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Umspannwerk Scharnhorst


Stadtteil: Wedding
Stadtplanaufruf: Berlin, Sellerstraße
Datum: 29. Juni 2007

Am letzten Wochenende konnte im Rahmen des Tags der Architektur der zeitgenössische Umgang mit alten Bauten ("Moderne trifft Erbe") studiert werden. Für mich ein Anlass, zu einem Ausflug ins Umspannwerk Sellerstraße aufzubrechen. Diesen Backsteinbau mit ausdrucksvoll gefalteter Fassade, in dem heute das Vattenfall-Kundencenter untergebracht ist, hatte ich bereits bei einem früheren Spaziergang von der Invalidenstraße zum Wedding gesehen (1) und jetzt gab es die Gelegenheit, auch ins Innere zu schauen.

Erbaut wurde das Umspannwerk (2) von Hans Heinrich Müller (3), der seit 1922 als Hausarchitekt der Berliner Elektrizitätswerke viele Bauten in einer Mischung von märkischer Backsteingotik und expressionistischer Moderne geschaffen hat (z.B. Umspannwerke in der Leibnizstraße und in der Osloer Straße). Die mittelalterliche Marienburg war ihm architektonisches Vorbild, sie hat seine Formensprache entscheidend beeinflusst.

Das siebenstöckige Abspannwerke Scharnhorst steht mit seiner Front zum Spandauer Schifffahrtskanal. Die Front ist durch gleichmäßige, aus der Wand hervortretende, dreieckige Pfeiler gegliedert, zwischen denen vertikale Fensterbänder angeordnet sind. Je nach seitlichem Standpunkt des Betrachters verschwinden diese Fenster ganz oder teilweise hinter den vorspringenden Pfeilerdreiecken, die neben der architektonischen Gliederung auch eine funktionale Aufgabe hatten: durch sie wurden die Schaltanlagen entlüftet. Auf der rückseitigen Fassade sind sieben Trafokammern mit Zuluftöffnungen und Entrauchungsschornsteinen als dreidimensionale Bausteine auf die Fassade aufgesetzt.

Das Umspannwerk war Teil des dreigliedrigen Stromverteilungsnetzes, das Berlin seit den Zwanziger Jahren mit Elektrizität versorgte: es bestand aus einer Ringleitung mit 30.000 Volt, Abspannwerken die auf 6.000 Volt umformten und Trafostationen die 220 Volt für den Endverbraucher lieferten. Die Schaltanlagen und Trafos sind vor langer Zeit ausgebaut worden.

Eine modernen Büronutzung wurde durch den Architekten Prof. Kahlfeld realisiert, der auch die Führung durchs Haus übernahm. Im Inneren des entkernten Stahlskeletts wurden größere Lichtschächte geschaffen und durchgehende Etagen eingebaut. Die Stahlfenster erhielten innen eine zusätzliche Isolierverglasung. Auch ein verspieltes Zitat leistete man sich: die Wand zur Pförtnerloge ist wie die Vorderfront des Gebäudes gefaltet.

Eine Besonderheit des Hauses ist die Lichtwarte auf dem Dach, von der aus früher tatsächlich die Stadtbeleuchtung der umliegenden Bezirke ein- und ausgeschaltet wurde. Es gab in den Zwanziger Jahren keine Hochhäuser in Berlin, und so konnte man von der Lichtwarte aus mit dem Blick auf die umliegenden Kirchtürme die Helligkeit oder Dämmerung einschätzen und entsprechend schalten. Die Mitarbeiter saßen ansonsten eine Etage unter der Lichtwarte in einem Raum ohne Tageslicht vor Schalttafeln. Ich fühlte mich sehr an Tucholskys "Laternenanzünder" erinnert, der aufopferungsvoll in der Stadt bei jedem Wetter zu Fuß unterwegs ist, um Laternen ein- und auszuschalten, aber: "Man kann Laternen auch von der Zentrale aus anzünden."

Auch die Lichtwarte ist im Laufe der Zeit überflüssig geworden. Sie wird heute nur als Aussichtspunkt mit einem weiten Blick über Berlins Mitte und die angrenzenden Bezirke verwendet.

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(1) Der frühere Spaziergang am Umspannwerk: Sachbearbeiter in Käfighaltung
(2) Mehr über Abspannwerke und Umspannwerke: Umspannwerke/Abspannwerke
(3) Mehr über Hans-Heinrich Müller: Müller, Hans Heinrich

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Experimentierfeld der Stadtplanung
Zarte Schleier niederrieselnden Wassers