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Ins rechte Licht setzen


Stadtteil: Charlottenburg
Bereich: Ernst-Reuter-Platz
Stadtplanaufruf: Berlin, Straße des 17. Juni
Datum: 28. April 2020
Bericht Nr.:694

Der erste Versuch, eine Straßenbeleuchtung in Berlin zu installieren, ging gründlich schief. Der Große Kurfürst - seit 1640 im Amt - wollte seine Residenzstadt vorzeigbar machen wie Paris oder London. Er ordnete 1682 an, dass die Bürger an jedem dritten Haus eine Laterne heraushängen und für ihre Beleuchtung und Pflege sorgen sollten. Doch die Bürger widersetzten sich insgeheim, hängten keine Laternen heraus, zündeten nicht mit der gebotenen Hingabe die Lichter an oder pflegten die Laternen nicht. Schon vier Jahre später sah der Große Kurfürst ein, dass mit seinem guten Willen allein die Stadt nicht heller wird, deshalb ließ er Straßenlaternen aufstellen und durch Laternenanzünder bedienen, denen ein Inspektor der Stadtleuchten vorstand.

Die ersten Gaslaternen leuchteten 1826 in Berlin, in den 1880er Jahren begann die elektrische Straßenbeleuchtung mit Kohlebogenlampen. Aus einem Wettbewerb für die Gestaltung von reich verzierten Bogenlampen-Kandelabern ging 1888 der von Ludwig Schupmann entworfene Kandelaber als Sieger hervor. Repräsentative Orte wie die Straße Unter den Linden, der Pariser Platz oder der Opernplatz wurden damit beleuchtet. Dem Schupmann-Kandelaber weitgehend originalgetreu nachgebaute Leuchten mit moderner Lichttechnik kann man wieder in der Stadt sehen, beispielsweise Unter den Linden.

Ost-West-Achse, Speer-Leuchten
Auf der Straße des 17.Juni, der Bismarckstraße und dem Kaiserdamm steht ein "Spalier aus Lichtsoldaten", eine endlos scheinende Reihe von Kandelabern. Hitlers Welthauptstadt "Germania" sollte eine 50 km lange Ost-West-Achse (OWA) bekommen, verwirklicht wurde ein Teil davon, die Prachtstraße zwischen S-Bahnhof Tiergarten und Theodor-Heuss-Platz. Die Monumentalität der ins Gigantische verbreiterten Straße unterstrichen die von Albert Speer konstruierten OWA-Leuchten, zweiarmige Kandelaber mit zylinderförmigen Glasaufsätzen, die das Licht rundum ausstrahlen. Speer ernannte einen "Beauftragten für das Beleuchtungswesen", der als Lichttechniker für Berlin und andere Umgestaltungsstädte im Reich zuständig war.

Auf der Stalinallee - der Prachtstraße der DDR - griff der Architekt Richard Paulick auf die Idee der Speerschen Kandelaber zurück - eine Kontinuität der Diktaturen - und entwickelte eine ähnliche Leuchtenform, für die allerdings wegen Baustoffmangels Masten aus Beton statt Stahl verwendet wurden. Auf ihnen brachte man Verzierungen aus Porzellan und Blech an. Wie die Speer-Leuchten hatten die Paulick-Leuchten ihre wesentliche Bestimmung darin, zu repräsentieren und den Straßenraum zu flankieren.

Lichtspaziergang
Was sehen wir, wenn wir durch die Stadt gehen? Der eilige Fußgänger sieht meist nichts außer seinem Ziel. Und übersieht "bedeutsame Belanglosigkeiten", wie ein Architekt in seinem Buch die Stadtmöbel, Straßenpflaster, Kanaldeckel, Kioske und andere Elemente nennt, zu denen eben auch die Straßenbeleuchtung gehört. Die Entdeckung eines "Lichtspaziergangs" andererseits verdanken wir dem Direktor des TU-Instituts für Lichttechnik, der vor der Haustür seines Instituts ein wohl zufällig entstandenes Musterbuch verschiedener Beleuchtungssysteme entdeckt hat.

Wir folgen seinem Lichtspaziergang heute zweimal, einmal bei Tageslicht und einmal bei Dunkelheit. So können wir bei Helligkeit sehen, wie sich Kandelaber, Leuchtenmasten, Gasaufsatzleuchten und Peitschenmasten abwechseln. In der Nacht bemerken wir, wie diffus oder gerichtet das Licht ist, sehen Lichtausbeute, Lichtverteilung, Lichtfarbe bei Gaslaternen, Leuchtstofflampen, Natriumdampflampen, LED-Leuchten.

Passenderweise beginnen wir unseren Spaziergang am Gaslaternen-Freilichtmuseum im Tiergarten. Dort flankieren historische Gaslaternen aus ganz Europa eine Promenade in den Park hinein. Leider hat Vandalismus dem 1978 eröffneten Freilichtmuseum zugesetzt, manche Leuchten sind beschädigt, nicht alle sind intakt. Mit ein paar Schritten erreicht man den S-Bahnhof Tiergarten. Von hier an wird die Straße des 17. Juni von den Speer-Leuchten beherrscht.

Charlottenburger Tor
Die Straße wird auf einer Brücke über den Landwehrkanal durchbrochen durch das Charlottenburger Tor. Es zeigte stolz, wo das reiche Charlottenburg anfängt, wenn man aus Berlin kam, bevor beide eine Stadt wurden. Friedrich I. und seine Gattin Sophie Charlotte flankieren als Figurengruppe die Straßendurchfahrt, die anfangs 15 Meter breit war. Für Speers Ost-West-Achse wurden die Torhälften auf 33 Meter auseinander gesetzt und die Brücke über den Landwehrkanal neu gebaut. Im weiteren Straßenverlauf stehen zwei 20 Meter hohe steinerne Kandelaber mit einem Bündel von Bogenlampen.


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Nach der Wende wurde das Tor restauriert. Zur Finanzierung hat das Bezirksamt die Verhüllung des Tors als Reklamefläche vermarktet. Leider hatte es nicht das gute Händchen, einen Geldgeber zu finden, der wie beim Brandenburger Tor mit wechselnden kreativen Szenarien seine Umwelt erfreute. Am Charlottenburger Tor waren nur plumpe Sprüche oder langweilige Werbebilder zu sehen.

Zwischen dem Tor und den Kandelabern wird die Reihe der Speer-Leuchten unterbrochen. Stattdessen stehen hier auf jeder Seite zwei historisierende Hängeleuchten an einem "Bischofsstab". Der Bereich am Charlottenburger Tor ist mittlerweile mehrfach überformt worden. Ob diese Leuchten einen historischen Zustand nachbilden, darf bezweifelt werden. Für den ganzen Spaziergang gilt, dass die Leuchten heute wohl kaum einmal den Originalzustand zeigen; zuviel ist am Stadtbild und an der Technik immer wieder verändert worden.

Ernst-Reuter-Platz
Das "Spalier aus Lichtsoldaten" wird am Ernst-Reuter-Platz unterbrochen. Dort stehen 10 Meter hohe Lichtmasten. Von einsamer Höhe strahlen Natriumdampflampen gelbliches Licht aus. Der Platz wirkt dunkel, zudem sind die Farben verändert, weil das Lichtspektrum nicht vollständig ist. Verlässt man den Platz Richtung Hardenbergstraße, ist lampenmäßig die Nachkriegszeit schon wieder vorbei, hier stehen Nachbauten der um 1900 für diese Straße entworfenen Hardenberg-Leuchten.


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Ernst-Reuter-Platz bis Leibnizstraße
An der Einmündung der Knesebeckstraße der nächste Zeitsprung: An der Seite des Renaissance-Theaters tauchen Peitschenlampen auf, die mit Leuchtstoffröhren bestückt sind. In der Goethestraße geht es ganz zurück auf dem Zeitstrahl, hier sind wir bei den Anfängen der Straßenbeleuchtung angelangt. Gasaufsatzleuchten mit Glühstrümpfen geben ein romantisches Licht, das aber nicht ausreicht, um den Bürgersteig und den Fahrdamm auszuleuchten. Erst die Schaufenster der vielen Galerien breiten einen Lichtteppich auf dem Bürgersteig aus.

Nach der Wende wurde Mitte ein begehrtes Galerienviertel, die Auguststraße wurde zu einer Kunstmeile, in der das Gallery Weekend begann. Inzwischen kam die Welle zurück zu den alten Standorten im Westen, "Go West! Galerien ziehen wieder nach Charlottenburg" titelte die B.Z. vor drei Jahren.

Werden die Gasaufsatzleuchten in der Goethestraße noch mit Gas betrieben? Abschnittsweise rüstet die Stadt Gaslaternen auf elektrisches Licht um, weil es umweltschonender und kostengünstiger ist. Im Rheingauviertel haben wir gesehen, dass die Stromversorgung in die vorhandenen Laternenmasten ("Bündelpfeilermasten") integriert wird. Mit LED-Leuchten werden die Glühstrümpfe der Gaslaternen nachgebildet und eine Lichtfarbe mit dem Behaglichkeitsbereich des Gaslichts erzeugt.


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Das Aussehen kann also täuschen, aber Insekten kennen den Unterschied: Das UV-Licht der elektrischen Lampen zieht Insekten an, das Gaslicht interessiert keine Insekten, denn es strahlt kein UV-Licht aus.

Die Grolmanstraße wird durch Peitschenmasten erleuchtet, die Pestalozzistraße wieder mit Gaslaternen. Damit kommen wir zum Endpunkt unserer Lichtreise, der Leibnizstraße. Sie ist Teil eines Straßenzuges von Moabit bis Wilmersdorf und entsprechend ihrer Bedeutung mit modernen LED-Leuchten ausgestattet. Wenn der Lichtspaziergang eine Inszenierung war, dann ist diese Beleuchtung der Höhepunkt.

LED, Beleuchtung der Zukunft
Die Zukunft gehört der Beleuchtung mit LEDs, das TU-Institut hat deshalb einen LED-Laufsteg als Freilichtobjekt zur Beleuchtung öffentlicher Räume initiiert. Neben dem Technikmuseum am Gleisdreieck findet man "rund um die Uhr auf 1.500 Metern modernste LED-Straßenbeleuchtung zum Anfassen". Das mit dem Anfassen meint das Technikmuseum natürlich nicht wörtlich, es geht darum, "den Mehrwert innovativer LED-Beleuchtung auf vielfältige Weise zu erleben".

Damit schließt sich für uns der Kreis vom Gaslaternenmuseum zum LED-Laufsteg. Wir freuen uns darauf, nach den Corona-Einschränkungen irgendwann einmal wieder unseren Stadtspaziergang mit einem Flaniermahl abschließen zu können.
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Unsere Route:
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