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300 Jahre Charlottenburg


Stadtteil: Charlottenburg
Stadtplanaufruf: Berlin, Alt Lietzow
Datum: Neufassung 20. Januar 2021, Bilder vom 20. Juni 2005 und 20. Januar 2021

Berlin hat schon vor Jahren sein 750jähriges Bestehen gefeiert, und Charlottenburg feiert jetzt erst 300, wie kann das sein, fragten wir bei unserem Stadtspaziergang im Juni 2005. Es waren unterschiedliche Anlässe für die Jubiläen: Die Stadt Berlin gedachte ihrer Gründung, die Stadt Charlottenburg ihrer Namensgebung.

Charlottenburg geht auf das Dorf Lietzow zurück, das 1239 erstmals erwähnt wurde. In der Nähe des Dorfes ließ die Kurfürstin und spätere Königin Sophie Charlotte ab 1695 ihr Lustschloss Lützenburg errichten, angrenzend entstand eine barocke Siedlung. (Über die Jahrhunderte wurden die Schreibweisen Lietzow und Lützow synonym verwendet, genau wie Lietzenburg und Lützenburg). Als die Königin 1705 starb, ließ der König Schloss und Siedlung nach seiner Frau in "Charlottenburg" umbenennen. Vierzehn Jahre später wurde das Dorf Lietzow eingemeindet.

Charlottenburg
Südlich vom Schloss entstand um die Große Allee (heute Schloßstraße) eine barocke Siedlung, die durch den Hofstaat geprägt war. Zu den ersten Einwohnern gehörten Aly und Hassan, zwei Kammerdiener der Königin Sophie Charlotte, die nach Berlin verschleppt worden waren ("Kammertürken"). Soweit die Bewohner des Ortes nicht für den Hof arbeiteten, versuchten sie, sich als Ackerbürger in der Landwirtschaft eine Existenzgrundlage zu schaffen. Bevor der Hof ihnen Flächen zuwies, kam es zum "elenden und recht bejammernswerte Zustand der armen Charlottenburger Einwohner", wie ein Bericht an den König konstatierte. Trotzdem blieb Charlottenburg auf Jahre ein "erbärmlicher Ort". Erst durch die Industrialisierung entwickelte sich die Ansiedlung in rasantem Tempo über eine mittlere, ländlich wirkende Stadt zur Großstadt zwischen Stößensee, Jungfernheide, Grunewald und Mitte.

Und es wurde eine der reichsten und größten Städte Preußens, selbstbewusst sträubte sie sich lange gegen die Eingemeindung nach Groß-Berlin. Auf der Brücke über den Landwehrkanal war das Charlottenburger Tor als Eingangsportal zur Stadt durchaus als Demonstration des Reichtums und der Stärke gegenüber dem ärmlicheren Berlin gedacht. Die Toranlage mit Kolonnaden als symbolischer Stadtmauer ist geschmückt mit überlebensgroßen Bronzefiguren von Friedrich I. mit Zepter und Hermelin und Sophie Charlotte mit einem Modell des Charlottenburger Schlosses.

Schloss Charlottenburg
Sophie Charlotte hatte den Kurfürsten geheiratet, der ab 1701 als Friedrich I., König in Preußen, das Land regierte. Sein Hochzeitsgeschenk hatte ihr nicht gefallen, das ihr verehrte Schloss Caputh bei Potsdam gab sie nach vier Jahren zurück. Ihr Gemahl hat ihr die Rückgabe des Geschenks wohl nicht übel genommen haben, im Austausch übereignete er ihr das Dorf Lietzow und ein großes Grundstück in dessen Nähe, auf dem sie mit ihrem Schlossbau begann. Caputh war ein zum Schloss ausgebautes Landhaus mit bemerkenswerten Deckengemälden, das bereits von ihrer Schwiegermutter Fürstin Dorothea verschönert worden war. Warum sie es zurückgab - doch sicherlich eine ungewöhnliche Geste - wird nicht berichtet.

Die Entfernung vom Berliner Schloss wird es wohl nicht gewesen sein, denn in ihrem Charlottenburger Schloss schuf sie einen "Musenhof" fern von höfischen Zwängen. Sie war gebildet, sprach fließend Italienisch, Französisch und Englisch, zog italienische Komponisten und Musiker ebenso an ihren Hof wie den Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz, der ihre "unglaubliche Kenntnis" und ihren "außerordentlichen Wissensdrang" bewunderte.

Im Laufe der Jahrhunderte wurde das Schloss mehrfach ausgebaut und umgebaut. Aus dem ursprünglichen kleinen Hauptbau wurde eine Dreiflügelanlage, eine Kuppel wurde aufgesetzt, eine Orangerie und ein Schlosstheater hinzugefügt, Mausoleum, Belvedere und der Neue Pavillon entstanden. Mehrere preußische Könige nutzen das Charlottenburger Schloss als Residenz, so dass es das Berliner Stadtschloss ablöste. Friedrich der Große fühlte sich zu dem Ort seiner Großmutter Sophie Charlotte hingezogen, baute dann aber in Potsdam mit Schloss Sanssouci sein eigenes Refugium.

König Friedrich Wilhelm III. und die von den Berlinern verehrte Königin Luise wohnten im Schloss Charlottenburg, nach Luises Tod auch die zweite Ehefrau des Königs in einer für sie hergerichteten Wohnung. Friedrich Wilhelm III. und Luise sind in dem Mausoleum bestattet, das der König nach Luises Tod im Schlosspark errichten ließ. Ihr Sohn Friedrich Wilhelm IV., der "Romantiker auf dem Thron", ließ wenigstens sein Herz im Schloss Charlottenburg - im wörtlichen Sinne. Beerdigt wurde er in Potsdam, sein Herz wurde entnommen und im Mausoleum im Schlosspark Charlottenburg an der Seite seiner Eltern bestattet. Seine Witwe, Elisabeth Ludovika von Bayern, nahm Schloss Charlottenburg als ihren Witwensitz neben Sanssouci und Stolzenfels.

Von den deutschen Kaisern verbrachte nur der bei seinem Amtsantritt sterbenskranke Kaiser Friedrich III. die kurze Zeit seiner Regentschaft von 99 Tagen im Jahre 1888 überwiegend im Schloss Charlottenburg. Die beiden Kaiser Wilhelm I. und II. wohnten in der Residenzstadt Berlin, nur Wilhelm I. und Kaiserin Augusta fanden ihre letzte Ruhe in dem Charlottenburger Mausoleum.

Die preußischen Könige nach Friedrich I. haben abwechselnd von Charlottenburg und Potsdam (Stadtschloss und Sanssouci) aus regiert. Man erinnere sich an die Diskussionen, die um den Neubau des Berliner Stadtschlosses geführt wurden - die Regenten nach den Kurfürsten liebten es nicht. König Friedrich I. war der letzte, der dort Hof hielt. Von den Kaisern hatte sich Wilhelm I. in Berlin das Alte Palais bauen lassen, nur Wilhelm II. nutzte widerwillig das Stadtschloss. Es sei zugig und kalt, das mit seiner Protektion erbaute Hotel Adlon war sein Favorit, dort brachte er Staatsgäste unter. Die Bedeutung, die das Charlottenburger Schloss hatte, ging in der Stadtschlossdiskussion völlig unter.

Schlosspark Charlottenburg
Genau wie das Schloss ist auch der Park im Laufe der Jahrhunderte mehrfach nach dem Geschmack der neuen Schlossherren und ihrer Frauen umgestaltet worden. Von der ursprünglichen Barockanlage ist das "Broderieparterre" direkt hinter dem Schloss rekonstruiert worden, ein geometrisch angelegter Garten vor der Schlossterrasse, der aus der Vogelschau wie eine "Stickerei" wirkt. Daran schließt sich der nahezu symmetrisch gelegene Karpfenteich an. Peter Joseph Lenné verwandelte große Teile des Parks in einen englischen Pleasureground, einen Landschaftsgarten, dessen Wasserläufe verlegt wurden und jetzt die Luiseninsel einschließen.

Belvedere
Das Belvedere - Teehaus mit Aussichtsturm - ist der älteste Bau im Park, 1788 von Karl Gotthard Langhans erbaut. Im Barockgarten lag das Belvedere auf einer Insel, nach Verlegung der Wasserläufe steht es im Landschaftsgarten nahe der Spree. Die in den Fensterrahmungen des zweiten Stockwerks paarweise eingefügten Hermen (stützende Büsten auf einem Sockel) sind nicht voll ausgebildet, sie wurden erkennbar nachgestaltet.


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Mausoleum
Nach dem Tod von Königin Luise ließ Friedrich Wilhelm III. ein Mausoleum bauen, einen kleiner Tempel mit einer Säulenfront aus Sandstein und einer höher gelegenen Halle ("Podesttempel"). Als der König gestorben war, wurde das Mausoleum nach einem Entwurf Schinkels rückwärtig erweitert in Form einer Kapelle mit Apsis. Ein weiterer Umbau erfolgte 1890, um die Grabmäler Kaiser Wilhelms I. und seiner Frau Augusta aufzunehmen.

Neuer Pavillon
Friedrich Wilhelm III. ließ für sich und seine Frau Augusta vor der Schlossterrasse ein Sommerhaus erbauen. Vorbild war ein Palazzo in Neapel, das der König auf einer Italienreise bewohnt hatte. Dieser "Neue Pavillon" wurde nach Entwürfen Schinkels "unter reger Beteiligung des Bauherrn" errichtet, er bekam den Beinamen "Schinkel-Pavillon". Auf korinthischen Säulen links und rechts des Weges stehen zwei geflügelte Viktorien mit wehenden antiken Gewändern, Lorbeerkranz auf dem Kopf, Palmenzweig in der Hand.

Skulpturen vor dem Schloss
Zwei Göttinnen aus Sandstein stehen vor der Orangerie. Sie sind in antike Gewänder gehüllt, eine blickt nach links, die andere nach rechts. Diese Barockfiguren stellen Flora dar, die römische Göttin der Blüte und Pomona, die römische Göttin der Baumfrüchte.

Vor dem Neuen Flügel des Schlosses sind die beiden Friedrichs aufgestellt, Friedrich I., Gründer von Charlottenburg und sein Enkel Friedrich II., der Alte Fritz, der anfangs im Schloss residierte. Den Eingang zum Ehrenhof des Schlosses bewachen zwei Borghesische Fechter, die sich auf den Torpfeilern in weiter Schrittstellung gegenüberstehen, mit einem Kurzschwert in ihrer Rechten und einem Schild am vorgestreckten linken Arm. Ist man an diesen Gladiatoren vorbei, trifft man auf den Großen Kurfürsten, den Vater Friedrichs I. Vor dem Schloss findet sozusagen ein kleines Familientreffen statt mit Vater (Friedrich I.), Enkel (Friedrich II.) und Großvater (Großer Kurfürst).

Das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten hat eine lange Reise hinter sich. Geschaffen wurde es für die Lange Brücke (Rathausbrücke). Wegen der Luftangriffe auf Berlin ausgelagert, versank es bei der Rückführung im Tegeler See (West-Berlin) und blieb dort zwei Jahre im halbtiefen Wasser liegen, bis es geborgen wurde. Als Vergeltung für die Sprengung des Stadtschlosses in Ost-Berlin gab der Westteil der Stadt es nicht nach Mitte zurück, sondern stellte es vor dem Charlottenburger Schloss auf. Das Reiterstandbild im Bodemuseum ist ein Nachguss des Originals.

Skulpturen im Schlosspark

Castor und Pollux
Von Bäumen und Sträuchern geschützt steht zwischen Belvedere und Karpfenteich ein Figurenpaar. Die beiden nackten Jünglinge - einer legt den Arm auf die Schulter des anderen - könnte man wegen ihrer Ausstrahlung für ein queeres Paar halten. Tatsächlich werden aber auf dieser antiken Statue eineiige Zwillinge dargestellt, die verschiedene Väter haben - eine Konstellation, die auf die überbordende Phantasie der griechischen Mythologie zurückgeht, aber biologisch immerhin möglich ist - beim Göttervater Zeus war alles vorstellbar.


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Zeus hat jede nur mögliche List genutzt, um Frauen zu verführen, dazu gehörten Verkleidungen als Adler, Schlange oder Stier. Bei der als "Leda und der Schwan" bekannten Verführung soll Pollux (Polydeukes) gezeugt worden sein, der wegen seines göttlichen Vaters unsterblich war. Sein eineiiger Zwillingsbruder Castor dagegen war ein Sohn von Ledas Ehemann, also ein Sterblicher. Da Castor sich nach Unsterblichkeit sehnte wie sein Bruder, beamte Zeus beide als Sternbild Zwilling an den Himmel, wo sie auf Ewigkeit leuchten.

Andere Deutungen sahen Hypnos und Thanatos dargestellt, den Schlaf und den Tod. Die kleine weibliche Stützfigur neben dem Jüngling mit den Fackeln wurde als Karyatide gedeutet, eine weibliche Figur, die wie eine Säule Last trägt. Oder als Persephone, der sich Zeus in Form einer Schlange näherte, das Ergebnis ist bekannt.

"Kapitolinischer" Amor, Venus von Milo
Friedrich Wilhelm III. ließ zwei antike Skulpturen nachbilden, die im Park "an seine geliebte Gemahlin Luise hier inmitten der heiteren Natur erinnern sollen und der Insel die Aura eines überzeitlichen Gedenkens an eine ewig währende königliche Liebe verleihen" (Hinweistafel im Park). Auf der Luiseninsel spannt Amor seinen Bogen. Das Vorbild dieser Bronzefigur aus dem vierten Jahrhundert findet sich in einem Museum auf dem Kapitolshügel von Rom. Amor, der Sohn der Liebesgöttin Venus und Personifizierung des erotischen Begehrens, hat aber hier sein Werkzeug noch nicht auf ein Ziel gerichtet, sondern bereitet es erst spielerisch vor. -- Im Zentrum der Insel steht die Venus von Milo, die Schaumgeborene, Schamvolle, aus den Uffizien in Florenz. Sie scheint überrascht, als wäre sie gerade aus dem Meer aufgetaucht, der Delphin ist noch zu ihren Füßen.

Attikafiguren
Mehrere Viererfiguren, die in den 1970er Jahren geschaffen wurden, stehen auf der Attika des Schlosses Charlottenburg. Die "impressionistisch interpretierten barocken Plastiken" stellen Musen dar und Gestalten mit göttlichen Attributen. Angesichts der zweihundert Jahre alten Viktoriensäulen hinter dem Schloss oder der ähnlich bejahrten Figur des antiken „Germanicus“ am Wegesrand oder der Flora und Pomona vor der Oramgerie verblüffen diese modernen Interpretationen.


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Mit ihren Verrenkungen passen sie so gar nicht zum Charakter des Schlosses und des Parks. Andererseits sind sie dort oben auf der Attika weit genug weg und können den Gesamteindruck nicht wesentlich beeinflussen.

Den Spaziergang können Sie fortsetzen in die ehemals barocke Siedlung an der Schloßstraße oder das Gebiet zwischen Rathaus und der Dorfaue Alt-Lietzow. Dort am Platz steht das Charlottenburger Standesamt, es soll Berlins schönstes Standesamt sein. Ich erinnere mich an meine Erfahrung vor 50 Jahren: Sag' niemals 'Auf Wiedersehen' zum Standesbeamten, es könnte wahr werden. Beim zweiten Mal habe ich aufgepasst ...
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Im Schlosspark:
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Solange es diese Zoogegend noch gibt
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