Bezirke
  Straßenverzeichnis     Personen     Themen     Aktuell     Forum  
Charlottenburg-Wilmersdorf
Friedrichshain-Kreuzberg
Lichtenberg
Marzahn-Hellersdorf
Mitte
Neukölln
Pankow
Reinickendorf
Spandau
Steglitz-Zehlendorf
Tempelhof-Schöneberg
Treptow-Köpenick
Allgemein:
Startseite
Ich bin NEU hier
Hinweise
Kontakt
Impressum
Datenschutz
Links
SUCHEN
Sitemap

Glück im Winkel


Stadtteil: Dahlem
Bereich: Dahlem-Dorf bis Breitenbachplatz
Stadtplanaufruf: Berlin, Im Winkel
Datum: 27. Dezember 2023
Bericht Nr.:825

Ein Phantasiegebilde
Zwischen den U-Bahnhöfen Dahlem-Dorf und Breitenbachplatz führt unsere Route heute durch Dahlem. Aus dem reetgedeckten Fachwerkgebäude des Bahnhofs Dahlem-Dorf kommt man über einen Vorplatz zur Königin-Luise-Straße. Mit dem dörflichen Ambiente wurde 1913 ein Wunsch von Kaiser Wilhelm zwo erfüllt, man schuf ihm zuliebe eine Fiktion, ein Phantasiegebilde: Es gilt bis heute als das schönste U-Bahngebäude Berlins, aber als der Bau errichtet wurde, war das Dorf Dahlem längst Vergangenheit. Folgerichtig wurde schon 1906 die Dorfstraße in Königin-Luise-Straße umbenannt.

Auf dem Bahnsteig ist ein künstlerischer Hinweis auf das damals nahe gelegene Ethnologische Museum zu finden. Der Holzbildhauer Wolf van Roy hat in den 1980er Jahren eine Sitzbank in Anlehnung an westafrikanische Ahnenstatuen geschaffen. Auf den beiden äußeren Sitzen kann man sich an hölzerne Brüste anlehnen. Der mittlere Platz eignet sich weniger zum Ausruhen, ein hölzerner Penis nimmt einen Teil der Sitzfläche ein.


mit KLICK vergrößern

Das Dorf wird ausgelagert, das Gut geteilt
Die Dahlemer Bauern waren 1802 vom damaligen Gutsherrn nach Schmargendorf und Wilmersdorf umgesiedelt worden, um den Wert des Gutes zu steigern. Dahlem wurde damit vom Dorf zur reinen Gutssiedlung. Landarbeiter waren beim Gut angestellt, das Gutshaus wurde nicht mehr von seinen Besitzern bewohnt. 1841 erwarb der preußische Fiskus das Gut Dahlem, es wurde zur Staatsdomäne.

Um die Jahrhundertwende 1900 bereitete eine Königliche Kommission die Aufteilung der Domäne vor. Der Botanische Garten wurde auf dem Gutsgelände angelegt, die übrigen Flächen parzelliert. Ein Teil des Geländes sollte öffentliche Bauten der Wissenschaft und Forschung (ein "deutsches Oxford") aufnehmen. Der verkleinerte Wirtschaftsbetrieb um das Herrenhaus blieb bis heute als "Domäne Dahlem" erhalten.

Villen, Universitäten und Museen
Auf den parzellierten Grundstücken wurden Villen gebaut und Mehrfamilienhäuser als Mietvillen. Dahlem entwickelte sich bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs zu einer vornehmen Kolonie. Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft errichtete ab 1912 Institutsbauten in Dahlem. Es entstand ein Wissenschaftscampus für die Grundlagenforschung als außeruniversitäre Einrichtung. Heute ist das Villenviertel durchsetzt von Bauten der Universitäten - vor allem der Freien Universität - und von Museen.

Das Museum für Völkerkunde sollte in Dahlem entstehen, nur ein Gebäude davon wurde bis 1923 fertig. Erst durch die Insellage West-Berlins wurde die Idee eines Museumsstandorts wieder aufgenommen, mehrere Abteilungen des Völkerkunde-Museums und Sammlungen für Gemälde, Skulpturen und Kupferstich zogen in Neubauten in Dahlem. Nach der Wende sind große Teile zur Museumsinsel und zu Neubauten am Kulturforum gewandert.

Freie Universität
Als 1948 der politische Druck auf die Studenten und Professoren der Ost-Berliner Universität unerträglich zunahm, wurde mit der Gründung der Freien Universität in West-Berlin die Idee eines Universitätscampus in Dahlem wieder aufgenommen. In die Gebäude der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und in leerstehende Villen zogen Institute der Freien Universität ein, nach und nach wurde der Campus mit Neubauten erweitert.

Kreative Mathematiker
Mathematiker können Probleme lösen, die anderen Menschen völlig fremd sind. Dazu brauchen die Wissenschaftler Phantasie, die Grenzen sprengt, denn "Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind" (Albert Einstein). Bisher gibt es in der Mathematik seit Jahrzehnten sechs ungelöste Aufgaben (Probleme, Vermutungen, Gleichungen), für deren Lösung inzwischen ein Preisgeld von je 1 Mio. $ ausgelobt ist. Beispielsweise die Suche nach Gleichungen, die Strömungen mit Wirbeln und Turbulenzen mathematisch exakt beschreiben können (Navier-Stokes-Gleichungen, das Problem wurde 1822 erstmalig formuliert).

Dass die Mathematiker - herausgefordert in ihrer Kreativität - einen kleinen Schabernack mit der Hausnummer 3 ihres Instituts in der Arnimallee treiben, ist angesichts der streng logischen Wissenschaft ein Glanzpunkt.

Am Institutsgebäude windet sich hinter der Hausnummer 3 eine unendliche Zahlenfolge um die Hauswand. Die Hausnummer wurde zur Zahl Pi mit 3,145926535…. aufgestockt, die mit rund 90 Nachkommastellen die Hausfront füllt, bis sie zur Seitenwand abknickt und gedanklich ihren Weg in die Unendlichkeit fortsetzt.


mit KLICK vergrößern

Die Zahl Pi (Kreisumfang geteilt durch Kreisdurchmesser) wird auch Ludolphsche Zahl genannt nach dem Mathematiker, der 1596 die ersten 35 Dezimalstellen ausgerechnet hatte. Dreißig Jahre hat er dazu gebraucht, zum Schluss wurde sie ihm auf seinen Grabstein gemeißelt. Heute sind mehrere Billionen Nachkommastellen bekannt.

St.-Bernhard-Kirche
Entlang der Königin-Luise-Straße und ihrer Querstraßen treffen wir auf dieses Konglomerat von Bauten aus unterschiedlichen Epochen und mit unterschiedlicher Bestimmung. Auch eine Kirche liegt am Weg. In den 1930er Jahren bekam die Katholische Kirche in Berlin neues Selbstbewusstsein durch die Ausweisung eines Bischofssitzes und den Bau der Hedwig-Kathedrale. Weitere katholische Kirchenbauten in diesem Kontext entstanden in Kaulsdorf - St. Martin-Kirche - und hier in Dahlem.

Geradlinig ragt der Turm der St.-Bernhard-Kirche in der Königin Luise-Straße in die Höhe. In einer Aussparung des Turms in erhabener Höhe steht die weiße Figur von Bernhard von Clairvaux, dem Schutzheiligen der Kirche. Die Bibel in einer Hand, drei Finger der anderen Hand himmelwärts ausgestreckt, sie verweisen auf die Heilige Dreifaltigkeit. Als weiterer Schmuck am Turm zeigen vier Außenlampen in symbolischer Darstellung die vier Evangelisten als Mensch (Matthäus), Adler (Johannes), Löwe (Markus) und Stier (Lukas).


mit KLICK vergrößern

Die Kunstwerke hat Otto Hitzberger gestaltet, der Holz- und Steinbildhauerei an der Berliner Kunsthochschule unterrichtete. Er schuf "Kunst voller Lebenskraft und Weisheit", vor allem zu religiösen Themen. Gelobt wurde seine Begabung, "vollendete Silhouetten zu schaffen mit dem Verständnis für Licht und Farbe und ihren Einfluss auf die Form der Skulptur".

Erbaut hat die Kirche der Architekt Wilhelm Fahlbusch: Ein kubisches Backsteingebäude im Stil der Neuen Sachlichkeit. Mit seiner Materialität und seinem mächtigen Volumen nimmt es die Kirchenbautradition des märkischen Umlandes auf. Fahlbusch hat auch den ersten expressionistischer Kirchenbau von Berlin geschaffen, die katholische Kirche St. Michael in Wannsee.

Wohnhaus "Glück im Winkel"
Nur eine Querstraße von der Kirche entfernt baute Wilhelm Fahlbusch das Wohnhaus für seine achtköpfige Familie in der Straße "Im Winkel". Der Backsteinkubus mit klaren Bauformen nennt sich "Glück im Winkel". Wie bei der Kirche hat auch hier der Bildhauer Otto Hitzberger für markante gestalterische Details gesorgt. Das mit Backsteinen aus der Fassade herausspringende Kreuz ist ein Hinweis auf Fahlbuschs Tätigkeit als Diözesanbaurat.

Wohnhaus mit 10 Läden
Ein "Wohnhaus mit Ladenzone" an der Königin-Luise-Straße Ecke Takustraße betont den neuen Charakter der Königin-Luise-Straße als städtischer Ortskern, der ansonsten durch niedrige Geschäftshäuser mit Läden und Gaststätten geprägt ist. Das zweigeschossige Eckgebäude mit hohem Walmdach bildet mit seiner konkav eingezogenen Stirnseite einen kleinen Vorplatz. Der Friedenauer Baumeister Hans Altmann schuf einen Bau mit zwei einander zustrebenden Flügeln, in dem ursprünglich waren zehn Läden untergebracht waren.


mit KLICK vergrößern

Im Dreieck von Englerallee und Podbielskiallee setzen wir unseren Spaziergang fort. Die Drygalskistraße wird an ihrem westlichen Ende zur Peter-Lenné-Straße vom Gebäudekomplex der Iranischen Botschaft beherrscht, einem weißen Klotz wie ein Weltraumbahnhof, einem Fremdkörper, der jegliche Rücksicht auf die umgebende Villensiedlung vermissen lässt.

Der Archäologe Theodor Wiegand
Nicht schlicht, aber der Umgebung würdig, zeigt sich der gegenüberliegende zwei Grundstücke umfassende Bau, in dem das Archäologische Institut residiert. Peter Behrens, der Industriedesigner, dessen sachliche Bauten den Geist einer neuen Zeit ausstrahlen, hat die für sein Werk ungewöhnliche neoklassizistische Villa für den Archäologen Theodor Wiegand erbaut. Von der Peter-Lenné-Straße sichtbar ist ein Peristyl, ein säulenumstandener Innenhof nach griechischem Vorbild.


mit KLICK vergrößern

So ein Lebenslauf war nur in einer Epoche möglich, als Ausgrabungen antiker Stätten ein Abenteuer waren, das die Menschen faszinierte. Internationale Regeln bildeten sich erst nach und nach, die beteiligten Länder rangen um die Funde, um sie mit in ihre Heimat zu bringen. Der Archäologe Theodor Wiegand war an Ausgrabungen auf der Akropolis von Athen beteiligt, hat das "griechische Pompeji" Priene in Kleinasien ausgegraben, brachte das Markttor von Milet in das Pergamonmuseum, und das waren nur einige seiner Ausgrabungen. Fast überflüssig zu erwähnen die Zahl seiner Ehrungen. Zum Schluss leitete er die Antikenabteilung der Berliner Museen und war für den Aufbau des Pergamonmuseums verantwortlich.

Wassili Luckhardt
Zusammen mit seinem Bruder hat der Architekt Wassili Luckhardt die "Versuchssiedlung Schorlemer Allee" gebaut, die mit kubisch gestaffelten Baukörpern, Flachdach, Stahlskelett- und Stahlbetonbau aus vorgefertigten Bauteilen zur Architektur der Neuen Sachlichkeit gehört. Vor allem Wohnbauten, aber auch Geschäftshäuser verbinden sich mit ihrem Namen.

In den 1960er Jahren hat Wassili Luckhardt zwei Institutsbauten für die Freie Universität errichtet, eins davon für das Institut der Mikrobiologen in der Königin-Luise-Straße. Über dem Sockelgeschoss schiebt sich ein zweigeschossiger Baukörper weit über die Fassade des Sockels hinaus und scheint dadurch zu schweben.


mit KLICK vergrößern

Kupferhaus
Vorbei am Gustav-Mahler-Platz, der parkartig um ein Regenrückhaltebecken angelegt ist, und denkmalgeschützten Villen kommen wir zur Schorlemer Allee, die mit einem der acht Berliner Kupferhäuser eine besondere Attraktion bereithält. Fassade und Dach bestehen vollständig aus Kupfer. Innen sind Kupferhäuser mit "Wohnmetall" verkleidet, Platten aus geprägtem Stahlblech. Elektroinstallationen, Sanitäranlagen und Zentralheizung befinden sich bereits in den Bauelementen, auch Einbauschränke und eine komplette Küche sind integriert. Selbst die Tapeten waren bereits als Relief in Nilgrün, Pastellblau oder Korallenrot auf dem Stahlblech aufgetragen.

Am Breitenbachplatz finden wir den richtigen Ort für eine Rast mit Kaffee und Kuchen, um von dort wieder mit derselben U-Bahnlinie zurückzufahren. Die Station ist nach dem Eisenbahndirektor Paul von Breitenbach benannt. Wandbilder ihm Bahnhof ehren seinen Einsatz für den U-Bahnbau.
--------------------------------------------------------------

Hierzu gibt es einen Forumsbeitrag:
Dahlem, Königin-Luise-Straße (27.12.2023)
--------------------------------------------------------------

--------------------------------------------------------------
Unsere Route:
--------------------------------------------------------------

zum Vergrößern ANKLICKEN



Mänaden tanzen auf der Fassade