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Römischer Zirkus im Stadtgrundriss


Stadtteil: Steglitz
Bereich: Lichterfelde-Ost, Lankwitz
Stadtplanaufruf: Berlin, Grabenstraße
Datum: 25. Februar 2019
Bericht Nr.: 648

Was man alles entdecken kann. wenn man im Stadtplan die Straßenverläufe nicht als Verkehrswege betrachtet, sondern als Linien, die sich zu einem Bild zusammensetzen. Das Hippodrom als Figur im Stadtgrundriss hatten wir gerade erst vor zwei Wochen in Zehlendorf gesehen. Heute ist es der römische Circus Maximus, der das Vorbild für eine Platzanlage in Lichterfelde-Ost war. Der Terrainentwickler J. W. von Carstenn hat bei der Parzellierung von Lichterfelde-Ost die Platzanordnung wiederholt, die aus Wilmersdorf und Friedenau als "Carstenn-Figur" bekannt ist.

Um die Bundesallee mit dem Spichernplatz als Mittelpunkt verbinden umlaufende Straßenzüge die vier Plätze Fasananplatz, Nürnberger Platz, Nikolsburger und Prager Platz zu einem Muster. Vom zentralen Spichernplatz gehen sternförmig mehrere Straßen ab, alles war symmetrisch ausgerichtet. Als Mittelpunkt einer weiteren Carstenn-Figur umrunden in Friedenau symmetrisch angelegte Straßen und Plätze den Friedrich-Wilhelm-Platz.

Die dritte Carstenn-Figur
Südlich vom Bahnhof Lichterfelde-Ost gibt es um den Oberhofer Platz als Mittelpunkt eine dritte Carstenn-Figur, die aber weitgehend unentdeckt geblieben ist, denn meist ist nur von "den zwei" Figuren die Rede. Die Grabenstraße mit ihrem gerundeten Verlauf und die geradlinig angelegte Jägerstraße begrenzen die Figur. Die Kreuzungen der Lange Straße mit der Kiesstraße und der Heinersdorfer Straße sind platzartig geöffnet, die Eckbauten stehen hier diagonal zur Straße.

Merkwürdig ist, dass die Grabenstraße am südöstlichen Ende unterbrochen ist. Ein Kreissegment fehlt, obwohl es im Parzellierungsplan eingezeichnet war und die Grabenstraße und die gegenüberliegende Lorenzstraße gerundet aufeinander zugehen. Die Grundstücke dazwischen verlaufen abschüssig zu dem ehemals hier endenden Wassergraben, offensichtlich scheiterte daran die Fortsetzung der Grabenstraße. Mehr zu dem Wassergraben siehe weiter unten.


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Die vierte Carstenn-Figur
Etwas weiter südlich kann man eine weitere - unvollendete - Carstenn-Figur um den Saaleckplatz erkennen. Dort fehlt die dem Geitnerweg symmetrisch entsprechende Verlängerung der Kaiserstraße. Wo heute der Fliegerberg an den Flugpionier Otto Lilienthal erinnert, war in den 1880er Jahren ein großes Ton- und Lehmlager gefunden worden. Der Lichterfelder Bauverein hatte dann dort eine Ziegelei mit einem Ringofen eingerichtet. Im Teltower Kreisblatt der 1890er Jahre sind mehrere Stellenangebote für "junge Burschen und Frauen, Tongräber, Ziegelei- und Schachtarbeiter" zu finden. 1896 ging die Ziegelei in Konkurs, der Fliegerberg wurde aufgeschüttet, die Figur im Stadtgrundriss blieb unvollendet

Die Kolonie Lichterfelde-Ost
In Versailles wurde 1871 das deutsche Kaiserreich proklamiert, damit begann die Gründerzeit. Ein Jahr später übernahm Carstenn mit seiner "Lichterfelder Bau-Verein Actien Gesellschaft" das Terrain südlich des Bahnhofs Lichterfelde-Ost bis zum Saaleckplatz. Der Architekt Johannes Otzen entwarf den Parzellierungsplan mit den beiden Carstenn-Figuren im Grundriss. Mehrere Jahre später setzte der "Gründerkrach" ein, eine Wirtschaftskrise aufgrund der überhitzten Baukonjunktur. Der Börsenkurs der Bau-Aktie sank von 1872 bis 1875 um 85 Prozent, eine Dividende wurde nur im ersten Jahr gezahlt. Aber erst die Inflation von 1923 führte zur Auflösung der Gesellschaft, in der Zwischenzeit hatte sie ihre Bautätigkeit wieder aufgenommen.

Königsgraben und Okengraben
Lichterfelde liegt auf dem Terrain des Guts Giesensdorf, die Straße "An der Schäferei" verweist auf einen Betrieb des Guts. Bis hierhin ging der Okengraben, der zum System des Königsgrabens gehörte. Die Bauern von Giesensdorf hatten wie die Kollegen aus Lankwitz und Marienfelde bei Friedrich dem Großen Hilfe erbeten, weil ihre Felder nach ausgedehnten Regenfällen häufig überflutet wurden, die Ernte fiel dann buchstäblich ins Wasser. Im Jahr 1777 ließ der Alte Fritz ein System von Entwässerungsgräben anlegen, die das Wasser Richtung Bäke abführten. Durch den Bau des Teltowkanals, in den die Bäke einbezogen wurde, sind die Entwässerungsgräben überflüssig geworden. Der Okengraben kann heute noch bis zur Trippsteinstraße verfolgt werden.

Baudenkmale in Lichterfelde-Ost
Der Oberhofer Platz, das umgebende Straßensystem und die Villen und Mehrfamilienhäuser - also die gesamte Carstenn-Figur - sind als Bauensemble denkmalgeschützt. Die Häuser dieses Ensembles sind überwiegend in den 1880er und 1890er Jahren errichtet worden. Der Architekt Adolph Born - der selbst in Lichterfelde wohnte - hat vierzehn dieser Gebäude entworfen, meist im Auftrag des Lichterfelder Bauvereins, er wird der Hausarchitekt der Baugesellschaft gewesen sein. Mehr als zehn weitere Bauten im übrigen Lichterfelde werden ihm zugeschrieben, insgesamt soll er in Berlin vierzig Häuser gebaut haben.

Seine Bauten und die Bauten anderer Architekten in Lichterfelde-Ost zeigen eine Fülle von Varianten. Jegliche Form von Fassadengliederungen, horizontale Fensterbänder oder vertikale Achsen, Fenster mit Rundbögen oder Segmentbögen, Fensterumrandungen, Putzfassaden oder sichtbares Ziegelmauerwerk, mit Mosaiken verziert, Portale, Giebel, Türmchen und turmartige Überhöhungen der Eckgebäude, Dachgauben, Satteldächer, Walmdächer, Flachdachoptik mit kaum sichtbaren Dächern. Vom angedeuteten Klassizismus bis zur Anmutung italienischer Palazzi ist hier alles vertreten.

(Witziger Zufall bei den Hausnummern:) Der Architekt Herold hat in seinen Bauten bevorzugt Fachwerk als Stilelement eingesetzt. In der Ferdinandstraße 21 zeigt ein Teil der Fassade eine Fachwerkoptik, im Nebenhaus 22 ist sie sehr viel ausführlicher. In der Lorenzstraße 21-22 ist es ein ganzer Doppelhausblock, der sich mit Fachwerk oberhalb des Erdgeschosses, mit Laubengängen und Fachwerkgiebeln dicht an dicht schmückt.


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Kleinhaussiedlung Dessauerstraße
Wenn der Straßenname sich von der Stadt Dessau ableiten würde, müsste man seine Bestandteile getrennt schreiben. Ist das Bestimmungswort ein Personenname, dann wird zusammengeschrieben. Durch diese Rechtschreibregel D 162 des Dudens kommen wir darauf, dass hier der "Alte Dessauer" geehrt wird, Leopold I., Fürst von Anhalt-Dessau, der in der preußischen Armee den Gleichschritt einführte.

Auf dieser Straße haben wir Lichterfelde schon verlassen und sind in Lankwitz angekommen. Der Lankwitzer Wohnungsgenossenschaft gehört hier eine Gruppe von Siedlungshäusern, die aus nicht ganz einsichtigen Gründen "Kleinhaus"-Siedlung genannt wird. Auf dem Straßenkarree hinter den Kleinhäusern steht eine aufgelockerte Wohnsiedlung. Die Seydlitzstraße wird durch einen dreistöckigen Gebäuderiegel flankiert, der an der Dessauerstraße phantasievoll mit einem Stufengiebel und einem vorgebauten Erker beginnt.


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In der Kolonie Lichterfelde-Ost ist teilweise noch das alte Kopfsteinpflaster aus der Gründerzeit erhalten. Manchmal zeichnet es sich unter einer Asphaltdecke ab, die später darüber geschüttet wurde. Das ist fast symbolisch für die Kolonie, die überwiegend beschaulich und unaufgeregt daherkommt und ihr Alter nicht verleugnet, auch wenn es manchmal unter einer späteren Schicht verborgen ist.

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Titelbild: "Schattenspiele" von Petra Strauch
Und hier sind unsere Bilder:
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Unsere Route:
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Wagenrennen im Stadtgrundriss
Das Innenleben der Litfaßsäulen