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Das Lob nicht vergessen


Stadtteil: Wilmersdorf
Bereich: Vom Heidelberger Platz zum Bundesplatz
Stadtplanaufruf: Berlin, Brabanter Straße
Datum: 2. Dezember 2019
Bericht Nr.: 679

Die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche am Breitscheidplatz mit dem achteckigen Kirchenraum und dem freistehenden Glockenturm - "Puderdose und Lippenstift", ab 1959 von Egon Eiermann erbaut - ist eine Ikone des (West-)Berliner Stadtzentrums und mit der einbezogenen Ruine des Vorgängerbaus von Franz Schwechten ein Mahnmal gegen den Krieg. Fast hätte der Neubau ganz anders ausgesehen, gab es doch heftige Auseinandersetzungen zwischen Politikern, Kirchenleuten und der Bevölkerung.

Der CDU-geführte Senat unter Walther Schreiber hatte Werner March - den Erbauer des Olympiastadions - beauftragt, die Kirche in Anlehnung an den historischen Bau von Franz Schwechten wiederherzustellen. Er wollte an den "hohlen Zahn" - den stehen gebliebenen Turmrest - ein historisierendes Kirchengebäude anbauen. March hatte bereits mit den Vorbereitungen begonnen, als die SPD unter Otto Suhr nach der Wahl 1955 die Führung der Stadtregierung übernahm und mit einem Architekturwettbewerb Egon Eiermann als neuer Kirchenarchitekt ausgewählt wurde. Er entwarf den achteckigen Kirchenraum und den freistehenden Glockenturm, musste aber nach heftigen Kontroversen auf den Abriss der Ruine verzichten und sie in seinen Entwurf integrieren. Aber das ist ein Thema, das hier nicht weiter beleuchtet werden soll. Doch wo blieb Werner March?

Vater-Unser-Kirche
Wie Eiermann baute March ab 1959 eine Kirche im Stil der Nachkriegsmoderne, die Vater-Unser-Kirche an der Detmolder Ecke Koblenzer Straße. Schaut man sich diesen Bau näher an, dann hat er dieselbe Grundform wie "Puderdose und Lippenstift" von Egon Eiermann: Ein achteckiger Kirchenraum und ein freistehender Glockenturm ("Campanile"), der Altbau des Gemeindehauses wurde in die Nachkriegsbebauung integriert.


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Das sind aber die einzigen Gemeinsamkeiten, beim Baumaterial und der Innenraumgestaltung folgt March ganz seinen eigenen Prinzipien. Der Rundbau mag an das wandernde Gottesvolk in der Wüste erinnern, das in einem nomadischen Rundzelt seine Gottesdienste feierte. Der verklinkerte Bau wirkt, als sei er an Betonbügeln aufgehängt. Tatsächlich ist es ein Betonskelettbau mit außen sichtbaren Stützen.

Gertrauden-Krankenhaus
An der Paretzer Straße wurde das katholische Gertrauden-Krankenhaus 1929 auf einem Grundstück erbaut, das mit 25.000 qm größer ist als der Lustgarten in Mitte. Dem Orden der Katharinenschwestern bot das Grundstück ausreichend Platz für einen Konvent (Kloster) und für Landwirtschaft. Dazu gehörten ein Schweinestall, ein Hühnerstall, eine Imkerei und ein großer Obst- und Gemüsegarten.

Das Krankenhaus, "ein wunderbares Werk helfender Nächstenliebe", wurde von dem Baumeister und Bauunternehmer Hermann Bunning entworfen und gebaut, der für die katholische Kirche schon viele Sakralbauten geplant und/oder errichtet hatte. Im Gegensatz zu den Zeitungen, die zur Eröffnung des Krankenhauses "die hochmoderne Architektur lobten", wird in einem architekturkritischen Aufsatz aus der Gegenwart bemängelt: "Bunnings Bau zeichnet sich weder durch eine besonders effiziente, noch anspruchsvolle Architektur aus und verzichtet auf eine Terrassierung bzw. weitgehend auch auf Balkone". Alle Patientenräume sind nach Süden ausgerichtet, die Behandlungsräume nach Norden, "wodurch sich eine langgestreckte Einfluranlage mit entsprechend langen Wegen ergibt".

Das Krankenhaus wurde inzwischen durchgreifend modernisiert. An der Schließung aufgrund des Krankenhaus-Bedarfsplans ist das Gertrauden vorbeigeschrammt. Von den Katharinenschwestern leben nur noch wenige im Konvent. In den Obst- und Gemüsegarten wurde ein Bettenhaus hineingestellt, der Rest wird als Patientengarten genutzt.

Adventistenkirche
In der Koblenzer Straße haben sich die Adventisten in den 1920er Jahren einen Kirchen- und Verwaltungsbau mit einer Fassade in mächtiger Kolossalordnung erbauen lassen, die Säulen erstrecken sich über vier Etagen. Im Gebäude im ersten Stock befindet sich der Saal mit 1.200 Plätzen.

Die Umgebung des Kranoldplatzes in Neukölln haben wir als gottesfürchtigen Ort erlebt, wir fanden dort alle 50 Meter eine Kirche und haben uns deshalb mit vielen verschiedenen Religionsgemeinschaften auseinandergesetzt. Heute können wir bei unserem Rundgang eine weitere Kirchengemeinde hinzufügen, die Adventistenkirche, genauer die Siebenten-Tags-Adventisten. Das ist eine protestantische Freikirche, eine Minderheitskirche, die sich von den Volkskirchen fern hält. Sie besteht seit rund 150 Jahren, erwartet bald die Wiederkehr (adventus) Christi und lässt die Woche nach biblischer Auslegung mit dem Sonntag statt dem Montag beginnen. Deshalb ist für sie der Sonnabend statt des Sonntags der siebente Tag, der als Ruhetag Gott gewidmet ist.

"Die letzte Posaune" wird erschallen und die Auferstehung einleiten, so steht es in der Bibel. Die Lehre von den letzten Dingen oder von der Endzeit (Eschatologie) beschäftigt seit gut 150 Jahren die Theologen. Die Zeugen Jehovas rechneten erfolglos mit dem Weltuntergang 1914, die Adventisten erwarteten Jesus am 22. Oktober 1844 auf der Erde zurück. Als das nicht eintrat, verschoben die Zeugen Jehovas zweimal den Termin. Die Adventisten deuteten ihn um und glauben, dass seit diesem Tag das Untersuchungsgericht im Himmel Buch führt über alle Gläubigen. Ein Bundesstaat in Brasilien hat den 22. Oktober sogar zum Tag der Adventisten erklärt, um deren Engagement für die Gesellschaft zu ehren. So hat der Tag auch weltliche Würdigung erfahren.

Marie-Curie-Oberschule
Aus der Frühgeschichte der heutigen Marie-Curie-Oberschule wird berichtet, dass das Wilmersdorfer Schulhaus ein baufälliges Gebäude war mit nur einem Raum, in dem die Familie des Schulmeisters wohnte, kochte, schlief und in dem zur Schulzeit 15-20 Kinder unterrichtet wurden. Laut Schulakten ein "höchst erbärmlicher Zustand", marode Schulen hat es also schon früher gegeben. Nach mehreren Zwischenstationen wurde während des Ersten Weltkriegs ein neues Schulgebäude auf dem fast 6.000 qm großen Eckgrundstück Weimarische Ecke Mainzer Straße bezogen.

Für den Schulbetrieb zeichnete sich ein Ende ab der Epoche mit würdig begangenen Regierungsjubiläen, Majestätsgeburtstagen, Turnvater-Jahn-Feiern, Frühlings- und Herbstparaden und Gedenktagen an siegreiche preußische Schlachten. Während des Krieges folgten die Lehrer "dem Ruf der Fahne" und die Lehrerinnen hatten vormittags Schule, nachmittags Lazarettdienst, sie strickten für die Soldaten und für die Kinder aus armen Familien.

Das Schulgebäude wurde 1913 von dem Wilmersdorfer Gemeindebaurat Otto Herrnring erbaut. Sein Werk umfasste mehr als zehn Schulen, darunter den auf der Weltausstellung 1904 gezeigten "Schulpalast" an der Uhlandstraße. Auf unserem heutigen Rundgang sehen wir noch eine weitere von ihm erbaute Schule in der Koblenzer Straße.

Birger-Forell-Grundschule
Während das Schulgebäude an der Weimarischen Straße klassizistischen Bildern folgt, ist die Birger-Forell-Schule in der parallel verlaufenden Koblenzer Straße ein ungewöhnlich reich geschmückter Bau. Die rote Backsteinfassade wird durch grob behauenen Werkstein verziert, der in Bahnen und Mustern zwischen den Backsteinen kräftige Ornamente bildet. Ein Material, das an Renaissancebauten erinnert.


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Über den getrennten Portalen für Knaben und Mädchen wölbt sich die Fassade mit Erkern vor, die von Türmchen bekrönt sind. Der aus einer Dreiecksform abgeleitete Giebel zeigt die drei Lilien aus dem Wilmersdorfer Bezirkswappen.

Die Fassade enthält eine verschlüsselte Botschaft an den Mauerankern: Mithilfe von Mauerankern werden Außenwände durch den Bau hindurch miteinander verbunden, damit sie nicht durch Zugkräfte auseinandergedrückt werden können. Die auf der Fassade sichtbaren Enden werden oft kunstvoll verziert. Auf der Schulfassade sind es verschnörkelte Buchstaben, die man im Vorbeigehen übersehen könnte. Bei näherem Hinsehen ergeben sie einen Sinnspruch: ERST PROBS - DANN LOBS. Das etwas holprige Deutsch ist der Zahl der Maueranker geschuldet, aber der Hinweis ist sinnvoll, das Loben in der Schule nicht zu vergessen.

Garagenanlage Weimarische Straße
Der Wohnblock, der von der Weimarischen Straße zur Mainzer Straße herumführt, enthält eine bauliche Erinnerung an die Anfänge der Automobilisierung: Eine Garagenanlage, die in ein Wohnhaus integriert ist und sich vom Kellergeschoss bis unter den Innenhof fortsetzt. Ein- und Ausfahrt an der Weimarischen Straße machen mit einem vorspringenden Pultdach auf sich aufmerksam.


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Ein Straßenkarree weiter nördlich gab es im "Schrammblock" eine der ersten unterirdischen Großgaragen Berlins. Sie entstand in den 1920er Jahren und man kann davon ausgehen, dass die Wohnanlage an der Weimarischen nicht wesentlich später erbaut wurde.

In der Zwischenkriegszeit entwickelten sich Automobile zu Gebrauchsgegenständen für wohlhabende Bürger, denn nur die Oberschicht konnte sich die hohen Anschaffungs- und Unterhaltungskosten leisten. Die Automobile waren kompliziert, unzuverlässig und witterungsempfindlich. In Garagen mussten sie nicht nur sicher verwahrt werden, sondern brauchten auch eine Rundumbetreuung mit Pflege, Wartung, Reparatur und Kraftstoff.

Mehrere hundert Garagenanlagen unterschiedlicher Größenordnung soll es in den 1920er Jahren in Berlin gegeben haben. Es waren Aufenthaltsorte für die Automobile in verschlossenen Boxen. Für die Monatsmiete mancher Garagen hätte man eine Zweizimmerwohnung bekommen.

Finanzamt Wilmersdorf
Drei Finanzämter, die der Architekt Fritz Hambrock zeitgleich 1930 in Berlin entworfen hat, sind zu Denkmalen erklärt worden. Die Grundstücke waren im Privateigentum, gebaut wurde mit einem privaten Bauunternehmen. Die Angaben sind etwas lückenhaft, aber wahrscheinlich war es derselbe Fabrikant, der alle drei Finanzämter von derselben Baugesellschaft erstellen ließ. Das ist ungewöhnlich, weil das Landesfinanzamt regelmäßig selbst alles in die Hand nahm und nicht auf eine Public-Private-Partnership zurückgreifen musste.

Ungewöhnlich ist auch, dass zwei der drei Finanzämter außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs angesiedelt wurden: Im Prenzlauer Berg war es das Finanzamt Andreas, das für Friedrichshain zuständig war, in der Lichterfelder Drakestraße das Finanzamt Zehlendorf. Und das, obwohl Zuständigkeit im Verwaltungshandeln eine zentrale Rolle spielt. Dagegen steht das Gebäude des (ehemaligen) Wilmersdorfer Finanzamts in der Brabanter Straße an der richtigen Stelle, knapp 500 Meter von der Wilhelmsaue - der Wilmersdorfer Dorfaue - entfernt. Das Finanzamt selbst ist inzwischen in das aufgegebene Albrecht-Achilles-Krankenhaus umgezogen.

Stadtbad Wilmersdorf
Im Wilmersdorfer Stadtbad - 1960 vom Bezirksamt erbaut - war früher und ist vielleicht noch heute strenges Bahnenschwimmen angesagt. Zwei Bahnen Sportschwimmer, eine Bahn Rückenschwimmer. Morgens um sieben kamen die älteren Beamten und Angestellten, um sich für den Tag fit zu schwimmen. Inzwischen wurde das Stadtbad um zwei finnische und eine Bio-Sauna sowie ein Russisch-Römisches Dampfbad ergänzt.



Das griechische Restaurant Alas bittet uns heute zum Flaniermahl. Kleine Häppchen wie bei den Spanischen Tapas stellen wir uns selbst zusammen und sind zufrieden mit Retsina und Bier. In dem heute besuchten Kiez gibt es noch einen zweiten Griechen, warum hatte ich einmal das Fehlen griechischer Lokale beklagt? Ich nehme es zurück und freue mich über das gelungene mediterrane Flaniermahl.
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Unsere Route:
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Atelier für zwei Bildhauer mit Staatsaufträgen
Rosen in der Wendeschleife