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Ein Lotto, in dem man gewinnt, wenn man Pech hat


Stadtteil: Schöneberg
Stadtplanaufruf: Berlin, Salzburger Str. 21
Datum: 14.September 2025
Bericht Nr.:870

Ein außergewöhnliche Bau füllt das Dreieck zwischen Nordsternplatz und Nordsternstraße: Mit einer langgezogenen Rundung zeigt die Spitze des dreieckigen Nordsterngebäudes zum Nordsternplatz an der Badenschen Ecke Salzburger Straße. Im Hof verbindet ein Quergebäude die beiden Flügel an den Seitenstraßen. Die dritte, hintere Front wird von der Nordsternstraße flankiert.

Weit außerhalb von Berlin, das sich erst 1920 als Groß-Berlin bis hierher erstreckte, hatte die Nordstern-Versicherung ein Grundstück für ihre Verwaltung gekauft und 1914 - kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs - von dem Architekten Paul Mebes bebauen lassen. Zuvor hatte die Stadt Schöneberg nebenan ihr Rathaus erbaut. Das Haus wurde für 900 Versicherungsmitarbeiter entworfen, heute arbeiten 450 Justizbeschäftigte in dem Bau.

Der Architekt Paul Mebes hatte bis dahin mindestens acht Wohnanlagen und noch andere Gebäude geschaffen. Den ungewöhnlichen Baukörper des Versicherungsgebäudes gestaltete er ohne jedes Pathos, den Historismus versuchte er hier wie bei seinen Wohnbauten jener Zeit zu überwinden. Schmückende Verzierungen setzte er äußerst zurückhalten ein. Nur der Beamteneingang an der Badenschen Straße wurde mit Baukeramik von der Veltener Ofenfabrik geschmückt. Die Etagen des Gebäudes sind durch unterschiedliche horizontale Gesimsbänder voneinander abgesetzt. Die Fensterformen variieren.


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Bei der Innenausstattung herrscht gediegene Repräsentation, wie es einer Versicherung geziemt, ohne in Pracht oder Opulenz zu verfallen. Im Haupttreppenhaus weiße Natursteinverkleidung und schmiedeeiserne Geländer. Die Fenster bleiverglast, die Durchgänge gleichen goldfarbenen Baldachinen. Im Charakter des heutigen "Corporate Identity", des einheitlichen Auftretens, hat der Architekt Mebes die Innenausstattung von den Möbeln bis zu den Schaltern, Deckenlampen, den Namensschildern an den Türen, den Lichtschaltern und dem Ziffernblatt der Uhren entworfen.


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Der Architekt sorgte für eine übersichtliche und zweckmäßige Grundrissgestaltung. Die Etagen sind abgestuft in ihrer Ausstattung und Gestaltung von der Direktion bis zu den unteren Chargen. Die Hallen, in denen die Sachbearbeiter saßen, waren ein Vorgänger der Großraumbüros. Hervorgehoben ist der Sitzungssaal des Aufsichtsrats im zweiten Stock über der Vorhalle und der Kassenhalle zum Nordsternplatz. Der Aufsichtsrat ist das oberste Gremium einer Aktiengesellschaft, er setzt den Vorstand ein und kontrolliert dessen Geschäftsführung, wichtige Geschäftsentscheidungen müssen von ihm genehmigt werden. Entsprechend groß ist sein Einfluss und seine Bedeutung.

Sitzungssaal des Aufsichtsrats
Durch die gemusterten Tapetenbahnen und die plüschigen Lampen hat der Raum einen Hauch von Wohnzimmeratmosphäre. Da die Aufsichtsräte aufgrund ihrer Erfahrung eher ältere Herren gewesen sein dürften, will es mir scheinen, als sei ihnen hier ein "gemütliches" Ambiente geboten worden. Bei den Geschäftsentscheidungen wird aber wohl oft die Gemütlichkeit aufgehört haben.


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Die technische Ausstattung war der Zeit voraus. Das Haus hatte eine Frischluftanlage, die über einen Brunnen im Innenhof gesteuert wurde. Verteilt wurde die Frischluft über hölzerne Gesimse in den Fluren. Um Akten im Haus zu verteilen, gab es mehrere Aktenaufzüge und eine seinerzeit einzigartige Paket-Rohrpostanlage, mit der bis zu zwei Kilogramm schwere Akten verschickt werden konnten.


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Zur Zeit stehen größere Kabelverlegungen wegen der Digitalisierung der Verwaltung an. Erst jetzt? könnte man verwundert fragen., Doch dann sieht man die Registratur - nicht die einzige im Haus - und ahnt, welche Aufgabe hier zu bewältigen ist.

Kassenhalle
Im Schadensfall musste das Geld zum Versicherten gelangen. Die Versicherung war zwar von Bänkern gegründet worden, bargeldlose Zahlungen wurden erst später populär. Es gab erste Ansätze, mit Scheck oder Zahlungsanweisung zu zahlen, ohne Bargeld in die Hand zu nehmen.

Nordsternkasse
Zahlungen wurden hier im Haus in der "Nordsternkasse" abgewickelt, einer Kassenhalle über der Vorhalle. Der Tresor stand seitlich in einem Nebenraum. Der Raum dazwischen ist heute als Sitzungssaal für den Krisenstab eingerichtet, die Berliner Justizverwaltung muss in Krisen gleich welcher Art arbeitsfähig sein.


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Krisenstab
Bei der Installation einer neuen Wasserleitung für die Teeküche der Staatssekretärin wurde im Krisenraum die Wasserleitung beschädigt, dann das Heizungsrohr und schließlich das Datenkabel. Wegen der denkmalgeschützten Wandverkleidung war die Reparatur äußerst schwierig. Dass der Krisenstab ohne Datenverbindung hätte tagen müssen, wäre der schlimmste anzunehmende Störfall (GAU).

Es gibt noch zwei weitere Nordsternhäuser in Berlin, einen Bau für die Nordstern Lebensversicherung (1936) mit einer konkaven Wölbung zum Fehrbelliner Platz und ein Verwaltungsgebäude mit roter Sandsteinfassade an der Mauerstraße in Mitte.


Was ist eine Versicherung?
Was ist eine Versicherung - "Ein Lotto, in dem man nur gewinnt, wenn man Pech hat". Und auch das ist nicht sicher, Versicherungen zahlen ungern für Schäden. Soweit die Aphorismen zum Thema, schauen wir uns die historische Entwicklung der Versicherungsbranche am Beispiel der Nordstern an.

Die „Nordstern“ Lebens-Versicherung wurde 1866 im Gebäude der Mendelssohn-Bank, Jägerstraße von mehreren Bänkern gegründet, darunter Franz Mendelssohn und Gerson von Bleichröder. Weitere Nordstern-Neugründungen waren die Nordstern-Unfallversicherung (erweitert in Nordstern Unfall- und Haftpflicht-Versicherung) und die Nordstern Feuer-Versicherung, die später in Nordstern Allgemeine Versicherung umbenannt wurde. Im Laufe der Zeit waren weitere Geschäftsfelder hinzugekommen wie Autoversicherungen, Versicherungen gegen Einbruch- und sonstige Diebstahlschäden, Transportschäden, Kreditverluste, Aufruhrschäden.

Das Dreigestirn und sein Ende

Zum Schluss war der Konzern ein "Dreigestirn" mit drei Nordstern-Versicherungsgesellschaften für Feuerversicherung, Unfallversicherung und Lebensversicherung, dazu kam die Nordsternbank. Nach dem Zweiten Weltkrieg verließ Nordstern West-Berlin. Das Ende des Nordstern-Versicherungskonzerns kam 1995, er wurde von der Axa-Versicherung übernommen, "geschluckt".
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Am Denkmaltag 2025 waren mit dem Nordsternhaus drei Gebäude unser Ziel. Die Berichte finden Sie hier:
Denkmaltag 2025
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Unsere Route:
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Ein Dorf, das nicht Dorf hieß, sondern Berg