Bezirke
  Straßenverzeichnis     Personen     Themen     Aktuell     Forum  
Charlottenburg-Wilmersdorf
Friedrichshain-Kreuzberg
Lichtenberg
Marzahn-Hellersdorf
Mitte
Neukölln
Pankow
Reinickendorf
Spandau
Steglitz-Zehlendorf
Tempelhof-Schöneberg
Treptow-Köpenick
Allgemein:
Startseite
Ich bin NEU hier
Hinweise
Kontakt
Impressum
Datenschutz
Links
SUCHEN
Sitemap

Park von Krieg und Frieden


Stadtteil: Friedrichshain
Bereich: Volkspark Friedrichshain
Stadtplanaufruf: Berlin, Weinstraße
Datum: 8. Juni 2015
Bericht Nr: 509

Ein Mausoleum, über die ganze Außenfläche vollgetextet vom Sockel bis zum Dachgebälk, das hat die Familie Zeitler ihrer Nachwelt hinterlassen. Den Namen des Gründers kann man üblicherweise am Dachgebälk lesen, aber das Denken und Wirken flächig außen aufzuschreiben, ist ziemlich einmalig. Man erfährt, dass das Wirken von Johann Jakob Zeitler und seiner Familie weit in die Zukunft gedacht waren. Nicht nur die freigiebigen Stiftungen der Zeitlers werden penibel vermerkt, auch die Verpflichtung der Stadt, das Mausoleum aus den Mitteln zu erhalten, die aus einer "ungenannten Stiftung" stammen.

Dem Unbekannten das Geheimnis zu entreißen, ist ein mythisches Thema, auch die Figur des "ungenannten Stifters" bewegt bis in die Gegenwart die Gemüter. Die Stadt Görlitz an der polnischen Grenze erhält seit 21 Jahren für die Sanierung ihres historischen Stadtkerns jährlich eine "Altstadtmillion" von einem anonymen Spender (anfangs 1 Mio. DM, jetzt 511tausend Euro). Voraussetzung ist, dass die Anonymität gewahrt bleibt. Nicht einmal die Bild-Zeitung hat bisher das Geheimnis lüften können. Auf die Frage, wer Zeitlers Mausoleum gestiftet hat, komme ich etwas später zurück.

Bei einer Grundsteinlegung ist es üblich, eine "Zeitkapsel" einzumauern, die künftigen Generationen zeittypische Informationen überbringen soll. Beim Mausoleum Zeitler hat man nicht so lange gewartet und die Informationen auf einer Seitenwand in Stein gemeißelt, damit alle gleich Bescheid wissen. Hier finden sich Angaben über Löhne, Arbeitszeiten, Baumaterial, Maßangaben und neue Gesetze: "Die Steinmetze arbeiteten im Sommer nicht"; "Harte Ziegel kosteten beim Baubeginn 8, später 25 Thaler"; "Während des Baues wurden Maasse, Gewichte und Geld verändert", aus Ruthe wurde Meter, aus Quart wurde Liter, aus Silberthalern wurde Goldmark. Nicht mehr durch die Kirche, sondern der Staat - so steht hier - beurkundet jetzt Geburt, Hochzeit und Tod.

Nun zu den Texten auf der Vorderseite des Mausoleums. Wert und Bedeutung der Arbeit werden dreimal gewürdigt, dazu wird sogar aus der Offenbarung des Johannes zitiert.

- "Selig sind die Todten - sie ruhen von ihrer Arbeit"
- "Vaters Arbeit und Segen baut Kindern Häuser"
- "Dem Menschen zur Lust schuf Gott die Arbeit, nicht zur Last".

Bei dem Zitat aus der Offenbarung des Johannes wird allerdings Gott weggelassen. Im Bibeltext werden die "im Herrn" Sterbenden als selig gepriesen, sie ruhen von ihrer Arbeit aus. Bei Zeitler könnte man aus dem verkürzten Zitat herauslesen, dass das Arbeiten auch ohne Glauben selig macht.



Verständlich wird die Betonung der Arbeit durch die Familiengeschichte der Zeitlers. Der Familien-Senior Johann Jakob Zeitler war ein einfacher Weber, der die Witwe eines Webermeisters geheiratet hat, es war wohl die Frau seines ehemaligen Chefs. Zeitler schaffte es, sich zum wohlhabenden Hersteller und Händler von Textilien hochzuarbeiten. Unter seinem Namen hat sein Sohn nach seinem Tod eine Stiftung für verarmte Weber errichtet. Diese erste Stiftung aus der Familie Zeitler hatte den Nebenzweck, das Zeitlersche Erbbegräbnis - sprich das Mausoleum - zu erhalten. Dagegen steht am Mausoleum selbst geschrieben, es handele sich um die Stiftung eines Unbekannten, man wollte wohl die Eigennützigkeit nicht so offen zeigen.

Der Sohn Carl Ludwig Zeitler gehörte bereits durch seinen Schulbesuch von Anfang an zum gehobenen Bürgertum. Wie sein Vater war er Textilhändler, nannte sich aber auch Baumeister und wollte auf seinem Gelände in Friedrichshain einen Hochschul-Campus nach dem Vorbild von Harvard entstehen lassen. Sehr hochfahrende Pläne, doch ohne Befähigungsnachweis akzeptierte ihn die Baubehörde nicht als Baumeister, so verkaufte er das Gelände wieder, mit Gewinn. Aus seinem Vermögen und den Nachlässen von Familienangehörigen errichtete er Stiftungen für unverschuldet bedürftige Frauen, für bedürftige evangelische Theologie- und Philologie-Studenten, für Mathematik- und Naturkunde-Studierende und für Handwerker und Kunstschüler. Das alles ist samt Gründungsdaten und vollständigen Namen der Stiftungen zweifach am Mausoleum abzulesen. Dabei hat er durchaus auch an seine Familie gedacht, bei der Studienstiftung hieß es beispielsweise: "... die mit mir verwandt sind, haben ein Vorrecht".

Als Stiftungsmasse wurden Grundstücke an der Büschingstraße, Höchsten Straße und Linienstraße eingebracht. Nur die Erträge durften die Stiftungen verwenden, das eingesetzte Kapital sollte dauerhaft erhalten werden. Doch das Vermögen ist weg, Inflationen, Wirtschaftskrisen und Staatskrisen haben es vernichtet. Heute sucht die Evangelische Kirche über ihre Initiative "Grabmale retten" nach Sponsoren für die weitere Erhaltung dieses und anderer Grabdenkmäler, meist kann man sich bei dieser Aktion auch selbst auf dem geförderten Grabplatz beerdigen lassen.

Carl Ludwig Zeitler förderte auch die Wissenschaft. Er hat die Urania mit gegründet und auf dem Gebäude seiner Stiftung Büschingstraße 35 eine Sternwarte eingerichtet. Zum Schluss zogen Zeitler und seine Frau selbst in dieses Gebäude mit ein. Wie die Stipendiaten auf die plötzliche räumliche Nähe zum Stifter reagiert haben, ist nicht überliefert.

In Sichtweite zum Zeitler-Mausoleum steht eine neoklassizistische Säulenhalle, die an den Athener Parthenon-Tempel erinnert. Diese mächtige Grabanlage beherrscht den Blick auf den Friedhof I der Georgen-Parochialgemeinde von der Greifswalder Straße aus. Hier haben Julius Pintsch und seine Familie ihre letzte Ruhe gefunden. Die Erfindungen von Julius Pintsch bestimmen auch heute noch unseren Alltag, ohne dass wir es ahnen. In der Andreasstraße nahe dem Ostbahnhof stand seine Fabrik, bei einem Rundgang dort haben wir seine Geschichte aufgeschrieben.



Die monumentale Säulenhalle hat Hans Dammann geschaffen, der als Bildhauer vor allem Friedhofskunst - auch Soldatengräber und Kriegerdenkmäler - entworfen hat. Die Bronzefiguren seiner Trauernden wurden nachgegossen und sind so manchmal mehrfach als Grabdenkmäler verwendet worden. In Berlin steht auf dem Friedhof Grunewald, dem Friedhof Wilmersdorf und dem St.Marien-Nicolai-Friedhof seine Grabmalsskulptur "Aux Morts", die er auf der Großen Berliner Kunstausstellung 1904 ausgestellt hatte. Auch die Säulenhalle gibt es noch einmal - mit abgewandeltem Dachgebälk - auf dem Erbbegräbnis Dincklage in Wilmersdorf.

Der Weg zum Volkspark Friedrichshain führt uns über die Weinstraße - schon wieder ein Hinweis auf die Berliner Weinberge. Hier stand an der Barnimstraße - von der Weinstraße zurückgebaut - das "Königlich-Preußische Weiber-Gefängnis". Mit Entbindungs- und Mutter-und-Kind-Station soll es vor dem Ersten Weltkrieg das modernste Gefängnis der Stadt gewesen sein. Belegt war es anfangs mit Kleinkriminellen und Prostituierten, später auch mit politischen Gefangenen und zuletzt mit Republikflüchtigen. Rosa Luxemburg hat hier zwei Gefängnisstrafen verbüßt, daran erinnert eine nüchterne Gedenkstele, die "in skulpturaler Weise auf Gefängnisstäbe" verweist. Es dürfte durchaus interessant sein, nach den Denkmälern für Rosa Luxemburg in Berlin zu forschen, so wie wir es bei Karl Liebknecht gemacht haben, aber das bleibt einem späteren Bericht vorbehalten.

Der Volkspark Friedrichshain könnte den Untertitel "Park von Krieg und Frieden" tragen, haben doch beide hier ihre Spuren hinterlassen. Am westlichen Ende, dort wo heute der Märchenbrunnen steht, trafen 1809 der Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. und Königin Luise nach der Flucht vor Napoleon wieder in Berlin ein. Sie kamen durch das Bernauer Tor der Akzisemauer, das daraufhin in Königstor umbenannt wurde. Eine ähnliche Geschichte hatte das Georgentor, das mittelalterliche Stadttor am Alexanderplatz. Dort zog 1701 der erste Preußenkönig Friedrich I. nach seiner Krönung in Königsberg wieder in Berlin ein. Das Tor wurde daraufhin in Königstor umbenannt. Natürlich standen nicht beide Tore gleichzeitig. Die engere mittelalterliche Stadtmauer musste weichen, als Berlin weiter gewachsen war und eine neue Zollmauer (Akzisemauer) ausgedehntere Stadtflächen umschloss. Das mittelalterliche Tor wurde 1746 abgetragen, zusammen mit der Stadtmauer. Das Königstor in Friedrichshain stand bis in die 1860er Jahre und wurde dann zusammen mit der Akzisemauer abgerissen.

Der Friedrichshain war Berlins erster städtischer Park, 1840 angelegt, um Friedrich den Großen zu ehren, der 100 Jahre vorher den Thron bestiegen hatte. Zum Park gehörte der Lindenberg, eine flache Erhebung mit zwei Windmühlen. Kaum war der Park fertig, schon wurde er um einen Ehrenfriedhof für die Toten der Märzrevolution vom 18. März 1848 erweitert. Von Anfang an ist dieser Friedhof nicht nur ein Begräbnisplatz, sondern ein Symbol gewesen, verschiedene Gruppen und Systeme haben über die Gräber hinweg um die Deutungshoheit über die Märzrevolution gerungen.

Dabei waren die Barrikadenkämpfe in Berlin durch ein Missverständnis ausgelöst worden. Der Kampf um mehr Bürgerrechte hatte sich 1848 von Frankreich auf andere Staaten ausgebreitet. Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. wollte der Protestbewegung in Berlin die Spitze nehmen, indem er dem Parlament mehr Rechte einräumte. Auch die Zensur hatte er aufgehoben und Pressefreiheit versprochen. Eine Menschenmenge versammelte sich am 18.März 1848 vor dem Schloss, um dem König für die von ihm eingeleitete Liberalisierung zu danken. Die Versammelten empfanden aber die Präsenz des Militärs als bedrohlich und forderten dessen Abzug. Zur gewaltsamen Konfrontation kam es erst, als der König den Befehl gab, den Schloßplatz "zu säubern". Die Soldaten schossen, die Bürger flüchteten und errichteten in den umliegenden Straßen Barrikaden. Bei den Barrikadenkämpfen starben fast 300 Menschen, davon 20 Soldaten. Am nächsten Tag richtete der König eine beschönigende Proklamation "An meine lieben Berliner", dann verneigte er sich aber vor den im Schlosshof aufgebahrten Toten, verkündete eine Amnestie und ließ das Militär abziehen. Einen weiteren Tag später ritt er unter der Revolutionsflagge Schwarz-Rot-Gold durch die Stadt, sozusagen als sein eigener Revolutionär. Am 22.März schließlich ging der Trauerzug mit den Särgen vom Gendarmenmarkt zum Schloss und von dort zum Friedhof.

Und damit begann schon am ersten Tag der Kampf um den Friedhof als Symbol. Das Gräberfeld war kleiner als geplant, nur eine der zwei Windmühlen war beseitigt worden. Die bei den Kämpfen gefallenen Soldaten wurden nicht hier beerdigt. Das preußische Militär gab die Leichen nicht heraus und die Bevölkerung wehrte sich wohl auch gegen die gemeinsame Bestattung, so kamen sie auf den Invalidenfriedhof am Schifffahrtskanal.



Der Friedhof der Revolutionäre wurde von jetzt an für März-Gedenkfeiern instrumentalisiert. Zwei Jahre später verbot der Polizeipräsident Hinckelday den März-Aufmarsch. Acht Jahre später wurde der Friedhof ganz gesperrt, man wollte ihn auflösen und die Toten auf andere Friedhöfe umbetten. Dann machte man ihn wieder zugänglich, unterband aber unerwünschte Kommentare auf Kranzschleifen und verbot Reden und Gesänge.

Und dann kam die nächste Revolution im November 1918, als am Ende des Ersten Weltkriegs und nach der Abdankung des Kaisers der Kampf um die Macht zwischen den Sozialdemokraten (Friedrich Ebert, Philipp Scheidemann) und den Kommunisten (Karl Liebknecht) um die Ausrichtung der neuen Republik begann. Die bei den Kämpfen zwischen Demonstranten und Soldaten Getöteten wurden auf dem Friedhof der Märzgefallenen beigesetzt. Dagegen durften die Toten aus dem Spartakusaufstand im Januar 1919 hier nicht beerdigt werden.

In der Weimarer Zeit fanden wieder Gedenkveranstaltungen auf dem Friedhof statt, aber zu unterschiedlichen Uhrzeiten, jede Partei gedachte für sich allein. Die Nazis ließen den Friedhof in Ruhe - verwahrlosen. Die DDR gestaltete den Ort der "gefallenen Revolutionskämpfer" neu und hielt hier Fahnenappelle ab. Natürlich hat auch die Jetztzeit Veränderungswünsche, eine nationale Gedenkstätte soll entstehen. Bis dahin ist der zentrale Gedenkstein von einer "Ausstellungsrotunde" umgeben. Und der von der DDR aufgestellte überlebensgroße "Rote Matrose" mit dem Gewehr in der Hand wurde so von Büschen umgeben, dass er ganz unscheinbar ist.

Zurück zum Volkspark Friedrichshain selbst und einer Zeit, die vom Krieg und anschließend wieder vom Frieden geprägt war. 1941 wurden zwei Bunker mit Flaktürmen errichtet, es ging im Zweiten Weltkrieg um Zivilschutz und Luftverteidigung. Auch Kunstwerke aus Berliner Museen wurden im Flakbunker zwischengelagert, jedenfalls war das die Intention. Tatsächlich sind dort Skulpturen geschmolzen oder bis zur Unkenntlichkeit beschädigt worden und mehr als 400 Gemälde verbrannt, darunter Bilder von Botticelli, Brueghel, Caravaggio, Chodowiecki, van Dyck, Raffael, Rubens, Veronese. Einzelne Funde der schwer beschädigten Skulpturen sind im Bodemuseum ausgestellt, bei den Bildern wird immer noch gemunkelt, dass manche vor dem Brand bereits beiseite gebracht worden waren. Die Bunker wurden nach dem Krieg gesprengt, die Überreste mit Trümmern von den zerbombten Häusern aufgefüllt und überlagert. Aus dem Bunkerberg wurde ein Trümmerberg, der "Monte Klamott".

Im Volkspark wurden zu DDR-Zeiten mehrere Denkmale errichtet, die an kriegerische Ereignisse erinnern sollen: Fritz Cremer würdigt die Interbrigadisten des Spanischen Bürgerkriegs. Eine japanische Weltfriedensglocke erinnert an den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Beim Denkmal der "deutsch-polnischen Waffenbrüderschaft" von 1972 wurde nach der Wende die Widmung politisch korrekt erweitert auf die Widerstandsbewegung, Zwangsarbeiter und andere Opfer des Nationalsozialismus.

Zum Schluss sind wir dem Bunkerberg/Monte Klamott auf den Gipfel gestiegen. Dichtes Grün verhindert einen Blick in die Umgebung, so müssen wir das Ziel für unser abschließendes Flaniermahl auf dem Smartphone finden. Am Strausberger Platz - wir gestehen, wir haben die U-Bahn zu Hilfe genommen - verköstigt uns ein Italiener, der einen Vulkan im Namen führt.

--------------------------------------------------------------
... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
--------------------------------------------------------------

--------------------------------------------------------------
... und hier sind weitere Bilder ...
--------------------------------------------------------------

--------------------------------------------------------------
Unsere Route
--------------------------------------------------------------

zum Vergrößern ANKLICKEN



Zwei Berliner Senate stürzen über ihre Baupolitik
Herr Leutnant ich bin ein Mädchen