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Butterersatz für die Soldaten


Stadtteil: Lichtenberg
Bereich: Herzberge
Stadtplanaufruf: Berlin, Herzbergstraße
Datum: 28. April 2014
Bericht Nr: 460 a

BEROLINA steht in großen Lettern am First des Gebäudes der ehemaligen Margarinefabrik in der Lichtenberger Herzbergstraße. Das klingt nach Lokalkolorit, war aber tatsächlich nur eine von vielen Marken eines Margarine-Imperiums, das nach immer mehr Branchen griff und heute als "Unilever" global tätig ist. Ob Sie Sanella, Rama. Lätta oder Becel aufs Brot schmieren, Knorr. Pfanni, Mazola oder Mondamin in der Küche verwenden, die Zähne mit Signal putzen, Axe oder Rexona in den Achselhöhlen auftragen, mit Duschdas oder Dove unter die Dusche gehen, Langnese, Magnum, Cremissimo oder Cornetto schlecken, mit Viss, Coral oder Domestos gegen Schmutz vorgehen - immer haben Sie beim weltgrößten Verbrauchsgüterkonzern Unilever eingekauft.

Der Deutsch-Französische Krieg 1870/71 wurde nicht nur mit Waffen geführt. Der französische Kaiser Napoleon III. hatte zur besseren Truppenverpflegung eine Ersatzbutter entwickeln lassen, die länger frisch bleiben und billiger herzustellen sein sollte als Butter. Den Krieg hat er damit nicht gewonnen, aber die Entwicklung der Margarineindustrie angestoßen. Der Holländer Simon van den Bergh sicherte sich die Rezeptur und produzierte ab 1872 die neue Kunstbutter in den Niederlanden. Als Deutschland durch Schutzzölle die Einfuhr massiv behinderte, begann van den Bergh 1888, Margarine auch in Deutschland zu produzieren. Begonnen hatte er in Kleve, 1927 gehörten zu seinem deutschen Margarineimperium bereits 14 Gesellschaften, darunter die Berolina Margarinefabrik G.m.b.H. in der Herzbergstraße. In Berlin wurden "Blauband" und "Spreegold" hergestellt, "Vom Guten das Beste", wie eine Reklamemarke mit einer Kuh auf grüner Wiese verkündet. Reklamemarken, das waren künstlerisch gestaltete "Werbeplakate" in Briefmarkengröße, die zusätzlich zum Porto auf Briefe geklebt wurden. Das Sammeln dieser Reklamemarken war für kurze Zeit eine Manie, die aber mit Beginn des Ersten Weltkriegs wieder abebbte. Zu DDR-Zeiten produzierte der VEB Berolina Margarinewerke in einem Hinterhof in der Auguststraße in Mitte, dort wo heute die KunstWerke ausstellen.

Das Gebäude mit dem "Berolina"-Schriftzug steht an der Herzbergstraße, dahinter erstreckt sich die Fabrik 90 Meter in die Tiefe des Grundstücks. Einige Betriebe haben sich hier nach der Wende eingemietet. Die Lottostiftung hat vor vier Jahren einen klitzekleinen Förderbetrag zur Sanierung des Gebäudes ausgeschüttet, aber sehr viel ist noch zu tun. Aus Materialmangel wurden zu DDR-Zeiten - nicht nur hier - Fensteröffnungen teilweise zugemauert und mit einem Sturz versehen, um wenigstens die kleineren Fenster aus einer Standardproduktion einzusetzen. Die alte Gebäudesubstanz wurde dadurch nicht geschädigt, aber entstellt. Wie es innen aussieht, kann man nur vermuten, bis zur denkmalgerechten Wiederherstellung ist es noch ein langer Weg.

Die Herzbergstraße war ein Industriegebiet, angelegt auf dem ehemaligen Rittergut Lichtenberg, mit einem eigenen Gleisanschluss zur Wriezener Bahn, dem Industrieumschlagbahnhof Berlin (1). Zu DDR-Zeiten übernahmen Volkseigene Betriebe (VEB) die Standorte und führten hier die Produktion fort. Es gab VEBs beispielsweise im Bereich Fleisch, Verpackungen, Metallguss, Tierische Rohstoffe, Metallurgie, Rohrleitungen, Maschinenbau, Lüftungsanlagen, Elektrokohle. Der VEB Elektrokohle führte die von Siemens gegründete Fabrik fort, heute ist auf dem Gelände "Klein-Hanoi" zu finden, das Dong Xuan Center mit Berlins größtem Asia-Markt. Das Theater Hebbel am Ufer hatte vor vier Jahren in einer Veranstaltung vor Ort einen vielfältigen Einblick in die Lebenswelt der Vietnamesen gegeben (2). Auch Nachfolgebetriebe der VEBs gibt es hier manchmal. Statt des "VEB Lufttechnische Anlagen" produziert jetzt die "Berliner Luft Ventilatoren und Geräte GmbH" an der Herzbergstraße. Leider löst sich deren Firmenlogo am Gebäudefirst langsam auf, statt zu lüften pustet das Symbol jetzt die Gegenstände durch die Luft (zu sehen in meiner Bildergalerie).

Vom Industriegebiet Herzbergstraße bis zum Krankenhausgelände Herzberge sind es nur wenige Schritte. Der Berliner Stadtbaurat Hermann Blankenstein (3), der als "Markenzeichen" immer einen Berliner Bären als Wappen an seinen Bauten hinterlassen hat, baute die II. Städtische Irrenanstalt 1893 als Ergänzungsbau zu der Dalldorfer (Wittenauer) Städtischen Irren- und Idiotenanstalt von 1877 (4). Man kann daraus sicherlich nicht schließen, dass die Berliner in zunehmender Zahl geisteskrank wurden. Vielmehr ist es das vermehrte Wissen über Krankheiten, das immer mehr Behandlungen erzeugt.

"Dem Geisteslicht zum Schutze, gemeinem Wohl zu Nutze" steht über dem Hauptgebäude der ehemaligen Irrenanstalt. Geisteslicht? Mir geht dabei kein Licht auf, ist das metaphorisch gemeint oder auf die Behandlung der "Irren" gemünzt, die hier für das Gemeinwohl verwahrt werden? Rudolf Steiner hat das Geisteslicht als das beschrieben, was uns aus dem Lebensdunkel herausführt, die Bibel verbindet die göttliche Botschaft mit dem Licht ("Erleuchtung"). Auch das Zeitalter der Aufklärung "leuchtet" in anderen Sprachen, beispielsweise im Englischen als "age of enlightenment".

Nach dem Zweiten Weltkrieg zog auch das 1843 gegründete "Königin Elisabeth Hospital" in Herzberge ein und wurde nach der Wende mit dem bestehenden - jetzt "Fachkrankenhaus für Neurologie und Psychiatrie" genannten" - zum "Evangelischen Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge" zusammen gelegt. Das Königin Elisabeth Hospital war aus einer Kleinkinder-Bewahranstalt entstanden, die sich nach der Aufnahme von kranken Kindern zur Klein-Kinder-Kranken-Bewahr-Anstalt entwickelte. Das Thema erfreute sich allerhöchster Aufmerksamkeit, die Gründerin Königin Elisabeth war die Ehefrau des Königs Friedrich Wilhelm IV. Die Ehefrau des letzten Kaisers - Kaiserin Auguste Viktoria - war 1887 bei der Einweihung eines Hospital-Neubaus an der Hasenheide dabei. Unter ihrer Protektion entstand 1909 in Charlottenburg das "Kaiserin-Auguste-Viktoria-Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit" (5).

Um das Krankenhaus herum entstand der Landschaftspark Herzberge, in dem Pommersche Landschafe als natürliche Rasenmäher die Wiesen kurz halten. Kommt man weiter südlich, dann ist es zuerst mit der Beschilderung und dann mit dem Durchkommen vorbei. Ein Trampelpfad mit ungewissem Ziel führt bald über den ehemaligen Güterbahnhof am angrenzenden Friedhof entlang, den man dann über einen niedergetretenen Zaun betreten kann.

Wir nehmen diesen Weg und gehen auf den Friedhof. Bitte folgen Sie uns jetzt weiter auf diesem Rundgang, den ich wegen des Themenwechsels in einem neuen Bericht fortsetze. Bitte klicken Sie auf diesen Link: --> Der geheizte Friedhof

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(1) Das Rittergut Lichtenberg als Industriestandort: Rittergut Lichtenberg
(2) "Klein-Hanoi" in Lichtenberg, das Dong Xuan Center: Verknüpfte Welt
(3) Stadtbaurat Hermann Blankenstein: Blankenstein, Hermann Stadtbaurat
(4) Irrenanstalt in Dalldorf (Wittenau): Wir kommen aus Dalldorf
(5) Das Kaiserin-Auguste-Viktoria-Haus zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit: Säuglingspalast mit Kuhstall



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Unsere Route
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Beschauliches Friedrichsfelde
Der geheizte Friedhof