Bezirke
  Straßenverzeichnis     Personen     Themen     Aktuell     Forum  
Charlottenburg-Wilmersdorf
Friedrichshain-Kreuzberg
Lichtenberg
Marzahn-Hellersdorf
Mitte
Neukölln
Pankow
Pankow, Weißensee
Prenzlauer Berg
Reinickendorf
Spandau
Steglitz-Zehlendorf
Tempelhof-Schöneberg
Treptow-Köpenick
Allgemein:
Startseite
Ich bin NEU hier
Hinweise
Kontakt
Impressum
Datenschutz
Links
SUCHEN
Sitemap

Überflüssige Rathäuser


Stadtteil: Pankow
Bereich: Niederschönhausen
Stadtplanaufruf: Berlin, Waldowstraße
Datum: 12. August 2019
Bericht Nr.: 664

Für den Vater einer Tochter kann es ein schwieriger Augenblick sein, wenn sie einen anderen Mann in die Familie bringt. Der Bankier Heinrich Friedrich Fetschow hatte kein Problem damit, er nahm 1805 seinen Schwiegersohn Christian Wilhelm Brose sogar in sein Bank- und Handelsunternehmen auf. Im Firmennamen machte er ihn überdies zu seinem Sohn: "H. F. Fetschow & Sohn". Es war ein erfolgreiches Familienunternehmen, eine Speditions-, Kommissions- und Warenhandlung, die Fetschow durch Übernahme einer "Wechselhandlung" auf Bankgeschäfte ausdehnte. Wie sein Schwiegersohn hatte Fetschow einen großen Freundeskreis aus dem liberalen Bürgertum. Fetschow wurde im Gewölbe der Parochialkirche beigesetzt, das war eine ungewöhnliche posthume Ehrung.

Auf dem ehemaligen Firmengrundstück Klosterstraße 87 steht heute der Berliner Fernsehturm, die DDR hatte die Klosterstraße oberhalb der Grunertstraße gekappt. Wenn man im Stadtplan den früheren Verlauf der Klosterstraße mit dem heutigen Alexanderplatz überlagert, findet man einen Teil des Fernsehturms und seiner sechseckige Umbauung genau auf dem Grundstück der Fetschows.

Holländerhaus
In Niederschönhausen mietete Fetschow 1788 einen Sommersitz, den er später kaufte. Es war ein einstöckiger Ziegelbau, den seine Witwe 1816 durch einen Neubau ersetzte. Im Volksmund wurde es "Holländerhaus" genannt, wobei die Chronisten sich nicht einig sind, ob das auf den ursprünglichen Bau oder seinen Nachfolger zurückgeht. Der nächste Besitzer - Schlossermeister Hauschild - nahm daran Umbauten und Erweiterungen vor, die es zum "Patrizierhaus" machten, einem eigentümlichen und ungewöhnlichen Bau. Den Hauseingang erreicht man durch einen hölzernen Vorbau mit sakraler Anmutung. Ein Blendmaßwerk auf der Frontseite zeichnet die Form eines gotischen Fensters nach, dessen oberstes Feld eine Rosette in Form eines Vierpasses mit Hufeisenbögen enthält. Die Seiten werden durch tierische Wächter flankiert. In allen zugänglichen Beschreibungen des Hauses wird dieses Bauteil übersehen, weil ein weiteres Highlight alle Aufmerksamkeit auf sich zieht:

Auf der Schmalseite des Gebäudes imponieren vom Balkon im Obergeschoss bis unters Dach Schnitzereien im spätgotischen Stil. Zur Entstehungszeit konnte man von diesem Balkon weit ins Land schauen. Wendete man sich dem Hausinnern zu, dann stand man in einem Rittersaal, in dem der Schlossermeister seine gesammelten Prunkrüstungen ausstellte. Hauschild war kein einfacher Schlossermeister, sondern ein Kunstschmied, der mit zweien seiner Werke auf den Weltausstellungen von 1844 und 1867 viel Aufmerksamkeit erhielt, einem Gittertor und einem Geldschrank mit geschmiedeten Ornamenten.


mit KLICK vergrößern

Der Maler Eduard Gaertner, der 1834 das Berlin-Panorama vom Dach der Friedrichswerderschen Kirche aus gemalt hatte, schuf ein Bild der Familie Hauschild im Biedermeier-Wohnzimmer in der Stralauer Straße.

Kommen wir zurück zur Familie Fetschow/Brose. Wie sein Schwiegervater entdeckte auch Christian Wilhelm Brose seine Leidenschaft für Niederschönhausen und bezog auf der Dietzgenstraße gegenüber dem Holländerhaus ein Anwesen mit Herrenhaus und Orangerie, von dem heute nur noch der Nachbau eines Nebengebäudes am Brosepark vorhanden ist. Karl Friedrich Schinkel, mit dem Brose befreundet war, hatte das Anwesen umgebaut, nachdem Brose es gekauft hatte. Den Garten ließ Brose zu einem Park nach englischem Vorbild umgestalten. Im Park steht eine Flatterulme, diese Baumart wurde 2019 zum Baum des Jahres gewählt. Ihre buschigen Blüten, die im Wind flattern, gaben ihr den Namen. Diese Baumart kann Überflutungen von mehr als 100 Tagen im Jahr vertragen, hoffentlich wird das in Pankow nie ausprobiert werden.

Hinter dem nachgebauten kleinen Eingangsgebäude des Broseparks, einem eingeschossigen Fachwerkbau, steht eine Plastik von Reinhold Felderhoff, "Mutter mit Kind". 1911 geschaffen, war sie vorher schon an zwei verschiedenen Standorten aufgestellt, erst im Bürgerpark, dann vor dem Pankower Rathaus. Der Brosepark wird nicht nur von Spaziergängern und Joggern genutzt, eine nahegelegene Schule verwendet ihn auch für den Schulsport und bei unserem Besuch spielte hier eine Kitagruppe.


mit KLICK vergrößern

Gelehrtenheim
Nördlich vom Brosepark steht an der Beuthstraße ein holzverkleidetes Fachwerkhaus, das Schinkel im Auftrag von Brose umbaute. Hier gab sich der Freundeskreis der beiden die Klinke in die Hand, deshalb wurde es im Volksmund zum "Gelehrtenheim". Es war ein großer und interessanter Freundeskreis. Dazu gehörte Peter Wilhelm Beuth, der in preußischen Ministerien für Handel, Gewerbe und Bauwesen zuständig war, das Gewerbeinstitut und die Bauakademie leitete und damit viele Berührungspunkte mit Schinkel hatte. Es ist kein Zufall, dass auf dem Schinkelplatz neben dem Schloss die Standbilder der beiden benachbart sind. Zum Freundeskreis gehörten weiterhin der königlich-preußische Hofmaler Carl Joseph Begas, der Landschaftsmaler Carl Blechen, der auf Schinkels Empfehlung an die Berliner Akademie berufen wurde, der Hoftheatermaler Carl Wilhelm Gropius, der von Schinkel ausgebildet wurde, und der Bildhauer Christian Daniel Rauch.

Christian Wilhelm Brose gehörte zum gehobenen Bürgertum, das zeigte sich auch in der Bestattungskultur. Auf dem Alten St.-Marien- und St.-Nikolai-Friedhof an der Prenzlauer Allee steht das von Schinkel geschaffene Brose-Mausoleum im neugotischen Stil mit spitzbogenförmigem Eingangsportal, das von Gewänden mit plastisch gestalteten Stufungen umrahmt wird.

Rathaus Niederschönhausen
Berlin hat viele Rathäuser, die nicht mehr für ihren ursprünglichen Zweck genutzt werden. Nicht erst als im Jahre 2000 die Zahl der Bezirke durch Fusionen von 23 auf 12 abgeschmolzen wurde, waren einige Rathäuser überflüssig geworden. Schon als 1920 durch den Zusammenschluss von 66 Stadt- und Landgemeinden (und vielen Gutsbezirken) Groß-Berlin entstand, waren etliche Rathäuser entbehrlich geworden. Nicht zu vergessen die Fusion von Cölln und Berlin 1709, bei der das Alte Rathaus an der Rathausstraße/Spandauer Straße durch einen Neubau des Cöllnischen Rathauses an der Breite Straße/Scharrenstraße ersetzt wurde.

Für viele Berliner Gemeinden kam der Zusammenschluss zu Groß-Berlin 1920 zu spät, sie hatten um die Jahrhundertwende eigene Rathäuser errichtet. So beispielsweise Schmargendorf (1902), Friedenau (1916), Johannisthal (1906), Friedrichshagen (1899). Auch Niederschönhausen baute 1910 ein eigenes Rathaus an der Kuckhoffstraße, einen Bau mit einer eindrucksvollen Renaissancefassade mit Voluten (schneckenförmig eingerollten Verzierungen) am Giebel. Nach großzügiger Erweiterung wurde das Rathaus 1928 als Schule neu eröffnet (Friedrich-List-Gymnasium). Zurückgesetzt von der Straße steht ein weiterer aufwendig geschmückter Schulbau mit zwei Seitenflügeln. Der überdachte Treppenvorbau geht auf Vorbilder von Renaissance-Rathäusern zurück.

Gleichrichterwerk
In der Idastraße steht ein ungewöhnlicher Industriebau, ein Gleichrichterwerk für die Straßenbahn, erbaut von Hans-Heinrich Müller. Ungewöhnlich daran ist, dass Müller hier einen Auftrag der Verkehrsbetriebe übernommen hat. Er war der Hausarchitekt der Bewag und hat für den Stromerzeuger eine Reihe außergewöhnlicher Abspannwerke und Umspannwerke geschaffen, die den Strom von der Kraftwerken in eine niedrigere Voltzahl für die Endverbraucher umwandeln.


mit KLICK vergrößern

Ein Zwilling zu diesem Gleichrichterwerk steht in der Herzbergstraße in Lichtenberg. Der für Müller charakteristische Zahnfries fehlt auch an diesem Bautyp nicht.

Friedhof Pankow IV
Nur ein paar Schritte vom Brosepark entfernt liegt der Friedhof Pankow IV an der Buchholzer Straße. Durch die Ausdehnung der Stadt sind Friedhöfe immer weiter an den Rand gewandert. Der vierte Pankower Friedhof ist relativ klein, wegen seiner vielen Erbbegräbnisse lohnt es sich, ihn zu besuchen. Auf zwei Gräbern liegen Ziegelsteine mit Berliner Wappen, eine Würdigung als Ehrengräber der Stadt für Carl von Ossietzky und Max Skladanowsky.

Der Begründer der "Weltbühne", Carl von Ossietzky, wird in Pankow durch Benennung eines Platzes, einer Straße und einer Schule geehrt. Als Journalist, Pazifist, Friedensaktivist wurde er in der Weimarer Republik wegen Beleidigung und Spionage angeklagt und verurteilt und in der NS-Zeit verfolgt und gefoltert. Er starb im Krankenhaus Nordend, auch die Verleihung des Friedensnobelpreises - aufgrund einer Kampagne, die Willy Brandt als Emigrant organisierte - hatte Ossietzky letztlich nicht vor der Verfolgung schützen können.

Max Skladanowsky war ein Wegbereiter des Films. Seinen Spuren waren wir schon bei früheren Stadtrundgängen begegnet. Ein Pflastermosaik an der Kastanienallee Ecke Schönhauser zeigt auf das Eckhaus, auf dessen Dach die Brüder Max und Emil Skladanowsky 1892 mit ihrem selbstgebauten Apparat Filmaufnahmen der Umgebung gemacht haben sollen. Im Wintergarten an der Friedrichstraße führten sie ihre ersten Filme vor, zu denen auch die Filmsequenz " Das boxende Känguru" gehörte. Max Skladanowsky wohnte in Niederschönhausen in der Waldowstraße 28, nur 400 Meter vom Friedhof entfernt.

Wer sich weiter im Ortsteil umschauen will, findet unter --> Niederschönhausen Spaziergänge unter anderem zum Schloss, nach Nordend, nach Schönholz.

--------------------------------------------------------------
Unsere Route:
--------------------------------------------------------------

zum Vergrößern ANKLICKEN



Schokolade und grüner Fisch
Bilder von Mondlandschaften und faulen Fischen