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Der Herbststurm jagt wilde Schweine vor sich her


Stadtteil: Kreuzberg
Stadtplanaufruf: Berlin, Bergmannstraße
Datum: 25.August 2008

Auf dem Friedhof an der Bergmannstraße herrscht andächtige Ruhe, die geschäftige bunte Szene in der Straße vor dem Friedhof liegt in einer anderen Welt. Auf einer Bank inmitten des Friedhofsparks sitzt eine junge Frau und liest. In dem Kinderwagen ihr zur Seite brabbelt ein Baby vor sich hin. Ist dies ein idealer Rückzugsort, um ungestört eine stille Stunde genießen zu können? Ist es die Trauer um den Verflossenen und Hingeschiedenen, die sie hierher kommen lässt? Oder will sie ihm gar in schwarzem Humor zeigen, wie beschaulich diese Welt ohne ihn ist? Ich bin versucht, sie anzusprechen, scheue mich aber, die Intensität dieses Augenblicks zu verletzen.

Die Zeit ist hier nicht stehen geblieben, aber sie vergeht langsamer. Man flaniert an den Gräbern entlang und spürt die Genugtuung, hier schlendern zu können, während die dort unten reglos liegen müssen. Später einmal wird es umgekehrt sein, dann ist man selbst der Reglose und die anderen sind die Flaneure. Aus den Namen, Zahlen und Sprüchen auf den Grabsteinen verdichten sich persönliche Schicksale, die vertrauten Namen erinnern an Geschichte und Geschichten, die bekannten aber nicht zuzuordnenden Namen werfen Fragen auf, die im Moment nicht beantwortet werden können. Grabsteine als Mitteilungen an den Vorübergehenden, Skulpturen als Auslöser spontaner Emotionen. Das alles bleibt den Toten aus den gleichförmigen Grabsteinreihen aus Kriegzeiten versagt, wo die Zahl der Steine erschreckt, dem Einzelnen aber die Ansprache an die Nachwelt verwehrt wird.

Pyramiden, Mausoleen und Gräber wurden und werden nach unseren Vorstellungen und Phantasien gestaltet, weil sich das "danach" der eigenen Anschauung entzieht. Und so wird es auch wichtig, miteinander ruhend auf das Ende der Ewigkeit zu warten, nicht nur für Ehepaare, sondern auch für Geistesverwandte und Kampfgefährten. Auf anderen Friedhöfen liegen Hegel und Fichte in derselben Erde, Dutschke und Gollwitzer. Friedhof ist der Platz, der mit dem Leben eines Menschen am wenigsten zu tun hat, wo aber trotzdem das Gedenken nach seinem Tod seinen Ort findet. Erst wenn das Denken an einen Menschen aufhört, ist er auch für die Nachwelt gestorben (Schopenhauer).

An der Bergmannstraße liegen vier Friedhöfe (Dreifaltigkeit, Friedrichswerder, Jerusalems- und Neue Kirche, Alter Luisenstädtischer) einträchtig nebeneinander, zwar voneinander abgegrenzt aber gleichzeitig durchlässig. Bei einem späteren Friedhofsbesuch sind wir ein bisschen in vergangene Welten eingetaucht, um wie ein Friedhofsbesucher vor einem Namen zu stehen und Wissen und Erinnerung vor dem geistigen Auge vorbeiziehen zu lassen.

Ich verabschiede mich mit einem Gedicht, das Johann Wolfgang Goethe 1827 der Komponistin Fanny Hensel aus der Mendelssohn-Familie gewidmet hat:

Wenn ich mir in stiller Seele
Singe leise Lieder vor:
Wie ich fühle, daß sie fehle,
Die ich einzig auserkor.

Möcht’ ich hoffen, daß sie sänge
Was ich ihr so gern vertraut;
Ach! aus dieser Brust und Enge
Drängen frohe Lieder laut.

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