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Zum Denkmal bitte klingeln


Stadtteil: Mitte
Stadtplanaufruf: Berlin, Potsdamer Platz
Datum: 16. September 2014
Text-Nr.: 479

Wie schwierig es ist, ein angemessenes Denkmal zu errichten, kann man exemplarisch an den Erinnerungsorten für Karl Liebknecht in Berlin ermessen. Karl Liebknecht kam aus sozialdemokratischem Hause, sein Vater war einer der Gründer der SPD. Als Abgeordneter saß Karl Liebknecht für die SPD im Preußischen Landtag und im Reichstag. Über die Frage der Kriegskredite für den Ersten Weltkrieg kam es zum Zerwürfnis mit der SPD, Liebknecht war ein engagierter Kriegsgegner. Als Anführer einer Antikriegs-Demonstration auf dem Potsdamer Platz wurde er am 1.Mai 1916 verhaftet und inhaftiert. Auf seine Initiative hin wurde im November 1918 der Spartakusbund gegründet, der einen Monat später in der neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) aufging. Nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs proklamierte Liebknecht im November 1918 vom Berliner Schloss aus die „freie sozialistische Republik Deutschland“. Beim Spartakusaufstand, einer bewaffneten Auseinandersetzung im Januar 1919, engagierte sich Liebknecht im Revolutionsausschuss. Wenige Tage später wurde er im Berliner Tiergarten ermordet.

Für alle diese Ereignisse gibt es in Berlin Erinnerungsorte, doch sie sind alle merkwürdig unfertig oder "geistesabwesend", können den Genius Loci nicht einfangen. Es gab Zeiten, da musste man nur einen Herrscher auf ein Pferd - natürlich einen Hengst - setzen, um ein passendes Denkmal zu schaffen. Freiheitskämpfer konnte man in revolutionärer Bewegung mit Waffe in der Hand darstellen, Befreier mit einem Kind auf dem Arm. Abstrakte Formen für ein komplexes Geschehen zu finden, ist eine große Kunst, beim Holocaust-Mahnmal ist es gelungen, das Einheitsdenkmal auf dem Schloßplatz könnte ein weiteres positives Beispiel werden. Schauen wir uns an, welche Orte an Karl Liebknecht erinnern sollen.

Antikriegsdemonstration am 1.Mai 1916
Liebknecht hatte die Antikriegsdemonstration auf dem Potsdamer Platz mitten im Ersten Weltkrieg mit der Parole „Nieder mit dem Krieg!" eröffnet. Eine Verurteilung wegen Hochverrats folgte. Die DDR wollte ihm ein Denkmal an historischer Stelle setzen, über den Denkmalsockel kam es aber nie hinaus. Im Rahmen der Weltjugendfestspiele - einer Antikriegsveranstaltung der DDR - wurde der Sockel am 13.August 1951 eingeweiht. Auf den Tag genau 10 Jahre später wurde die Mauer gebaut, und plötzlich stand der Sockel im Mauerstreifen, unerreichbar für DDR-Bewohner und immer noch unvollendet. Mit diesem Gedenkort war die DDR durch ihren eigenen Mauerbau gescheitert.

Nach der Wende wurde der Denkmalsockel zunächst eingelagert, 2003 erfolgte eine "kommentierte Wiederaufstellung" - weiterhin nur des Sockels.

Gründung des Spartakusbundes
Der Spartakusbund wurde im Hotel Excelsior in der Stresemannstraße gegründet. Als die DDR dem Spartakusbund 1958 zum Vierzigjährigen ein Denkmal setzen wollte, musste sie feststellen, dass dieser Gedenkort unerreichbar in West-Berlin lag. Also suchte sie sich als Ersatzort das Grundstück in der Chausseestr.121 aus, dort hatte Liebknecht sein Anwaltsbüro, in dem auch Besprechungen der Spartakusmitglieder stattfanden. Das Haus stand nicht mehr, stattdessen gab es hier jetzt eine Kaufhalle. Man schuf eine kleine Grünanlage, stellte eine Gedenkstele hinein, und bog sich die historischen Fakten zurecht: "An diesem Platz stand das Haus, in dem der Spartakusbund gegründet wurde".

Nach der Wende verschwand die Kaufhalle, die Stele war jahrzehntelang in einer sie umhüllenden Holzkiste verborgen. Dann entstanden nacheinander zwei sechs- bis siebenstöckige Wohnhäuser. Ganz hinten am Kinderspielplatz steht der Gedenkstein, jetzt wieder ohne Holzverkleidung. Dass hier eine öffentliche Grünanlage bis zur Gedenkstele führt, ist nicht mehr sichtbar, sie wurde als Erschließungsweg für das zweite Wohnhaus gebraucht. Das Grundstück ist natürlich verschlossen, aber vorn am Hauseingang gibt es eine zusätzliche Klingel mit dem Text "Denkmal", das ist ein Türöffner. Also, wenn Sie zum öffentlichen Denkmal des Spartakusbundes wollen, bitte bei "Denkmal" klingeln.

Gründung der Kommunistischen Partei Deutschlands
Die KPD wurde im Festsaal des Preußischen Landtags gegründet, Karl Liebknecht hatte als Abgeordneter Zugang zu diesen Räumen. Das Gebäude liegt an der Niederkirchnerstraße in Mitte direkt an der Bezirksgrenze, unmittelbar gegenüber auf der anderen Straßenseite liegt der Martin-Gropius-Bau in Kreuzberg. 1961 mauerte sich die DDR ein, der Straßenzugang des Preußischen Landtags konnte nicht mehr genutzt werden. Die DDR hatte begonnen, den historischen Raum der KPD-Gründung im Preußischen Landtag zum Gedenkort auszubauen und eine neu geschaffene Kassettendecke eingezogen. Dann stellte man fest, dass der Blick von dort direkt auf die Mauer ging und der Gebäudezugang nur durch die Hintertür möglich wäre. Ein repräsentativer Erinnerungsort sieht anders aus, dieses Gedenkprojekt war damit gestorben. Wieder war der Mauerbau schuld daran, dass ein Gedenkort für Karl Liebknecht nicht verwirklicht werden konnte.

Ausrufung der Republik
Am 9.November 1918 gab es ein Ringen um das Ausrufen der "richtigen" Republik nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs. Philipp Scheidemann proklamierte von einem Reichstagsfenster aus die „deutsche Republik“ im Sinne der SPD, Karl Liebknecht vom Schloss aus die "freie sozialistische Republik Deutschland". Scheidemann war nicht nur schneller, die sozialdemokratische Richtung wurde auch von einer Bevölkerungsmehrheit unterstützt.

Bei der Teilung Berlins hatte gottlob jede Stadthälfte den "richtigen" Ort für die Erinnerung an den Neubeginn vom 9.November 1918 auf ihrer Seite. Und so gab es wieder das während der Teilung typische "doppelte Berlin", das ideologischen Wettrüsten um symbolträchtige Orte in Ost und West. 1976 wurde in West-Berlin am Reichstag eine Gedenktafel für Scheidemann enthüllt, die inzwischen an einen für die Öffentlichkeit nicht mehr zugänglichen Platz umgehängt wurde.

In Ost-Berlin hatte man gleich zwei Gedenkorte geschaffen. Das hat sicherlich nichts damit zu tun, dass Liebknecht die Republik zweimal ausgerufen hat: Bei der Proklamation stand er auf einer LKW-Fläche, nach Eroberung des Schlosses wiederholte er den Ausruf von dort aus. Das Schloss hatte ja die DDR geschliffen, aber das historische Portal der zweiten Liebknecht-Proklamation hatte man aufbewahrt und als "Spolie" vor den Neubau des Staatsratsgebäudes gesetzt. Dieses erhaltene Schlossportal erinnert nicht nur an die Proklamation der sozialistischen Republik, es ist auch ein Mahnmal für den Bildersturm der DDR gegen Monumente der Vergangenheit.

Die Liebknecht-Verehrung in der DDR war seit 1951 inflationär, jede Stadt musste zumindest ihre Karl-Liebknecht-Straße haben, und so verwundert eine zweite Würdigung der Liebknechtschen Proklamation in Schlossnähe nicht wirklich. Am Neuen Marstall (Musikschule Hanns Eisler) wurde ein Bronzerelief angebracht, das sich über mehrere Etagen erstreckt. Absonderlich ist die quasi sakrale Darstellung, das Volk reckt seine Hände zum Himmel, während Liebknecht jesugleich in den Himmel aufsteigt, eine Art Auferstehung.

Revolutionsausschuss des Spartakusaufstandes
Nach der doppelten Ausrufung der Republik begann ein Ringen um die richtige Ausgestaltung des neuen Staatswesens. In Berlin kam es im Januar 1919 zu kriegerischen Auseinandersetzungen, dem Spartakusaufstand, benannt nach dem Spartakusbund, der eine Räterepublik durchsetzen wollte. Im Biergarten der Bötzow-Brauerei wurde ein Revolutionsausschuss gegründet, der zum Generalstreik aufrief, um die Regierung zu stürzen. Der KPD-Führer Liebknecht gehörte diesem Revolutionsausschuss an.

Zum Biergarten der Bötzow-Brauerei ging man von der Saarbrücker Straße über eine Treppe zu dem höher gelegenen Biergarten herauf. Am Fuß dieses Aufgangs steht ein Findling mit einem Medaillon von Karl Liebknecht. Dieser Gedenkstein ist so beschmiert, dass man ihn kaum entziffern kann.

Ermordung Liebknechts
Der Spartakusaufstand wurde durch regierungsnahe Freikorps niedergeschlagen, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, die gemeinsam für ihre Ziele eingetreten waren, wurden ermordet. Liebknecht wurde am Ufer des Neuen Sees im Tiergarten von hinten erschossen. Ein Denkmal ist hier auf private Initiative entstanden, inzwischen aber unter Denkmalschutz gestellt. Das Architekten-Ehepaar Schüler(-Witte) ließ hier eine Stele und eine Gedenktafel errichten. Es gab keinen Wettbewerb, die Formen wurden aus der Architektursprache entlehnt. Ob der runde Baukörper mit den durchgesteckten Buchstaben des Namens dem Gedenken gerecht wird, muss der Betrachter entscheiden.

Grab auf dem Sozialistenfriedhof Friedrichsfelde
Karl Liebknecht wurde auf dem städtischen Zentralfriedhof Friedrichsfelde in einem Massengrab beigesetzt, zusammen mit weiteren Toten des Spartakusaufstandes. Mehrere tausend Menschen nahmen an dem Trauerzug teil, die Morde hatten in der Bevölkerung Abscheu und Empörung ausgelöst. Auf dem Friedhof errichtete Mies van der Rohe später ein Revolutionsdenkmal, jährliche Gedenkfeiern und Aufmärsche machten den Friedhof zum "Sozialistenfriedhof". Die Nazis ließen die Gräber einebnen und das Revolutionsdenkmal zerstören.

Die DDR schuf auf dem vorderen Teil des Friedhofs die "Gedenkstätte der Sozialisten" mit überdimensionierten Grabplatten im Zentrum. Ob Karl Liebknecht wirklich unter seiner Grabplatte ruht, ist zweifelhaft, weil die Gebeine aus dem Massengrab nicht zugeordnet werden konnten.


Um die Erinnerung an eine Person der Zeitgeschichte und die damit verbundenen Ereignisse wach zu halten, gibt es viele Möglichkeiten. Selten einmal - so scheint mir - ist das auf so vielfältige Weise zweideutig ausgefallen oder misslungen wie bei den Denkmälern für Karl Liebknecht.

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Königliches Leihamt
Unauffällig schrill