Bezirke
  Straßenverzeichnis     Personen     Themen     Aktuell     Forum  
Charlottenburg-Wilmersdorf
Friedrichshain-Kreuzberg
Lichtenberg
Marzahn-Hellersdorf
Mitte
Die alte Mitte
Regierungsviertel, Hauptbahnhof und mehr
Tiergarten
Wedding
Neukölln
Pankow
Reinickendorf
Spandau
Steglitz-Zehlendorf
Tempelhof-Schöneberg
Treptow-Köpenick
Allgemein:
Startseite
Ich bin NEU hier
Hinweise
Kontakt
Impressum
Datenschutz
Links
SUCHEN
Sitemap

Freiheit bis zu den Wolken


Stadtteil: Mitte, Friedrichshain-Kreuzberg
Bereich: Alexanderplatz, Engelbecken
Stadtplanaufruf: Berlin, Magazinstraße
Datum: 16. März 2009

Vom Alexanderplatz bis zum Kottbusser Tor - das war ein langer Spaziergang. Das östlich vom Alexanderplatz zwischen Karl-Marx-Allee und der Spree gelegene Stadtquartier interessierte uns, hier verzeichnet die Denkmalliste einige historische Bauten.

Das Quartier ist zerrissen zwischen wenigen alten Bauten, einigen Hochhäusern mit frischer Farbe, unorganischen Freiflächen und viel befahrenen Durchgangsstraßen. In der Holzmarktstraße steht alles beziehungslos herum, der letzte Altbau, umgeben von einer Tankstelle, einem Auspuffservice, und den Schornsteinen des Kraftwerks Mitte im Hintergrund.

Ich denke an urbane Städte mit Wolkenkratzern, zwischen denen vereinzelt ein altes Haus steht Es ist ein anrührendes Bild mit vielen Assoziationen. Wird das kleine Haus erdrückt oder geborgen? Hat es einen erbitterten Kampf gewonnen im Verdrängungswettbewerb, ist es schlicht vergessen worden, hat man es bewusst erhalten? Ist es ein Symbol für das Zusammenleben von jung und alt oder ein erstarrter Augenblick vor dem Ende? Es ist umzingelt und hat doch gleichzeitig nach oben Freiheit bis zu den Wolken. Alt und neu nehmen hier Beziehung zueinander auf, sie stehen auf demselben Terrain, aber mit unterschiedlichen Dimensionen.

Anders ist das in dem zersiedelten Quartier, das wir gerade erforschen. Hier gab es Freiflächen um alte Bebauung herum und es hat sich das dort angesiedelt, was schnell aufgebaut ist und schnell wieder verschwinden kann. Es sind Lückenbüßer, keine Stadtlandschaften. Das ist nicht die mit dem "Planwerk Innenstadt" angestrebte Nutzungsmischung, keine Qualität von Aufenthalt, Nutzung und Gestaltung. Wenn man auf die Südseite der Holzmarktstraße schaut, dann möchte man hier bloß weg, hier wohnt man nicht, hier lebt man nicht (1).

Das Königliche Fouragemagazin gab der Magazinstraße den Namen. Fourage, das war der militärische Begriff für Pferdefutter, im Soldatenjargon auch für Verpflegung ganz allgemein. Mit dem Verschwinden der Kavallerie und der von Pferden gezogenen Geschütze war auch bald sprachlich die Fourage nicht mehr gebräuchlich. Die nicht sehr lange Magazinstraße ist in ihrem historischen Verlauf unverändert geblieben, die Bebauung besteht aus nur wenigen, aber denkmalgeschützten Häusern.

In einem Haus sind seit jeher Polizeibehörden untergebracht, früher war es die Baupolizei, heute arbeitet hier die Bußgeldstelle. Durch die bis zur halben Gebäudehöhe verwendeten Natursteinquader, die auch zur massiven Fensterumrandung eingesetzt werden, wirkt das Haus einschüchternd und wenig einladend, aber das ist ja vielleicht bei seiner Nutzung auch beabsichtigt. Daneben steht ein Gebäude mit einem in der Mitte auf voller Gebäudehöhe hervorspringenden Eingangsbereich und mit Fresken auf den vertikalen Gliederungen der Fassade, die vom Regen der Jahrzehnte verwaschen sind. Gegenüber ist ein Bürohaus mit eindrucksvoll gegliederter und geschmückter Fassade um einen Innenhof gruppiert. Es verbindet "architektonischen Glanz der Vergangenheit mit den hohen Ansprüchen eines modernen Dienstleistungszentrums", wer will, kann das Gebäude virtuell erwandern auf der Homepage des Projektbetreuers (magazinstrasse.de/flash.html).

Unser nächstes Ziel liegt in der Ifflandstraße, das Direktorenhaus einer Schule ist trotz der Kriegszerstörung der Schule erhalten geblieben. Es stammt von Hermann Blankenstein, dem Architekten der vierzehn Berliner Markthallen und des Städtischen Vieh- und Schlachthofs.

Von hier aus gehen wir über die lärmige Holzmarktstraße und die Michaelbrücke. Dort ist es ruhig, inzwischen hat sich die Dämmerung über die Stadt gelegt. Das Kraftwerk Mitte steht dort wie eine Erscheinung aus einer anderen Welt, ein mehrfach gerundeter silberner Körper, der von innen zu leuchten scheint. So schön wie seine Erscheinung ist auch seine Technik. Das kombinierte Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerk erzeugt energiesparend Strom und Wärme (Kraft-Wärme-Kopplung) und ist konsequent bei der Reinhaltung der Luft, beim Gewässerschutz und bei der Lärmvermeidung.

Die Umgebung des Kraftwerks ist 1996 parkähnlich angelegt worden, an der Spreeufer-Promenade wurden ein Aussichtsturm und beheizbare Bänken aufgestellt. Mit der modernen, ausdrucksvollen Industriearchitektur von Jochem Jourdan hat die Bewag ein wenig von der Einfallslosigkeit ihrer modernen Umspannwerkkisten (z.B. in der Stresemannstraße) wieder gutgemacht.

Auf der teilzerstörten Michaelkirche über dem Engelbecken schwebt tatsächlich in der Dunkelheit ein weißer Engel. Uns verkündet er, dass wir unser heutiges Ziel erreicht haben und nur noch ein passendes Lokal finden müssen, um den nach der langen Wanderung aufgekommenen Hunger zu besiegen.

--------------------------------------------------------------
(1) Die Holzmarktstraße haben wir uns 2018 ausführlicher angeschaut:
Die untergegangene Altstadt

Klicken Sie hier, um zur Galerie zu gelangen.

Feuchte Augen
Ich sagte: Wir möchten mit