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Mitte hat einen neuen Chef


Stadtteil: Mitte
Bereich: U 6, Schwartzkopffstraße, Rehberge
Stadtplanaufruf: Berlin, Schwartzkopffstraße
Datum: 8. Mai 2006

"Mitte hat einen neuen Chef" steht an den U-Bahnhöfen. Dass ich im nächsten Monat in die Chausseestraße nach Mitte ziehe, kann damit doch nicht gemeint sein? Nein, es geht um Musik im Konzerthaus, wie die Plakate erläutern.

Direkt vor unserem neuen Domizil an der Chausseestraße bzw. im Untergrund davor verläuft die ehemalige "Geisterlinie" der U-Bahn, mit "Geisterbahnhöfen", in denen zu DDR-Zeiten nach dem Mauerbau die Züge nicht mehr hielten, sondern nur noch durchfuhren. Gespenstisch war das, weil man die Vopos während der Durchfahrt meist nicht sehen, aber vermuten konnte. Und weil jederzeit wegen eines Defekts der Zug anhalten konnte, ohne dass definiert war, was dann eigentlich passieren würde, wer die tatsächliche Hoheit und Herrschaft über die Passagiere ausüben würde. Noch schwieriger: was passierte bei Fluchtversuchen? Diese waren wegen der zugemauerten Bahnhöfe und bewachten Bahnsteige allerdings so gut wie unmöglich. Von Mariendorf nach Tegel ging diese Strecke. Auch wenn es eine Umfahrung über den Umsteigebahnhof Leopoldplatz für ganz ängstliche Gemüter gab, war diese Fahrt für viele tägliche Routine.

Heute wird nicht mehr auf dem Bahnhof Reinickendorfer Straße angesagt: "Letzter Bahnhof im Westsektor von Berlin", und wir können ungehindert auf der Strecke südlich an "unserem" U-Bahnhof Zinnowitzer Straße aus- und einsteigen. Und das habe ich heute ausprobiert, bin an "unserem" Bahnhof eingestiegen und nach Norden bis Rehberge vorgedrungen. Der erste Teil der Strecke nach Norden bis zur Seestraße war bereits vor dem ersten Weltkrieg begonnen worden, wurde aber erst 10 Jahre später während der Inflation in der Weimarer Republik fertiggestellt.

Die ersten drei Bahnhöfe Zinnowitzer Straße, Schwartzkopffstraße und Reinickendorfer Straße unterscheiden sich heute nur durch die Farbe der als Stilelemente wie beim S-Bahnbau verwendeten Eisenträger mit sichtbaren Nieten: gelb, rot, grün, jeweils für Träger und Deckeneinteilung pro Bahnhof einheitlich. Die Deckenlampen sind bei allen drei Bahnhöfen einheitlich, wahrscheinlich sogar identisch. Und doch hat der Bahnhof Schwartzkopfstraße eine herausgehobene Geschichte, die ihn von den anderen Bahnhöfen unterscheidet. Auf dem nahe gelegenen Kasernengelände, auf dem "Lilli Marleen" entstand, wurde später das "Walter-Ulbricht-Stadion" oder "Stadion der Weltjugend" gebaut. Wie pikant, dass auch der nach Walter Ulbricht benannte Bahnhof zum Geisterbahnhof der West-U-Bahn wurde. Nachdem nach der Wende ein neuer Olympiabau abgewendet werden konnte, wurde der Name des Maschinenfabrikanten Schwartzkopff stationsprägend.

Schering ist sauer, dass der Bahnhof Reinickendorfer Straße nicht nach dem (inoffiziellen) Weddinger Ortsteil Schering benannt wurde, schließlich taucht man direkt vor der Firmenzentrale aus dem Untergrund auf. Das war vielleicht ganz vorausschauend von den Verkehrspolitikern, sonst hätte man ihn jetzt nach der Übernahme des Unternehmens vielleicht in "Bayer"-Stadt umbenennen müssen.

Die Bahnhöfe Wedding, Leopoldstraße und Seestraße sind weniger spannend gestaltet. Die Schienen für beide Richtungen sind hier direkt nebeneinander verlegt, damit werden zwar zwei Bahnsteige gebraucht, aber die Gleise kommen vor und hinter dem Bahnhof ohne Kurven aus. Diese Bahnhöfe haben kein eigenes Gesicht, sind mit ihren Fliesenwänden abwaschbar und austauschbar und nur für den schnellen Transfer geeignet. Lediglich die Namensgebung beim Leopoldplatz lohnt einen weiteren Blick: Der "alte Dessauer", Leopold der Erste Fürst von Anhalt und Dessau (um 1700), Exerziermeister der preußischen Infanterie ist der Namenspatron. Er war der Erfinder des militärischen Gleichschritts (mit dem man jede Hängebrücke zum Einstürzen bringen kann). Dass der Gleichschritt "erfunden" wurde und nicht selbstverständlich vorhanden war, lässt immerhin Rückschlüsse auf natürliche, intuitive Wurzeln unserer Kultur zu.

Auf dem Rückweg widerstand ich der Versuchung, im Subway an der Chausseestraße ein fast-food zu kaufen, auch wenn ich gerade aus der Subway kam, und bin nach einem kurzen Umweg über unsere neue Wohnung nach Lichterfelde zur Tiefkühlpizza zurückgekehrt.

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Im Park jagt eine Nymphe
Sachbearbeiter in Käfighaltung