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Fähnchen schwenkend in das Sprungtuch


Stadtteil: Prenzlauer Berg
Bereich: Ostseestraße, Ostseeplatz
Stadtplanaufruf: Berlin, Sültstraße
Datum: 6. Januar 2020
Bericht-Nr.: 682

Die Ostseestraße könnte von ihrer Anlage her ein Boulevard sein. Mit breiten Bürgersteigen, bequemen Fahrspuren und einer ausgedehnten bepflanzten Mittelpromenade, die sich am Ostseeplatz parkartig erweitert. Angelegt wurde die Straße nach dem Bebauungsplan von James Hobrecht 1862 im Niemandsland zwischen Prenzlauer Berg und Weißensee, bevor die Stadt sich hierher ausdehnte. An der Nordseite befanden sich Wiesen und Äcker, später sind Kleingärten dort angelegt wurden. Auch die weitere Entwicklung der Ostseestraße als Ringstraße und Ausläufer der Stadtautobahn lud nicht zum Flanieren ein. Dem Diktat des Autoverkehrs folgend, wurde außerdem ein Teil der Mittelpromenade für Parkplätze zweckentfremdet.

Schreibfehler?
Wenn wir die Namen der Querstraßen Sültstraße und Hosemannstraße lesen, fragen wir uns: sind das Schreibfehler? Aber Sült bezieht sich nicht auf die Insel, sondern auf einen kommunistischen Arbeiterführer, der in den 1920er Jahren eine erfolgslose bewaffnete Arbeiterrevolte in der Industrieregion um Halle angeführt hatte. Die Hosemannstraße ehrt Theodor Hosemann, den Maler des Berliner Volkslebens und hat nichts mit dem kommunistischen Widerstandskämpfer Husemann zu tun, nach dem im Kollwitzkiez eine Straße benannt ist.

Hosemann war Maler, Zeichner, Karikaturist und Buchillustrator. In seinen Illustrationen porträtierte er Figuren wie Gänsemädchen, Hökerin, Pflaumenverkäuferin, Biertrinker, Weinverkoster, Sonntagsreiter, Zensor. Er war Mitglied der Berliner Akademie der Künste und unterrichtete an der königlichen Kunstschule. Dort war Heinrich Zille sein Schüler.

"Katholische Volkshilfe" als Grundbesitzer
Das Baugeländer am südlichen Ostseeplatz gehörte der "Katholische Volkshilfe". Darunter könnte man eine kirchliche Sozialhilfe-Organisation vermuten, tatsächlich war es eine Versicherungsgesellschaft, die ihr Geld wie andere Versicherer vorzugsweise in sicherem Grundbesitz anlegte. Gegründet wurde die Volkshilfe, weil die katholische Kirche mit ihrer Caritas gegen die unchristliche Sitte der Feuerbestattung vorgehen wollte. Und das tat sie mit einem kreativen Umweg: Sie bot ihren Kunden als Sterbevorsorge eine Lebensversicherung mit niedrigen Beiträgen an, dafür mussten die Versicherungsnehmer sich zu einer christliche Erdbestattung verpflichten.

Es kam wie es kommen musste: Die Volkshilfe entwickelte sich zu einem Profi-Versicherungsunternehmen, das eine Vielzahl von Produkten anbot und durch Provisionen und Erträge aus ihren Geldanlagen hohe Gewinne erzielte. Die 1825 gegründete Aachener und Münchener Versicherungsgruppe verleibte sich 1938 die Volkshilfe ein und fusionierte mit ihr. Und noch einmal schluckte der Größere den Kleineren, denn inzwischen ist die Aachener und Münchener im italienischen Generali-Versicherungskonzern aufgegangen.

Bebauung Ostseestraße und Ostseeplatz
Am Ostseeplatz trat die "Baugesellschaft Bellevue" als Terrainentwickler und Bauherr auf. Geleitet wurde sie von dem Architekten Mathias von Holst, der gleichzeitig Partner im Architekturbüro Zaar und von Holst war. Beide erstellten oft schlüsselfertige Wohnungen, die sie selbst erbauten. Die Baugesellschaft Bellevue war zunächst maßgeblich an der Entwicklung des Hansaviertels beteiligt, sicherte sich aber ab 1904 auch Bauflächen am Ostseeplatz und östlich davon an der Ostseestraße.

Südlich der Ostseestraße an der Erich-Weinert-Straße entstand die von Bruno Taut geplante Wohnstadt Carl Legien. Daran angrenzend am Ostseeplatz wurde in den 1930er Jahren eine Wohnanlage mit begrüntem Innenhof erbaut. Zwei in die Gebäudeecken eingeschnittene Figuren eines Jünglings und eines Mädchens lassen deutlich den künstlerischen Zeitgeist erkennen.


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Von Ludwig Hoffmanns Schulbau in der Mandelstraße bis zur Kreuzung Ostseestraße/Greifswalder Straße erstreckt sich die Wohnanlage von Fedler & Kraffert, die ebenfalls in den 1930er Jahren erbaut wurde. Hans Kraffert war Vorstandsmitglied der Berliner Baugenossenschaft. Als Architekt hat er hat eine ganze Anzahl von heute denkmalgeschützten Wohnanlagen erbaut, unter anderem die Wohnanlage Ilsenhof. Franz Fedler entwarf die Gebäude des Strandbads Wannsee und ebenfalls eine Reihe von Wohnanlagen.

Wohnpalast am Ostseeplatz
Nördlich der Ostseestraße befanden sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs noch Kleingartenanlagen, die ihre Bewohner in Notzeiten versorgen konnten. In den 1950er Jahren entstand dann der "Wohnpalast am Ostseeplatz", eine vorbildliche Wohnanlage für Arbeiter, die den Bauten der Stalinallee vorausging. Am Ostseeplatz wurde noch traditionell mit Ziegeln aus abgeputzten Trümmersteinen gebaut, die Fassaden wurden verputzt. Zunächst für ihren großzügigen Zuschnitt gelobt, wurden Wohnpaläste nach Stalins Tod als dekadent abgelehnt und durch Rationalisierung und Typisierung - also Plattenbauten - abgelöst.


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Betonwerk für Plattenbauten
An der Ostseestraße nahe der Prenzlauer Allee nahm 1957 Berlins erstes Betonwerk für Plattenbauten seine Arbeit auf. Die Produktion begann mit dem Typ Q3A: "Schnell, günstig, fugenfrei". Bei der Querwand-Plattenbauweise (QP) lagen die tragenden Teile im Innenraum quer zur Außenwand. Die Außenwände verputzt, damit sah man keine Fugen mehr. Im Sewanviertel am Tierpark sind in einer Art Plattenbau-Freilichtmuseum Beispiele dieser Bautypen zu sehen.

Kriegsende am Ostseeplatz
Am Ostseeplatz war in den 1940er Jahren ein Luftschutzbunker gebaut worden. Außerdem gab es dort eine Flakstellung. Als die Sowjetarmee bei Kriegsende von Norden her kommend am Ostseeplatz ankam, traf sie auf starken Widerstand. Daran erinnert auf dem Platz ein Findling mit einer Messingplatte als "Denkmal für die Sowjetsoldaten". Am 8.Mai jedes Jahres wird ein "Befreiungsgedenken" von der Partei der Linken nicht nur an den großen Sowjetischen Ehrenmalen wie in der Schönholzer Heide abgehalten, sondern auch hier.

Erich-Weinert-Park
In einer Vertiefung an der Ecke Prenzlauer Allee und Ostseestraße wurde in der Nachkriegszeit der Erich-Weinert-Park angelegt. Während des Zweiten Weltkriegs befand sich auf diesem Gelände ein Fremdarbeiterlager der Maschinenfabrik Schwartzkoff, in dem 300 Franzosen untergebracht waren.

Kunstwerke an der Ostseestraße
Die Ostseestraße ist eine Kunstmeile, die man erst entdecken muss. In einer Freifläche an der Gubitzstraße versteckt sich hinter Büschen ein Stehendes Paar, geschaffen von Sabina Grzimek. Die Hockende vom Ostseeplatz hat einen höheren Sockel bekommen, 2005 sahen wir sie noch auf einer Bodenplatte hocken. Im Erich-Weinert-Park an der Ecke Prenzlauer Allee trotzt der unbekleidete "Lesende Knabe" von Hans-Peter Goettsche der wechselhaften Witterung. Und eine Büste von Erich Weinert darf natürlich nicht fehlen, geschaffen von Anna Franziska Schwarzbach, von der auch die Hockende stammt.


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Wandbilder ("Murals")
Taucht man aus dem Erich-Weinert-Park auf, steht man vor einer Hauswand mit dem Wandbild einer Frau mit geschlossenen Augen und über der Brust gekreuzten Händen. Geschaffen haben es als Beitrag zum Muralfest 2018 der Portugiese Nuno Viegas gemeinsam mit dem Künstler-Duo Snik aus England, das für hochgradig realistische Darstellungen bekannt ist.

Die freiwillige Feuerwehr Schieritzstraße hat mit hintergründigem Humor eine Brandwand malerisch in den Ort eines Brandeinsatzes verwandelt. Die Leiter reicht gerade so hoch, dass der Feuerwehrmann mit der Spritze den brennenden Dachstuhl erreicht. Derweil halten 15 Kameraden ein Sprungtuch auf, um einen in tadelloser Haltung Fähnchen schwenkend durch die Luft schwebenden Bewohner aufzufangen.

Zum Schluss sehen wir auf unserem Rundgang eine weiteres Mural an der Greifswalder Straße. Das Street Art-Duo Herakut hat an der 30 Meter hohen Brandwand der Heinrich-Böll-Bibliothek einen Appell zur Humanität angemalt. An der Wand selbst und auf dem Kleid einer jungen Frau ist in vielen Sprachen Martin Luthers Aussage zu sehen: “Wenn ich wüsste, dass die Welt morgen untergeht, würde ich heute einen Apfelbaum pflanzen.”

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Unsere Route:
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