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Sehnsucht nach der Autobahn


Stadtteil: Schöneberg
Bereich: Schöneberger Schleife
Stadtplanaufruf: Berlin, Monumentenstraße
Datum: 3. August 2015
Bericht Nr: 516

Wer eine Autobahn baut, muss an anderer Stelle in der Natur Ersatz schaffen für die Versiegelung des Bodens. Hat er dann einen neuen Park angelegt und bekommt dort unstillbare Sehnsucht nach dem Highway, dann kann er ja ein Autobahndenkmal in die Natur setzen. Die Natur wird sich dann schon wehren und das Denkmal nach und nach überwuchern, wenn das Geld für die Pflege des Parks fehlt. Das habe ich mir nicht ausgedacht, das gibt es in Schöneberg.

Die Stadtautobahn A 100 folgt von der Seestraße im Norden bis zum Dreieck Neukölln im Süden weitgehend dem innerstädtischen Eisenbahngelände. In Schöneberg wurde zuletzt ab 1996 der Sachsendamm in die Autobahn einbezogen. Wie vom Bundesnaturschutzgesetz gefordert, musste die Versiegelung des Bodens ausgeglichen werden durch eine Kompensation an anderer Stelle. Kompensation bedeutet, dass man als Ausgleich für die Versiegelung beispielsweise woanders eine alte Straße zurückbaut. Entlang der Gleise zwischen Südkreuz und Priesterweg entstand als Ausgleichsmaßnahme der Hans-Baluschek-Park, 50 Meter schmal, anderthalb Kilometer lang, ein vier Meter breiter asphaltierten Weg durchzieht ihn in voller Länge. Asphaltiert? 6.000 qm Asphalt als Ausgleich für eine Versiegelung?

Den vier Meter breiten Asphalt teilen sich bestimmungsgemäß Radfahrer, Skater und Fußgänger. Der Weg ist Teil des übergeordneten Radwegs nach Leipzig. Manche Radfahrer sind auf dieser schnurgeraden Rennstrecke mit einem Tempo unterwegs, als würden sie sonst ein date in Leipzig verpassen. Die Skater beklagen sich, dass gefährliche Situationen durch spielende Kinder entstehen können, die dort mit ihren Eltern spazieren gehen. Und als Fußgänger habe ich einen Weg wie im Gleisdreieckpark vermisst, der beim Gehen sanft federt und nicht Asphalttreten auf einer linealgeraden Reißbrettstraße bedingt.

Doch nun zu dem Autobahn-Denkmal. Die Plastik "Betonspur 1 Meter" ("Concrete Evidence: 1m") ist vor drei Monaten im Heinz-Baluschek-Park eingeweiht worden. Was da im Gras liegt, soll ein Autobahn-Teilstück sein. Während eine Autobahn aber bestimmungsgemäß in die Ferne zeigt, blickt dieses Denkmal quer dazu in die Breite, von Leitplanke zu Leitplanke, denn diese Autobahn ist nur einen Meter lang, aber 36 Meter breit.



Freimütig gesteht der Künstler der "Berliner Woche" im Interview, dass der Autobahnbau ihn immer fasziniert habe. Ein Professor gab ihm die Anregung, doch mal selbst eine Autobahn zu bauen. Mit sozialkritischem Sinn aufgeladen, ergänzt um Kategorien wie "industriell" oder "historisch", wird dann ein Kunstprojekt daraus. "Mit seiner räumlichen Intervention bringt der Künstler die Dimensionen der Autobahn auf das menschliche Maß", lese ich in dem Begleittext des Bezirksamts. Dabei ist das Kunstwerk so unauffällig am Wegesrand, dass mancher Blogger schon warnt, man solle es nicht übersehen. Dass das Gigantische der Autobahn die menschlichen Maße weit übersteigt, dass der Mensch hier wie in "Metropolis" einer übermächtigen Maschine ausgeliefert ist, kann man besser ein paar Kilometer entfernt auf der Stadtautobahn sinnlich erfahren, wo sich Schlangen von Autos mehrspurig durch die Stadt quälen und eine Schneise in die innerstädtische Bebauung schlagen.

Aber Geduld, nach einem Vierteljahr sind die umgebenden Gräser schon höher als die 1-Meter-Autobahn, irgendwann wird die Natur den Betonmeter umfasst haben, dann hat das Kunstwerk seinen Sinn darin gefunden, sich von der Vegetation "renaturieren" zu lassen. Wie sich ein aufgelassenes Stück Autobahn wieder in Natur verwandelt, kann man in Albrechts Teerofen verfolgen, wo die DDR wegen absurder Grenzverläufe ein Autobahnstück am Kontrollpunkt Dreilinden stillgelegt hatte.

Das Autobahn-Thema hat sich eingeschlichen in unseren Spaziergang, der eigentlich einer Welt zwischen den Schienen gewidmet ist, dem Gelände zwischen Dresdener Bahn und Wannseebahn in Schöneberg. Gemeinsam vom Potsdamer Platz kommend, streben die Bahnlinien auf der Höhe Bülowstraße nach Süden auseinander. Die Monumentenstraße führt bereits mit zwei verschiedenen Brücken über die Gleise, an den S-Bahnhöfen Schöneberg und Südkreuz liegt dann schon mehr als ein Kilometer Ringbahn zwischen ihnen.

Von der Monumentenstraße aus sollte man den Blick auf das Schinkelsche Denkmal für die Befreiungskriege auf dem Kreuzberg nicht versäumen, denn nach diesem „Monument“ ist die Straße benannt. Vorbei sind die Zeiten, als man vor der Wende von der Monumentenbrücke aus in das brachliegende Eisenbahngelände vordringen konnte, um den morbiden Charme des Verfalls zu fotografieren. Das Schienennetz wurde nach der Wende neu geordnet und die verbliebene Bahnbrache in Parks und Wege umgewandelt.

Aktuell wird vom Gleisdreieckpark bis zum Eisenbahnpark Südgelände eine Verbindung mit Wegen und Grünräumen geschaffen, wobei der Weg "Schöneberger Schleife" die Bahngelände der Dresdner Bahn und Wannseebahn entlang der Ringbahn miteinander verbindet. Eine Ost-West-Verbindung für Radfahrer und Fußgänger bringt über die Dresdner Bahn hinweg die Siedlung Neu-Tempelhof und die "Roten Insel" zusammen.



In der General-Pape-Straße östlich der Bahn hatten die preußischen Eisenbahnbataillons auf einem ausgedehnten Kasernengelände ihren Standort, von hier aus fuhren die Militäreisenbahnen Richtung Jüterbog, "deren gesamter Betrieb - vom Billetknipser bis zum Stationsvorsteher und vom Lampenputzer über den Weichensteller bis zum Lokomotivführer - ausschließlich von Soldaten versehen wurde. Fahrgäste waren jedoch auch Zivilisten, und weil das Fahrgeld einen Groschen weniger betrug als bei der parallel laufenden Zossener Bahn, wurde die Militärbahn bevorzug" (Heimatforscher Kurt Pomplun). Die Militäreisenbahner trugen ein großes "E" auf ihrer Schulterklappe, das gab ihnen den Spitznamen "Schöneberger Engel".

Aber wo ist der Militärbahnhof Berlin? Hier muss es doch ein Bahnhofsgebäude, Bahnsteige Lokomotivschuppen, eine Laderampe gegeben haben? Tatsächlich sind nur noch einige wenige bauliche Zeugnisse des Militärbahnhofs erhalten, aber sie verstecken sich heute hinter anderen Nutzungen. Der Bahnhof lag auf der westlichen Seite der Gleise südlich der Kolonnenstraße. Das zerbombte Bahnhofsgebäude wurde nach dem Krieg gesprengt. Der Bau ähnelte der Kaserne am Mehringdamm.

Das Dienstgebäude der Eisenbahnbrigade steht noch, ein roter Backsteinbau, in dem heute - eine Grundschule untergebracht ist! Diese Havelland-Grundschule hat inzwischen die Schwielowsee-Grundschule mit aufgenommen, die ebenfalls einen alten Militärstandort genutzt hatte, ein asbestverseuchter Nachkriegsbau stand auf dem Kasernengelände Kesselsdorfstraße. Der alte Militärbau der Havelland-Grundschule ist um weitere Gebäude ergänzt und an der Wilhelm-Kabus-Straße mit einer futuristischen Fassade erweitert worden, die gleichzeitig als Lärmschutz und Belichtung funktionieren soll. Das Materialdepot des Militärbahnhofs weiter südlich an der Straße - ebenfalls ein Backsteinbau - wurde zum Wohnhaus umgebaut.

Der Naumann-Park - ein Gewerbequartier gegenüber dem Materialdepot - wird von einer Grundstücksgesellschaft von Nicolas Berggruen vermarktet. Berggruen, lange Zeit als Berliner Mäzen gefeiert, bis er Karstadt übernahm und nach erfolgloser Sanierung wie ein getragenes Kleidungsstück wieder ablegte, hatte beim Kauf des Gewerbeparks mit Widerständen zu kämpfen. Plakate forderten "Kein Kumpanei-Verkauf an Berggruen", und aus Berggruen-Visionen wie "kosmopolitische Zentralität" ahnen die Mieter steigende Mieten und Veränderungsdruck bis hin zu Kündigungen.

Südkreuz liegt vor der Tür, durch den Hans-Baluschek-Park kommen wir zum Bahnhof Priesterweg, um hier unser Flaniermahl zu uns zu nehmen. Das Lokal "Süden" im S-Bahnhof ist "bio", aber die Vorräte sind wohl zur Neige gegangen. Wir bestellen aus der Speisekarte solange die Speisen und Getränke, die es nicht mehr gibt, bis wir den Eindruck haben, das wächst sich zum Prinzip aus.



Der bestellte Wein ist ausgetrunken, das zuerst gewählte Essen alle. Was die Bedienung als Ersatzessen aufschreibt, wird dann von der Küche zurückgewiesen - alle. Schließlich landen wir aus Verzweiflung beim Flammkuchen. Der erste kommt, das angemahnte Besteck aber erst, als die Hälfte des ersten Essens händisch verzehrt ist. Zwischendurch fragt die Bedienung bei uns an, ob der zweite Flammkuchen schon da sei. Ob sie mit der Küche nicht spricht? Der eine Flammkuchen ist schon lange vertilgt, da kommt tatsächlich auch noch der zweite. Mein Mitflaneur hat ein weites Herz, er gibt ein gutes Trinkgeld, das sie hier wirklich nicht verdient haben.

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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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... und hier sind weitere Bilder ...
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Unsere Route
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Die Zeichen an der Wand
Hitlerjunge bei der Bergpredigt