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Aktivität hinter dem Maschendrahtzaun


Stadtteil: Mitte
Bereich: Stadtzentrum an der Mauer
Stadtplanaufruf: Berlin, Zinnowitzer Straße
Datum: 29. Juni 2019
Bericht Nr.: 659

Ein Maschendrahtzaun vor einer Brache, rechts im Hintergrund ein leer stehender Betonbau, und das mitten in Berlin, sogar direkt in Berlin-Mitte. Am Zaun hängt einsam und verwaist ein Briefkasten, doch wer wird den leeren? So sah es 2012 hier aus.

Opernwerkstätten
In der Zinnowitzer Straße arbeiteten die Opernwerkstätten bis 2010 in einem Betonbau, der 1941 in der NS-Zeit begonnen und 1953 von der DDR fertiggestellt wurde. Bühnenbilder und -dekorationen, Statuen, Modelle, Skizzen wurden dort angefertigt. Es gab in offener Industriearchitektur Tischlereien, Werkstätten, einen Malsaal, eine Schlosserei. Nach der Wende hat der Senat die Berliner Opernhäuser in der Opernstiftung zusammengelegt, 2010 wurden auch die Werkstätten im "Bühnenservice Berlin" am Ostbahnhof zusammengefasst. Der Bau in der Zinnowitzer Straße verwaiste, auf der Brachfläche davor wucherte das Unkraut.

Dann wurde beschlossen, die verschiedenen Standorte der Schauspielschule Ernst Busch hier zu versammeln, das Projekt drohte aber wegen Kostenüberschreitung zu scheitern. Ein billiges Argument, denn wo wird einmal der Kostenrahmen eingehalten? Die Schauspielschüler fanden sich damit nicht ab, besetzten das Gelände und hängten symbolisch einen Briefkasten mit dem Namen der Schauspielschule an den Zaun. Schließlich kam es doch noch zum happy-end, allerdings mussten geldbringende Zwischennutzungen bis zur Bauzeit akzeptiert werden.

Zwischennutzung
Das Deutsche Theater startete hier 2011 eine Uraufführung über Brachlandschaften, verwaiste Orte und die Erinnerungen, die ihnen eingeschrieben sind - ein gelungener Umgang mit dem Vorgefundenen. - Das "Pret A Diner", ein Pop-Up-Restaurant, das durch die Welt reist und Sterneköche an wechselnden Orten ihre Gäste verwöhnen lässt, folgte 2013. - Ebenfalls 2013 beschäftigte sich die internationalen Kunstszene in dem verlassenen Gebäude auf der Preview Berlin Art Fair mit den Tendenzen der zeitgenössischen Kunst.

Die CDU/CSU stellte hier vor der Bundestagswahl 2013 ihr Programm für die kommenden vier Jahre vor. Es war nach Meinung von Frau Merkel „eine Richtungsentscheidung für Deutschland“, damit das Land nicht „mit Rot-Grün abwärts geht“. Tausend Gäste hörten ihr im ehemaligen Werkstattgebäude zu.

Olympus nutzte das alte Bauwerk 2013 und 2014 als fotografische Spielwiese für den "Photography Playground". Im zweiten Jahr wurde man begrüßt von einem "Op-Art"-Labyrinth, das mit abstrakten Formen und geometrischer Farbfiguren den Besucher mit optischen Effekten irritierte. Der Höhepunkt war ein sinnestäuschendes, begehbares Spiegelkabinett, die "Berlin Facade".

Dafür war als Requisite eine hölzerne Hausfassade flach auf dem Boden platziert. Im Winkel von 45 Grad hierzu zeigte ein ebenso großer Spiegel die Fassade aufrecht, so dass die in Wirklichkeit auf dem Boden sitzenden oder liegenden Menschen im Spiegel an der Hauswand zu schweben schienen. In den Medien sehen wir im Actionfilm atemberaubende Kletterszenen – offensichtlich alles Illusion. (Auf meinem Fotobeispiel habe ich zum besseren Verständnis die Ebenen optisch getrennt, das Spiegelbild farbig gelassen, die reale Umwelt in schwarz-weiß versetzt).


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Schauspielschule
Und dann kam der Ausbau des leeren Betonbaus zur Schauspielschule. Der Senat hatte die Brachfläche vor dem Bauwerk an einen Investor verkauft, plötzlich stand ein phantasieloser Gebäuderiegel mit 114 Eigentumswohnungen und 42 Tiefgaragen vorn an der Straße. Die Schauspielschule rutschte stadträumlich in eine Hinterhofsituation, die durch eine Schranke an der Straße und einen unattraktiven Durchgang weiter verstärkt wird. Dieses erbärmliche Entree muss noch aufgelöst werden.

Die Fundamente lagen nicht da, wo man sie vermutet hatte, der Baugrund war erst ab 6 Meter Tiefe tragfähig. Das Baufeld war wohl berlintypisch vorher nicht ausreichend erforscht worden. Als es dann losging, entstand eine großartige Verbindung von Altem und Neuen, von Rohem und Verfeinerten, ein Werkstattcharakter der Schauspielschule, umgesetzt in Architektur. Eine Ecke des Altbaus wurde aufgeschnitten, um einen 24 Meter hohen Bühnenturm an zwei Seiten anzudocken. Der Turm ist auf allen Seiten mit senkrechten Latten aus Lärche umkleidet. Die Verkleidung setzt sich auch im Innern an der Schnittstelle zum alten Betonbau fort. In den drei Etagen des Turms haben zwei Studiobühnen und eine Techniketage Platz.

Um so wenig wie möglich an dem Altbau zu verändern, wurde er nur bis zur Höhe von 2,30 Metern bearbeitet und für den neuen Zweck umgestaltet. Durch den ganzen Bau verläuft infolgedessen eine waagerechte Trennlinie, oberhalb derer der alte Rohbau sichtbar bleibt. Leider sind dort auch die verspachtelten Gipsplatten von eingefügten Trockenbau-Wänden zu sehen, eine unschöne Nuance in dem gelungenen Ensemble.

Ein neues Treppenhaus wurde eingefügt, es wirkt in seiner Kantigkeit wie eine Betonskulptur und fügt sich gut in den alten Betonbau ein. In jeder Etage zieht sich ein langer Gang bis zum Ende des Altbaus. Im Erdgeschoss wird entlang dieser Strecke der Fundus ausgestellt. Puppen und Kostüme sind dort wie in Schaufenstern aufgereiht.

In der ersten Etage kann man durch eine Glaswand in die Bibliothek und den elf Meter hohen Lesesaal blicken. Hinter den Türen im Gang befinden sich Probebühnen. Große Fotos der Darsteller in Kostümen heben sich auf den nackten Wänden eindrucksvoll hervor. Manche Zwischenräume werden als Tafeln genutzt, auf denen die Schüler Zitate, Statistiken oder jede andere Form von Informationen mit Kreide aufschreiben können.


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Schauspieler
Viele der mit der Goldenen Kamera ausgezeichneten Schauspieler haben an der Schauspielschule Ernst Busch studiert. Die Schule lag bis zur Wende in Ost-Berlin. Die Namen der Preisträger zeigen, dass Ost- und West-Herkunft keinen Unterschied mehr macht bei den Publikumslieblingen. Hier einige Beispiele: Fritzi Haberlandt, Devid Striesow, Götz Schubert, Mark Waschke, Charly Hübner, Jan Josef Liefers, Nina Hoss, Michael Gwisdek, Corinna Harfouch. Die Ausbildung abgebrochen haben Matthias Schweighöfer und Manfred Krug, auch sie wurden mit der Goldenen Kamera prämiert.


Besichtigung
Am Tag der Architektur war der Ansturm groß. Da gleichzeitig fachliche Veranstaltungen stattfanden, mischten sich die Macher- und Besucherströme. Auch das ist eine Form von Werkstatt, bei der jeder seinen eigenen Platz definieren und finden musste, ein Schauspiel ganz eigener Art.

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Doppelte Elisabeth
Ein Haus wie eine Briefmarke