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Prometheus, der das Feuer bringt |
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Stadtteil: Wedding Bereich: Brüsseler Kiez Stadtplanaufruf: Berlin, Ostender Straße Datum: 8. August 202 Bericht Nr.:866
Nein, die Müllerstraße ist nicht nach Müller-Milch benannt ("Alles Müller oder was"). Das wäre vielleicht auch kein gutes Aushängeschild, weil in deren Milchbechern entrahmte Milch mit wässriger Molke versetzt ist. Und weil manche Milchshakes mit Pop-Up-Bildern sich räkelnder, wenig bekleideter Frauen geschmückt werden, was heute nicht mehr zeitgemäß ist.
Tatsächlich waren es die 22 Windmühlen, die der Straße ihren Namen gaben und sie zum größten Mühlenstandort Berlins machten. Begonnen hatte es 1809 mit einer Holländermühle an der Ecke Gerichtsstraße. Durch Wohnbauten wurden die Mühlen im Laufe der Jahrzehnte verdrängt. Und durch Industrie, wie beispielsweise 1858 durch die chemische Fabrik Schering. Die letzte Mühle stellte 1880 ihren Betrieb ein.
Radialstraße Vom Halleschen Ufer bis zur nördlichen Straßengrenze zum Barnim führt eine Radialstraße durch die halbe Stadt. Eine Radialstraße "macht die Großstadt erst zur Großstadt". Sie durchquert das Stadtgebiet von der Innenstadt bis zu den Vorstädten. An den Zentren der Ortsteile zeigt sie, wie vielfältig die Stadt ist, sie wird so zur "Bühne großstädtischen Lebens".
Auf ihrem Weg Richtung Oranienburg und Hamburg hat diese Radialstraße in Berlin acht verschiedene Namen, die ihr in den Jahren 1705 bis 1914 im Verlauf der Ausdehnung der Stadt zugeordnet wurden. Als Friedrichstraße beginnt sie, auf ihrem Weg liegt die Müllerstraße, als Ruppiner Chaussee verlässt sie Berlin. Bei der Namensgebung der Chausseestraße war dieses Ziel bereits vorgezeichnet, sie wurde schon im 15. Jahrhundert Ruppiner Heerweg genannt. Die heutige Radialstraße hat ihre grundsätzliche Orientierung beibehalten, wurde aber ihren Verlauf etwas verändert. Sie ist rund 20 km lang und durchquert damit etwas mehr als die Hälfte der Nord-Süd-Ausdehnung der Stadt.
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SPD Parteizentrale Nördlich vom Bahnhof Wedding kommt auf unserem heutigen Stadtrundgang über die Müllerstraße das Kurt-Schumacher-Haus in den Blick. Die SPD hat hier 1962 im Wedding- der alten Hochburg der Arbeiterbewegung - ihre Berliner Parteizentrale errichten lassen, einen Bau der Nachkriegsmoderne. Die Hauptfassade gibt sich brav mit einheitlichen Fenstern, aber an der Seitenstraße kragt der Sitzungssaal aus der Fassade hervor und die Fenster darüber sind asymmetrisch geteilt.
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Im Hause gärt es: Die Berliner SPD geht verantwortungslos mit ihrem Spitzenpersonal um: Sie hat den früheren Regierenden Michael Müller nicht mehr auf die Landesliste gesetzt und damit seinen Wiedereinzug in den Bundestag verhindert. Und Franziska Giffey wurde in der Partei isoliert ("Der Himmel stand ihr offen"). Die desaströsen Wahlergebnisse sind ein weiteres Thema. In einem innerparteilichen Weckruf wird gefordert: "Die Berliner SPD hat ihre gesellschaftliche Verankerung verloren, sie darf sich nicht länger vor der Wirklichkeit drücken. Wir müssen die Partei erneuern, bevor es zu spät ist".
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St. Joseph-Kirche Wenn eine Kirche nicht freisteht, sondern in die Häuserfront eingegliedert ist, handelt es sich im Regelfall um ein katholisches Gotteshaus. Zum Ausgleich hat der Architekt eine monumentale mittelalterlich inspirierte Straßenfront geschaffen mit einem Dreiecksgiebel und einer angedeuteten Zwerggalerie (säulenumstandener Arkadengang) über dem Erdgeschoss, flankiert von zwei quadratischen Türmen, die die umgebende Bebauung weit überragen.
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Die Bevölkerung war vor allem durch den Zuzug von Arbeitern angewachsen, die Kirche ist ihren Patron St. Joseph geweiht. Bekanntlich war Maria mit Joseph verheiratet, er war der "Ziehvater" von Christus. Über das weitere Leben von Joseph schweigen die Evangelien, aber über den Arbeitern und Handwerkern hält er schützend seine Hand.
Ein Rathaus ohne Turm ist wie eine Giraffe ohne Hals Von einer Kirche mit hoch aufragenden Türmen zu einem Rathaus, das auf jegliche Überhöhung durch einen Turm verzichtete: Das Rathaus Wedding ist während der Weimarer Republik entstanden, ein Turm wurde nicht gebaut, um Baukosten einzusparen. Dabei wurde vernachlässigt, dass ein Turm in der Stadt als Orientierung dient ("Landmarke") und dass er städtische Größe repräsentiert ("Wahrzeichen"). Er steht damit auch für Zugehörigkeit, für Identifikation der Bürger mit der Stadt.
Es muss ja nicht ausarten wie beim mittelalterlichen Machtkampf zwischen Kirche und Stadtregierung: In den selbstbewussten Städten wie Sienna oder Florenz gab es im Mittelalter regelrechte "Turmduelle", die Gleichwertigkeit weltlicher und kirchlicher Macht wurde demonstriert, indem die Rathaustürme dieselbe Höhe erreichten wie Kirchtürme
Rathaus Wedding Mehr als sechzig Jahre nach der Eingemeindung nach Berlin bekam Wedding erst nach der Gründung von Groß-Berlin einen eigenen Rathausbau. Es wurde ein schlichtes, kubisches, mit roten Klinkern verkleidetes Gebäude. Ein Bärenwappen, auf der Fassade über Eck gestellt, weist äußerlich auf die städtische Funktion hin.
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Nur die Eingangshalle ist repräsentativ gestaltet. Grüne und gelbe Kachelplatten als Wandverkleidung, Kassettendecke mit indirekter Beleuchtung, im Fußboden eingelassen ein Stadtwappen und die Baujahre. Ein Portrait-Relief ehrt Walther Rathenau, den ermordeten Präsidenten der Weddinger AEG und Außenminister. Die seitlichen Treppenaufgänge sind mit Kandelabern geschmückt, die aus beleuchteten Würfeln und einer Kugellampe bestehen.
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Ein 1966 hinzugefügter Ergänzungsbau auf Stelzen mit einer Front aus Glasflächen symbolisiert die Transparenz der demokratischen Institutionen, hier tagte die Bezirksverordnetenversammlung. Hinter dem gläsernen Pavillon entstand gleichzeitig ein 12stöckiger zwölfgeschossiges Verwaltungsgebäude. Nachdem Wedding im Bezirk Mitte aufgegangen war, zeigte sich die hervorragende Nutzungsmöglichkeit des Pavillons für eine Bibliothek. Für die letzte Nachnutzung als Jobcenter war die Transparenz nicht ausschlaggebend.
Im Wedding gibt es eine beeindruckende Zahl und Vielfalt von Schulen. Im Brüsseler Kiez, in dem wir heute unterwegs sind, ragen zwei besonders hervor, bei denen an einem Standort mehrere staatliche Schulen gemeinsam präsent sind, bei einem sogar aus verschiedenen Schulzweigen in einem gemeinsamen Gebäude.
Leo Lionni Grundschule Um die Jahrhundertwende 1900 war diese Gemeindeschule die größte Schule Berlins: Hermann Blankenstein, der Berliner Stadtbaurat, hat in seiner Dienstzeit von 1872 bis 1896 mehr als 120 Schulen in Berlin gebaut, doch meist hatte er nur knappen Baugrund zur Verfügung, so dass er die Innenhöfe bebauen und mehrere Schulen baulich zusammenfassen musste.
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An der Müllerstraße Ecke Willdenowstraße Ecke Triftstraße hatte das eine andere Dimension: Er hatte ein halbes Straßenkarree zur Verfügung, auf dem er am Blockrand in mehreren Pavillon-Bauten 60 Schulklassen unterbringen konnte. Stolz fügte er oben unter dem Dachfirst dem für ihn obligatorischen Wappen mit dem Berliner Bären die Daten hinzu: begonnen 1891, vollendet 1893.
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Prometheus bringt das Feuer Auch das "Schulschloss" von Ludwig Hoffmann - Blankensteins Nachfolger als Stadtbaurat - im Brüsseler Kiez ist ein Ausnahmebau mit außerordentlichen Größe und räumlichen Vielfalt, in dem er vier schulischen Einrichtungen unterschiedlicher Schularten in einem gemeinsamen Gebäude vereinte. Wie bei Blankenstein brauchte er nur zwei Jahre für die Fertigstellung, und er hatte hier sogar ein ganzes Straßenkarree angrenzend an den Zeppelinplatz zur Verfügung.
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Der Bau ist von allen Straßen zurückgesetzt, die unterschiedlichen Schulen waren in der strengen, einfachen, klar geordneten Architektur nicht erkennbar. Eine Gemeindeschule, eine Realschule waren in dem Gebäude untergebracht und eine Technische Mittelschule, die "Beuth-Schule, Höhere Technische Lehranstalt der Stadt Berlin". In einem Relief ist Prometheus zu sehen ist, der das Feuer bringt und damit den ersten Lehrer darstellt, der die Menschen elementare Fertigkeiten lehrte.
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Ingenieurwissenschaftlicher Hochschulcampus Mit dem Haus Beuth begann die Historie der "Berliner Hochschule für Technik", die heute einen ganzen Campus im Brüsseler Kiez umfasst. Sie ist eine der größten ingenieurwissenschaftlichen Hochschulen Deutschlands, mit acht Fachbereichen wie Mathematik, Informatik, Elektrotechnik, Maschinenbau, Architektur, Wirtschaftswissenschaften. "Studiere Zukunft" ist ihr Wahlspruch, davon geleitet forscht sie im Kompetenzzentrum "Stadt der Zukunft" über Lebensräume, in denen die große Mehrheit der weltweiten Bevölkerung leben und arbeiten wird.
Ein Hochschulcampus soll ein lebendiger Ort der Begegnung sein, bei unserem Rundgang in den Semesterferien wirkte er aber in einer Momentaufnahme mehr wie eine Ansammlung von Lernorten. Den Namen Beuth legte die Hochschule 2020 nach ausführlichem Diskurs ab wegen der antisemitischen Haltung ihres Namensgebers.
In der Nachkriegszeit begann mit der Gauß-Schule, einem Bau der Nachkriegsmoderne, der von Beginn an geplante Ausbau Weddings zum Ingenieurzentrum: Über 150 Meter erstreckt sich ein Gebäuderiegel mit großen Fensterflächen. Im März 2015 erfuhr die nach dem Mathematikgenie Gauß benannte Schule eine Ehrung als "Mathematischer Ort des Monats", verliehen von der Berliner Mathematischen Gesellschaft.
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Ein Blickfang ist die angrenzende Aula, ein Saalbau (" Max-Beckmann-Saal"), der von Betonstützen in doppelter V-Form getragen wird. Der Saal wurde später für Konzert- und Theaterveranstaltungen umgebaut und dient heute dem Atze-Musiktheater. Atze führt als (auf Berlinisch:) "großer Bruder" Kinder und Jugendliche an Musik heran und ist Deutschlands größtes Musiktheater in diesem Bereich. Auf dem Tempelhofer Feld bespielt es das "Luftschloss", ein Amphitheater mit 400 Plätzen.
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1973 wurde der Hochschulcampus um ein 12stöckiges Hochhaus mit vorgelagerten Flachbau erweitert. 1976 folgte das Haus Bauwesen neben dem Hochhaus an der Luxemburger Straße. Zur Hochschule gehören weiterhin Teile der Osram-Höfe, dem denkmalgeschützten Gebäudeensemble eines ehemaligen Glühlampenwerks.
Auch die ehemalige Baugewerkschule in der Kurfürstenstraße ist heute Teil der Technikhochschule. Zur Qualifizierung von Zimmermeistern, Maurermeistern und anderen Bauhandwerkern für eine architektenähnliche Tätigkeit wurde sie 1914 als "architektonisches Musterbuch" erbaut. In der Berliner Denkmaldatenbank sind viele Häuser verzeichnet, die von den so ausgebildeten Bauhandwerkern nicht nur errichtet, sondern auch gestaltet worden sind.
Baublocks Ostender Straße Von Querstraße zu Querstraße flankieren drei Wohnbocks die Südostseite der Ostender Straße; eine Wohnsiedlung gegenüber umfasst ein ganzes Straßenkarree. Die Bauten wurden Ende der 1920er Jahre als einheitlicher Auftrag an vier verschiedene Architekten gegeben. Die Gestaltung erfolgte völlig individuell, das Ergebnis ist eine künstlerische Vielfalt.
An der Genter Straße beginnt es mit einem Baukörper mit kräftig Ocker eingefärbter Fassade, auskragenden Loggien und einem polygonal herauskragenden Eck-Erker. Es folgt eine Wohnanlage von Bruno Möhring mit dunkelroter Klinkerfassade im Erdgeschoss und weiß verputzten Wandflächen in den oberen Stockwerken. Die dritte Wohnanlage beginnt mit einem schlichten beigefarbenen Eckbau und öffnet sich dann zu einem kleinen Vorhof, in dem die Erker mit Sgraffito (Putzkratztechnik) verziert sind.
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Albert Geßner (" Wohnungsbau nach künstlerischen Grundsätzen") errichtete auf dem Straßenkarree einen zu allen Straßen geschlossenen Baublock. Die Eckgebäude sind durch eine zusätzliche Etage und das überstehende Dach turmartig hervorgehoben. Die Gebäude umschließen einen beeindruckenden, geradezu traumhaften Innenhof, freigehalten von weiterer Bebauung. Mit blumengesäumten Wegen und einem kleinen Urwald an Bäumen und Pflanzen.
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Zum Schluss ein Relief, das wir an der Beuth-Schule gefunden haben: Eine Putte schaukelt im Bart eines männlichen Fratzengesichtes: Eine Allegorie der Lebensfreude, so schön kann Schule sein.
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Eine Düne wird ausgebuddelt
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