung aus Kriegstrümmern aufgeschüttet wurde.

Die beim Mauerbau im August 1961 errichtete Hinterlandmauer oben auf der Böschung ist heute eine begehrte Fläche für Graffitikünstler. Am Fuß der Böschung stand die Vorderlandmauer. An der Bernauer Ecke Schwedter Straße sind in einem "Archäologischen Fenster" Reste der Panzerbarrieren mit Spanischen Reitern zu finden.


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Die Sicherung des Mauerstreifens auf der Böschung bereitete der DDR einige Schwierigkeiten. Sie schaffte es 1988 tatsächlich, durch einen Gebietsaustausch 50 Meter des angrenzenden West-Berliner Geländes auf 1,5 km Länge zu erwerben und dadurch eine ebene Fläche als Mauerstreifen zu bekommen. Bei dem jahrelang verhandelten Vertrag wurden vor allem skurrile Grenzverläufe wie das Lenne-Dreieck am Potsdamer Platz und die von DDR-Gebiet eingeschlossenen West-Berliner Exklaven korrigiert. Dass Ost-Berlin dadurch besseres Schussfeld am ehemaligen Güterbahnhof erhielt, wurde offensichtlich in Kauf genommen.

Nach der Wende 1989 und dem Abriss der Grenzanlagen eroberten sich die Anwohner die freigewordenen Grünflächen. Dem folgte die gezielte Entwicklung vom Niemandsland zum öffentlichen Raum, 1993 ließ der Berliner Senat den ehemals zu Ost-Berlin gehörenden Bereich zum Mauerpark ausbauen. Nördlich des Gleimtunnels wurde der Park 2005 erweitert, der Jugendfarm Moritzhof und eine 15 Meter hohe Kletterwand wurden dort eingerichtet.

Auf dem ehemaligen Güterbahnhof hatte sich zunächst nur ein Flohmarkt an der Bernauer Straße etabliert. Das Gelände gehörte immer noch der Bahn, und die ging mit ihren nicht betriebsnotwendigen Grundstücken rigoros um. Maximalrendite war ihr wichtiger als das Gemeinwohl (siehe weiteres Beispiel Westkreuz). Das überflüssige Eisenbahnvermögen hatte sie in ihrer Tochtergesellschaft Vivico gebündelt und diese Gesellschaft später an einen privaten Investor verkauft, die CA Immo. (Kleine Randbemerkung: Diese CA Immo ist auch Eigentümer der meisten Flächen in der Europacity Heidestraße und bebaut diese mit gesichtslosen Rasterbauten).

Die Anwohner begehrten auf, als die CA Immo die erworbenen Bahnflächen bebauen wollte. Gegen den Widerstand radikal engagierter Bürger kann keine Bebauung durchgesetzt werden, das musste der Senat am Mauerpark und auch am Flughafen Tempelhof erfahren. Die Lösung wurde teuer für den Senat: für 6 Mio. Euro kaufte er von der CA Immo das Bahngelände zurück und gab ihr ein Ersatzgelände nordwestlich des Gleimtunnels. Die aufgelockerte Bebauung dort am Bärbel-Bohley-Ring und Umgebung wurde von mehreren Architekten entworfen. Das Wohnprojekt "So Berlin" hat auch nicht die CA Immo selbst realisiert, sondern ein Projektentwickler.

Mauerpark ist mehr als Karaoke und Flohmarkt
Den neu gewonnenen Freiraum nutzte die Stadt, um den Mauerpark auf die doppelte Fläche zu erweitern. Zwanzig Jahre lang wurde darum gerungen, heute dehnt sich zwischen Zitterpappeln an der Eberswalder Straße und einem Birkenwäldchen an der Gleimstraße eine fachkundig gestaltete Lichtung aus an der Schnittstelle von ehemals Ost- und West-Berlin. "Das Schaffen eines leeren Raumes war die größte gestalterische Herausforderung" (Landschaftsarchitekt Gustav Lange). In den Park integriert sind ein mit einer Granitbank eingefasster Steinkreis genauso wie das in den Hang eingebettete Amphitheater, das durch die Karaoke-Veranstaltungen stadtbekannt geworden ist. Am heutigen Novembertag weht uns kalter Wind entgegen, bis auf wenige Besucher haben wir den Park für uns allein, können zwischen der Hinterlandmauer auf der Böschung und der Umfassungsmauer des ehemaligen Bahnhofs hin und her pendeln.

Gleimtunnel, Hartungsche Säulen
Die Bahngleise des Eberswalder Güterbahnhofs wurden 1908 an der Gleimstraße durch einen 130 Meter langen Tunnel unterfahren, um eine niveaufreie Kreuzung von Eisenbahn und Straße herzustellen, nachdem der Bahndamm aufgeschüttet worden war. Für die Untertunnelung hat man die Gleimstraße und die Schwedter Straße tiefer gelegt. Das wurde in unseren Tagen zum Problem: Nach einem monsunartigen Regen ist der Tunnel im Juli 2016 überschwemmt, die Wassermassen hatten zahlreiche Autos mitgerissen und zum Teil übereinandergestapelt. Danach blieb der Tunnel gesperrt. Zwei Jahre später liefen die Fußgänger schon wieder durch knietiefes Wasser. Für die Tunnelreparatur mussten erst die Eigentumsverhältnisse bereinigt werden. Wieder war die CA Immo das Problem: Sie hatte den Tunnel mit gekauft, er musste erst an die Stadt übertragen werden. Auch wegen des Baus eines unterirdischen Pumpwerks der Wasserbetriebe unter dem Mauerpark blieb der Tunnel länger gesperrt.

Getragen wird die Brücke von 78 Hartungschen Säulen. Diese gusseisernen Pendelstützen sind durch Kugelgelenke am oberen und unteren Ende beweglich, um schwere Belastungen und Erschütterungen durch den Bahnverkehr abzufangen. Die Säulen sind an den Kapitellen mit Akanthusblättern verziert, sie haben Längsrillen und tragen Schmuckringe auf halber Höhe. Den Sockel zieren plastisch herausgearbeitete Rippen.


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Topisstraße, "Einsame Pappel"
Über die Schönhauser Allee kommen wir zum Ausgangspunkt unseres Stadtrundgangs zurück. An der Topisstraße steht die "Einsame Pappel", die dem Sportstadion im Friedrich Ludwig Jahn Sportpark den Namen gab. An der Pappel sollen sich bei dem Märzaufstand 1848 Bürger versammelt haben, um für mehr Freiheit zu demonstrieren. Die Gedenktafel aus DDR-Zeiten nennt das "die erste große Massendemonstration der Berliner Werktätigen". Die Pappel ist nach mehr als 170 Jahren natürlich schon nachgepflanzt worden.

Die Grünflache an der Cantianstraße entlang der Topisstraße, an der die Einsame Pappel steht, wurde 1951 neu angelegt. Ein Bild aus dem Bundesarchiv zeigt mehrere Rentner, die sich nach Freigabe der Anlage ermattet auf der Begrenzung aus Natursteinen niedergelassen haben.


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Brauerei Groterjan
"Von hohem Nährwert und nicht berauschend, in regelrechtem Brauverfahren nur aus Malz und Hopfen hergestellt" sei sein Malzbier - so stellte Christoph Groterjan auf der Gewerbeausstellung 1896 stolz sein Produkt vor. Zwei Jahre vorher hatte er sein spezielles Malzbier mit einem Patent schützen lassen. In dem Straßenkarree von der Schönhauser Allee über die Milastraße bis zur Cantianstraße ließ er ab 1897 Produktions-, Verwaltungs- und Wohngebäude für seine Malzbierbrauerei errichten. Dazu gehörten seine Villa, ein Biergarten und Musikpavillon, ein 500 Quadratmeter großer Gastraum, eine Kegelbahn und ein Ballsaal mit gewölbter Decke und auslandendem Balkon. Die Gebäude sind verspielt mit Erkern, Vorsprüngen und Türmchen gestaltet. Auf den Fassaden sind Putten, Weinreben und märchenhafte Geschöpfe in Sandstein gemeißelt.

Doch Groterjan hatte sich übernommen, musste sich nach wenigen Jahren an eine andere Brauerei anschließen. Der Betrieb wurde in Neubauten an der Prinzenallee verlegt. Das Gelände an der Schönhauser wurde parzelliert, mehrere Mietshäuser auf dem Grundstück gebaut. Eine Schokoladenfabrik und eine Brotfabrik produzierten in den ehemaligen Brauereiräumen. Im Saalbau wurde ein Kino mit 543 Plätzen eingerichtet, das bis 1965 in Betrieb war. Wir erinnern uns, mehrfach gern in das Restaurant "Ribbecks" in der Milastraße eingekehrt zu sein, von dem heute nur noch eine überdimensionale Birnenplastik an der Fassade kündet.


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Obergäriges und untergäriges Bier
Seit 1516 wird Bier nach dem Bayerische Reinheitsgebot gebraut: "... wollen wir, daß forthin allenthalben zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen". Hefe wurde damals nicht genannt, weil man sich - man wusste es nicht besser - auf Hefepilze verließ, die im Umfeld als Mikroorganismen in der Luft vorhanden sind. Bei moderaten bis warmen Temperaturen wurde so gebraut, künstliche Hefe wurde nicht zugesetzt. Das Reinheitsgebot - einschließlich Hefe - gilt bis heute durch das Biergesetz von 1993.

Das von Groterjan hergestellte Malzbier ist obergäriges Bier, genau wie Altbier oder Berliner Weiße. Untergärige Biersorten dagegen sind beispielsweise Pils oder Exportbier. Die Herstellung unterscheidet sich hinsichtlich der zugesetzten Hefe: Beim obergärigen Bier mag es die Hefe "kuschelig warm", 15 bis 20° Celsius. Die Hefezellen verbinden sich, drücken nach ‘oben‘ und sammeln sich auf der Oberfläche des Suds, wo sie leicht abgeschöpft werden können. Die obergärigen Biere lassen sich nicht lange lagern, sie verderben schnell.

Untergäriges Bier liebt die Kühle von 4 bis 9° Celsius. Dann verbinden sich die Hefezellen nicht und sinken einzeln nach 'unten' zum Kesselboden. Die industrielle Herstellung von untergärigem Bier wurde erst möglich, nachdem 1876 Carl Linde die Kältemaschine erfunden hatte.

Malzbier erhält seine typische Farbe durch das beim Brauen verwendete Gerstenmalz. Durch Caramelmalz als farbvertiefenden Zusatz stellte Christoph Groterjan ein spezielles Malzbier her, das in Berlin ein Renner wurde. Den Fans wurde der Ausspruch in den Mund gelegt:

___“Hat‘s Caramel-Bier wohlgetan, dann war‘s bestimmt von Groterjan”.

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Unsere Stadtforschung in angrenzenden Bereichen:
> Brunnenviertel (2017): Experimentierfeld der Stadtplanung
> Schönhauser Allee (2017): Ein neues Bett als Geburtstagsgeschenk
> Gleimviertel (2010): Gesetzestreue Steinewerfer
> Wedding, Gleimtunnel (2011): Stettiner Bahn in Ost und West
> Rosenthaler Vorstadt (2017): Doppelte Elisabeth
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Eigentlich
Honigmond am Nordbahnhof