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Freibier für einen Haifisch


Stadtteil: Köpenick
Bereich: Friedrichshagen
Stadtplanaufruf: Berlin, Myliusgarten
Datum: 3. April 2024
Bericht Nr.:831

Am Nordufer des Müggelsees liegt Friedrichshagen, das der preußische König 1753 als Kolonie für Einwanderer aus Böhmen und Schlesien anlegen ließ. Als 90 Jahre später im Ort eine Haltestelle auf der Eisenbahnlinie nach Frankfurt (Oder) eröffnet wurde, entwickelte sich Friedrichshagen zu einem Villenvorort und beliebten Ausflugsziel der Berliner. Das Seebad Müggelsee - 1888 als "Wilhelmsbad" eröffnet - wurde zu einem populären Vergnügungsort. Friedrichshagen war jetzt eine eigenständige Landgemeinde und "Klimatischer Luftkurort". In der Ruhe der märkischen Landschaft nahe der Weltstadt Berlin fanden Literaten und Intellektuelle im "Friedrichshagen Dichterkreis" um Wilhelm Bölsche zusammen. Dort lebte eine Bohème, die lebensreformerische Ansätze verfolgte.

Mit der Bölschestraße als Mittelpunkt ist Friedrichshagen auch heute noch eine geschlossene Ansiedlung. Die Scharnweberstraße als erste städtebaulichen Erweiterung östlich der Kolonistenhäuser ist in ungewöhnlich hohem Maße als schützenswert erhalten geblieben, 86 der 126 Häuser sind als Baudenkmale eingetragen.

Schulen
Ungewöhnlich ist auch die Anzahl von Schulen in dem Ortsteil mit 19.000 Einwohnern: Friedrichshagen hat drei Grundschulen (Friedrichshagener, Müggelsee, Ahornschule für Sprach-Sonderpädagogik), eine Evangelische Schule, die Wilhelm-Bölsche-Schule (Integrierte Sekundarschule) und das Gerhart-Hauptmann-Gymnasium. Die Peter-Hille-Straße wird bis zur Ahornallee über weite Strecken von der Evangelischen Grundschule flankiert, die das 1887 erbaute Gießereigebäude der Gladenbeck'schen Bildgießerei übernommen hat.


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Die Müggelsee-Grundschule wurde auf dem Gelände des ersten Friedrichshagener Friedhofs in der Aßmannstraße erbaut. Um diesen "Totenhof" gab es einen Konflikt, als die böhmischen Gemeindemitglieder die Zahlung von Friedhofsgebühren verweigerten. Einer Legende zufolge eskalierte der Streit soweit, dass sie dem Küster eine Leiche vor die Tür setzten und sagten, er möge sie sich süß und sauer kochen...

Architekt Friedrich Brinkmann
Der Friedhof der evangelischen Christophorusgemeinde in der Aßmannstraße ersetzte 1832 den überfüllten ersten Friedhof. Der Architekt Friedrich Brinkmann schuf das Friedhofsportal und die Kapelle. Weitere Bauten dieses Architekten und zeitweiligen Bauamts-Mitarbeiters sind am Marktplatz das kirchliche Gemeindehaus und mehrere Villen in Friedrichshagen. Am Eckgebäude Myliusgarten erinnert eine Gedenktafel an den Architekten. Seine Gebäude mit Klinkerelementen. dreieckigen Dachgauben, Zackenfriesen, Reliefs und Figuren werden dem Expressionismus zugeordnet.


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Gladenbeck'sche Bildgießereidynastie
Der Heilige Christophorus, dem die Kirche geweiht ist, ist nicht nur der Schutzheilige der Reisenden. Ihn anzurufen, soll auch vor einem plötzlichen Tod bewahren. Damit sind wir wieder beim Friedhof der Christophorusgemeinde, der viele kunstvolle Grabmale aufweist.

Die von Hermann Gladenbeck gegründete Bildgießerei entwickelte sich zu einer Dynastie der Bildgießer mit mehreren Standorten in Friedrichshagen. Von der Eisengießerei entfaltete sie sich zur Bronzegießerei. Auf dem Friedhof befindet sich die Grabstätte der Familie Gladenbeck. Mehrere Grabdenkmale auf diesem Friedhof hat Fritz Richter-Elsner geschaffen. Der Bildhauer war der künstlerische Leiter der Gladenbeck'schen Bronzegießerei.

Die Säule mit dem Adler am Marktplatz - ein Kriegerdenkmal - wurde von Gladenbeck gegossen. Auf Anregung des Vaterländischen Frauenvereins entwarf Richter-Elsner ein Hindenburg-Denkmal für den Friedrichshagener Marktplatz, gesponsort von einem Mitglied der Gladenbeck-Familie. Diese nicht mehr vorhandene "Eiserne Faust" reckte ein riesiges Schwert in den Himmel.

Doch der Wirkungskreis der Gießerei ging weit über Friedrichshagen hinaus. Für Berlin wurden unter anderem der Neptunbrunnen und die "Goldelse" - die Viktoria auf der Siegessäule - gegossen sowie das nicht mehr vorhandene Nationaldenkmal vor dem Stadtschloss.

Flugpionier Robert Thelen
"Antriebsmaschine für einen Flieger", das war 1909 die Diplomarbeit des Maschinenbauingenieurs Robert Thelen, dessen Grab sich auf dem Friedhof Friedrichshagen findet, und der der Fliegerei ein Leben lang treu blieb. Die Leichtigkeit des Fliegens sucht man vergeblich in dem Grabdenkmal, das aus mehreren massiven Natursteinplatten aufgerichtet wurde.


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Mit einem gekauften Wright-Doppeldecker begann er, seiner Flugleidenschaft nachzugehen. Beim Deutschen Luftschiffer-Verband erhielt er die Fluglizenz Nummer 9. Auf dem gerade erst ein Jahr zuvor eröffneten Flughafen Johannisthal nahm er an der 2. Internationalen Flugwoche teil, stürzte aber mit seinem Wright-Doppeldecker ab. Davon nicht entmutigt, unternahm er als erster deutscher Pilot einen Rundflug bis zu den Müggelbergen. Spontan benannte Adlershof eine Straße nach ihm, da er als erster die Gemeinde Adlershof überflogen hatte.

Thelen wurde mit vielen Auszeichnungen geehrt, beispielsweise für Überlandflüge, einen Wasserflugmaschinen-Wettbewerb, den längsten Passagierflug, die längste zurückgelegte Distanz, für Höhenflugrekorde mit mehreren Passagieren. In Dänemark beeindruckte er mit einem 80-km-Flug von Aarhus nach Kopenhagen, der auch über das Seegebiet führte. Den Deutsche Zuverlässigkeitsflug beendete er unsanft mit einer Bruchlandung. Auch als Ausbilder war Thelen tätig und als Testpilot.

Als Konstrukteur entwarf er im Ersten Weltkrieg eines der meistverwendeten Jagdflugzeuge der Luftstreitkräfte. In der Zwischenkriegszeit leitete er die Prüfabteilung der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt. Die Versuchsanstalt wurde nach der Machtübernahme dem Reichsluftfahrtministerium eingegliedert, eine Mitgliedschaft in der Nazi-Partei NSDAP lehnte er aber konsequent ab.

Brauerei "Berliner Bürgerbräu"
Friedrichshagen am Müggelsee war und ist ein beliebtes Ausflugsziel. Bis nach 1869 zurück reichen die Anfänge eines Ausflugslokals und einer Brauerei "Berliner Bürgerbräu" am Seeufer. Später wurden die Besucher sogar mit einer eigenen Dampfschifflinie zum Müggelschlösschen auf dem gegenüberliegenden Ufer befördert. Das Schlösschen gehörte ebenfalls der Brauerei und hatte einen Festsaal, Kegelbahnen und einen Schießstand. Seit 1927 verbindet ein Tunnel unter dem Müggelsee beide Standorte. Zu DDR-Zeiten wurde die Brauerei zum Volkseigenen Betrieb ("VEB Berliner Bürgerbräu"). 2010 wurde die Brauerei geschlossen, heute gibt es mehrere Ausschankbetriebe auf dem Gelände.

Wie verbannt man einen Hai aus dem Müggelsee?
Als ein Hai im Müggelsee auftauchte, war die Brauerei die Rettung: Um den Hai, der dem Bademeister eine Hand abgebissen hatte, aus dem See zu vertreiben, flutete man den See mit einer großer Menge Bier. Dann war der Hai so zahm, dass man ihn mit einem Ruderboot hinausbegleiten konnte. Ob der kaltblütige Killer woanders wieder zugebissen hat, wissen wir nicht, denn mit diesem Happy End für den Haifisch endete die 2013 gedrehte Filmkomödie "Haialarm am Müggelsee" von Leander Haußmann mit Henry Hübchen in der Hauptrolle.


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Den Hinweis auf diesen Film verdanke ich meinem Physiotherapeuten, danke Nils.

Union-Kino
Der Film wurde natürlich im Union-Kino gezeigt, das zu Friedrichshagen gehört wie die Bölschestraße und der Dichterkreis. Das Haus nahe dem Bahnhof war als Bürgerhaus mit Tanzsaal erbaut und 1918 - dem Zeitgeist entsprechend - zum Kino mit einem Rang umgebaut worden. Die ersten 44 Jahre lang blieb das Lichtspielhaus in einer Hand, dann wechselten die Besitzer bis zum Zweiten Weltkrieg.


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Zu DDR-Zeiten übernahmen die „VEB Berliner Filmtheater“ und ihre Nachfolgeorganisation „Bezirksfilmdirektion Berlin“ den Spielbetrieb. Nach der Wende wäre das Kino fast abgerissen worden, der Entertainer Wolfgang Lippert hatte es mit diesem Ziel gekauft. Das die Friedrichshagener das nicht zulassen würden, machten sie mit einer Bürgerinitiative klar ("Rettet das Kino Union"). Mit einer ausverkauften Vorstellung öffnete das Kino 2003 neu.


Unserer Leidenschaft für Rhabarberkuchen konnten wir auf der Hälfte unseres Weges in der Bölschestraße in einem Café nachgehen, anschließend führte unser Rückweg durch die Scharnweberstraße mit ihren vielen denkmalgeschützten Bauten.
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Unsere Route:
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Kein Dampf auf dem Kessel