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Naturschutzgebiet mit Bahnanschluss


Stadtteil: Tempelhof
Bereich: Naturpark Südgelände
Stadtplanaufruf: Berlin, Prellerweg
Datum: 10. Juni 2013
Bericht Nr: 423

Als die Industrie sich aus den Städten zurückzog, entwickelte sich nach und nach eine Vorstellung davon, wie man mit den leer stehenden Gebäuden umgehen sollte. Die nicht mehr benötigte Infrastruktur ruhte da noch im Verborgenen, bis Ideen auch für deren Nachnutzung entstanden. West-Berlin hatte neben der Industrie auch die Verbindung zum Umland verloren, Infrastruktur wie vor dem Krieg wurde nicht mehr gebraucht und lag brach.

Vom Anhalter Bahnhof über Yorckstraße und Papestraße (Südkreuz) bis zum Bahnhof Priesterweg (Prellerweg) durchschneidet ein Eisenbahngelände die Stadt, das (bis auf die S-Bahn) seit 1952 nicht mehr benutzt wurde. Die Gleise der Stammbahn (1) vom Potsdamer Bahnhof (Berlin) und der Anhaltinischen Bahn vom Anhalter Bahnhof kommen hier zusammen. Sie umschließen die ausgedehnte Gleisanlage des Rangierbahnhofs Tempelhof, der um 1890 eingerichtet und in den 1920er Jahren stark erweitert worden war. Überall in Berlin arbeiteten damals die Rangierbahnhöfe wegen des hohen Güteraufkommens an ihrer Leistungsgrenze, eine Situation, die man sich angesichts der 50jährigen Friedhofsruhe auf dem Südgelände kaum vorstellen kann. Weitere Rangierbahnhöfe gab es in Pankow, Grunewald, Lichtenberg, Schöneweide, Wuhlheide, am Ostbahnhof. Das Industriegebiet Lichtenberg hatte einen eigenen Industrieumschlagbahnhof, finanziert von der Terraingesellschaft Rittergut Lichtenberg (2).

Auf diesem brachliegenden Bahngelände in der Stadt sind zwei Parkanlagen entstanden, der 1999 eröffnete Naturpark Südgelände und der Park am Gleisdreieck (3), der in zwei Etappen 2011 (Ostpark) und 2013 (Westpark) fertig gestellt wurde. Was sich heute so einfach anhört, ist das Ergebnis eines jahrzehntelangen zähen Aushandlungsprozesses, bei dem kommerziellen Interessen und das Verlangen nach Naturschutz miteinander gerungen haben.

Hat man sonst vielfach den Eindruck, die guten Ideen kämen aus Amerika zu uns und würden hier zeitverzögert umgesetzt, so ist es bei den Eisenbahn-Parks genau umgekehrt. Anfang der 1990er Jahre hatte Paris mit der "Promenade plantée" die erste Parkanlage auf einer ehemaligen Hochbahnlinie eingerichtet. New York folgte diesem Beispiel 2009 mit der "High Line", einer Hochbahntrasse, über die früher die Betriebe im Meatpacking District beliefert wurden. New York hat mit dem Central Park schon eine viel genutzte grüne Lunge, die High Line steht dem aber in nichts nach. An einem sonnigen Tag sind viele Menschen hier, Anwohner und Touristen. Bäumen, Stauden und Büsche wurden auf der Hochfläche gepflanzt, der Weg führt zwischen den Häusern und Wolkenkratzern hindurch und über die Straßen hinweg.

Zurück nach Berlin. Der Naturpark Südgelände ist ganz anders, nicht eingezwängt, weiträumig, die Stadt ist außer Sichtweite, die Besucher drängen sich nicht auf dieser Fläche. Die Natur hatte dieses Gebiet bereits erobert, mit ihr konnte der Park gestaltet werden. Ein Waldgebiet und blütenreiche Wiesen wechseln sich ab. Der Bahnhof Priesterweg wird überragt von einem Wasserturm, der weithin als Wahrzeichen wahrgenommen wird. Dieser Turm verbindet in gelungener Weise die Formensprache von "rund" und "eckig": Auf einem schlanken, quadratischen Ständerwerk ruht in luftiger Höhe ein Metallbehälter in Form einer Metallkugel. Man betritt den Park durch den S-Bahnhof Priesterweg und den Arkadengang unterhalb einer Bahntrasse. Gegenüber dem Südeingang steht das größte Gebäude des Parks, die frühere Lokomotivhalle. Ein Schild draußen über dem Lokschuppen fordert "Vor Einfahrt Halt!". Eine verwitternde Schrift an der Stirnseite im Innern der Halle erklärt Ordnung und Disziplin zur "Ehrensache eines jeden Eisenbahners". Heute dient dieses Bauwerk als Metallwerkstatt für die Künstlergruppe Odious, die überall im Park mit ihren Kunstwerken vertreten ist.

Die Schienen sind zum Teil überwuchert oder mit Bäumen - insbesondere Birken - durchwachsen. Bis zu 12 Gleispaare verlaufen parallel, jeweils eines ist als Weg befestigt und mit Eisenbahnschotter umlegt. Andeutungsweise sind noch Weichen mit Handbedienung erkennbar, die an die Spielzeugeisenbahn aus der Kindheit erinnern. Eine alte Drehscheibe hat früher die hier zusammenlaufenden Gleise mit dem gegenüberliegenden Lokschuppen verbunden. Der Raum des Stellwärters ist an die Drehscheibe angeklebt, wie ein Bremserhäuschen an einem Eisenbahnwaggon.

Manche Kunstobjekte im Park wie Wartehäuschen, Pontons, Rampen, Treppen sind dem Eisenbahnbereich entlehnt, andere wie ein überlebensgroßer Uhu zitieren die Natur. Ein Metallsteg mit Gitterrosteinsätzen schwebt wie eine Plattform über dem Boden und führt weit nach Norden. Dort gibt es einen Zugang vom Bahnhof Südkreuz aus. Der Rückweg nach Süden geht Richtung Stellwerk, hier arbeitete früher an der Eresburgstraße und Alboinstraße das Reichsbahnausbesserungswerk Tempelhof. Es wurde 1876 von der Berlin-Anhaltische Eisenbahn errichtet und im Laufe der Jahre mehrmals erweitert. Heute haben sich an der Alboinstraße IKEA und bauhaus angesiedelt, die Gebäude der Bahn sind in diese Nutzung teilweise einbezogen (4).

Auf dem Rückweg nach Süden entlang den Gleisen wird eine Rampe, die neben dem Gleis begonnen hat, immer höher und bildet dann die Seitenwand für ein Kreuzungsbauwerk über unserem Kopf. An diesem Bahnbogen gibt es Graffiti, Gesichter, Figuren, Tiere. Das Bauwerk wirkt wie ein Tunnel, durch den wir zu unserem Ausgangspunkt zurückkommen.

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(1) Stammbahn: Stammbahn nach Düppel
(2) Terraingesellschaft Rittergut Lichtenberg: Rittergut Lichtenberg
(3) Park am Gleisdreieck: Gleisdreieck-Park
(4) Industrieviertel an der Eresburg- und Alboinstraße:
Industrieviertel und Dreidimensionale Geschichten aus Kymaerica


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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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Naturpark Südgelände


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... und hier sind weitere Bilder ...
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High-Line-Park in New York


Festival of Lights in der Tauentzienstraße
Unschuldigste Beruhigungsmittel