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Ödes und ärmliches Dünendorf


Stadtteil: Köpenick
Bereich: Schmöckwitz, Karolinenhof
Stadtplanaufruf: Berlin, Schappachstraße
Datum: 20. April 2009

Wenn wir heute vom S-Bahnhof Köpenick nach Schmöckwitz (wird mit langem „ö“ ausgesprochen) unterwegs sind, dann ist das weniger ein Stadtspaziergang als ein längerer Ausflug mit der Straßenbahn. Die "Schmöckwitz-Grünauer Uferbahn" besteht seit 1911, wurde später bis Köpenick verlängert und fährt heute als Linie 68 auf einer der landschaftlich schönsten Strecken der BVG in der Nähe des Wassers (Langer See) entlang, durch Kiefernwälder und durch Siedlungen. Nur in den ersten Jahren sprang die Straßenbahn öfter aus den Schienen, der Lokomotivführer und hilfsbereiten Männern setzten sie dann mit Hilfe von Brechstangen wieder ins Gleis, Auch der Bauer, der zur Not mit einer alten Pferdebahn einspringen konnte, wenn der Straßenbahnmotor kaputt war (man fuhr zu Anfang mit Benzol) muss nicht mehr tätig werden.

Wir machen Station in Karolinenhof, einem in der Gründerzeit entwickelten Villenvorort. Das Projekt geht auf den Bankier Schappach zurück, der als Vorsitzender der Terraingesellschaft selbst hier baute und zunächst an Wochenenden hier wohnte und ausritt, sein Rittmeister kümmerte sich um die Pferde. Die Terraingesellschaft soll nach Berichten das 50fache ihres Einstandspreises beim Weiterverkauf der erschlossenen und parzellierten Grundstücke erzielt haben. Das älteste Haus der Siedlung steht noch in der Schappachstraße 16.

Schmöckwitz ist Berlins ältester Siedlungsplatz, Der Totenkult der Siedler wird als "kultischer Kannibalismus" gedeutet, weil die Toten ohne Weichteile und zerstückelt begraben wurden. In Karolinenhof hat man Bronzeschmuck gefunden, eine Fibel mit spiralförmigen Verzierungen. Der Ort Schmöckwitz ist ein altes wendisches Fischerdorf, der Name wird mit "Schlangenort" übersetzt. In dem Runddorf gab es keine Landwirtschaft, nur Imkerei und eben die Fischerei. Von der Bienenzucht gingen Naturalabgaben an das Schloss Köpenick (müssen "dem Schloss Köpenick einen Krug Honig abgeben").

Nach Schmöckwitz führt Berlins längste Straße "Adlergestell". An dem Dorfanger stehen die Kirche, die Feuerwache, ein Wagendepot der Straßenbahn, eine Schule und ein Ensemble denkmalgeschützter niedriger Wohnhäuser. Die Kirche erbaute der Maurermeister Bocksfeld aus Spandau, ihm ist am Pichelssee eine Straße gewidmet. Von Kurt Berndt, dem Erbauer der Hackeschen Höfe, stammen die Entwürfe für Wagendepot, Feuerwehrhaus und Schule. Fontane hat sich bei seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg hier nicht sehr wohl gefühlt, für ihn wirkt Schmöckwitz "doch ganz nur wie ein Dünendorf an der Ostseeküste. Öd und ärmlich. Hinter Sandhügeln versteckt, in tiefen Löchern und Einschnitten liegen einzelne Häusergruppen, während sich alte und junge Kiefern, oft mehr waagerecht als aufrecht stehend, an den sandigen, mit Strandhafer überwachsenen Abhängen entlangziehen. .... Inmitten des Ganzen die Kirche, ein trister Bau," Die Lage am Wasser fand er wohl nicht so attraktiv, heute ist Wohnen am Wasser ein gehobenes Merkmal. Und der Wassersport boomt hier natürlich. Die Grünauer Regattastrecke wurde 1880 eröffnet und 1936 für die Wassersportdisziplinen der Olympischen Spiele genutzt. Nach dem 2.Weltkrieg etablierte die DDR hier ein Trainings- und Leistungszentrum des DDR-Rudersports.

Ein paar Schritte hinter dem Dorfanger überqueren wir die Dahme. Hier tat hundert Jahre lang bis 1907 eine hölzerne Zugbrücke nach holländischem Vorbild ihren Dienst, sie galt als Wahrzeichen des Dorfes. Das Jagdhaus Schmöckwitz zwischen Seddinpromenade und Wernsdorfer Straße wurde 1702 von Martin Grünberg erbaut, er war Hofbaumeister als Nachfolger von Nehring und Vorgänger von Andreas Schlüter. Das Haus steht zwar auf der Denkmalliste, es wird aber offensichtlich aus spekulativen Gründen dem Verfall und Vandalismus preisgegeben.

Ein weiteres Haus - offensichtlich ein ehemaliges Ausflugslokal - verfällt an der Regattastraße gegenüber der Büxensteinallee, wie wir bei der Rückfahrt sehen.

Auf dem Rückweg machen wir in der Köpenicker Altstadt Rast, im Ratskeller nehmen wir unser Flaniermahl ein.

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