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Amerikanische Vorbilder


Stadtteil: Zehlendorf
Bereich: Dahlem
Stadtplanaufruf: Berlin, Thielallee
Datum: 5. November 2012


Alliierte Kommandantur
An der Kaiserswerther Straße Ecke Thielallee steht das von Heinrich Straumer erbaute Verbandshaus der Feuerversicherungen. Dieser Bau in einer gelungenen Mischung aus Expressionismus, Art Déco und Neuem Bauen hat Nachkriegsgeschichte geschrieben, von hier aus regierten die Alliierten das Nachkriegs-Berlin. Mit dem Alliierte Kontrollrat - der einen Monat nach Kriegsende im Köpenicker Ortsteil Wendenschloss gegründet wurde - übernahmen die vier Siegermächte die Regierungsgewalt im besiegten Deutschland. Berlin wurde in vier Sektoren geteilt. Da die Franzosen erst nachträglich in den Kreis der Alliierten einbezogen wurden, sind die vier Sektoren Berlins ungleich groß. Großbritannien hatte aus seinem Sektor die Bezirke Wedding und Reinickendorf an die Franzosen abgetreten und behielt danach vier Bezirke. Zur amerikanischen Zone gehörten sechs, zur sowjetischen Zone sogar acht Bezirke, darunter auch das alte Stadtzentrum Berlin-Mitte.

Die Alliierte Kommandantur als Verwaltungsbehörde für Berlin zog in die Villa der Feuerversicherung in Dahlem ein. Allerdings war es mit der Gemeinsamkeit der vier Sieger schon nach drei Jahren vorbei. Der Kalte Krieg hatte eingesetzt, Ost und West hatten unterschiedliche Vorstellungen, wie man Deutschland demokratisieren sollte. Im Frühjahr 1948 hatten die Westmächte die Gründung eines westdeutschen Teilstaates vorbereitet ("Londoner Empfehlungen"), gleichzeitig hatte die Ost-Berliner SED auf mehreren „Deutschen Volkskongressen“ ihre eigenen Vorstellungen einer gesamtdeutschen Regierung propagiert. In der Alliierten Kommandantur kam es zur Konfrontation, im Juni 1948 zog die sowjetische Seite ihren Vertreter aus dem gemeinsamen Gremium zurück. Jetzt waren nur noch die drei Westmächte in der Kommandantur vertreten, und ihre Macht erstreckte sich faktisch nur auf die drei Westsektoren. Nur in einer einzigen alliierten Institution arbeiteten Ost und West gemeinsam unbeirrt bis zur Wende weiter: der Alliierten Luftsicherheitszentrale im Kammergericht im Kleistpark (--> 1), die für die Flüge in den Berliner Luftkorridoren zuständig war (und für das Kriegsverbrechergefängnis in Spandau).

Freie Universität
Ost und West gerieten jetzt in allen Lebensbereichen aneinander. Im Juni 1948 begann die Berliner Blockade, mit der Sperrung der Grenzen durch die sowjetische Besatzungsmacht wurde Berlin von Westdeutschland abgeschnitten. In der Humboldt-Universität lief ein Gleichschaltungsprozess, unliebsame "bürgerliche" Professoren wurden entfernt, Studenten wurden verfolgt, sie konnten ihre Vertreter nicht mehr frei wählen. Der Tagesspiegel schrieb: "Universitas oder Parteihochschule?". Mit Genehmigung und Unterstützung der amerikanischen Besatzungsmacht und des Berliner Magistrats gründeten engagierte Studenten und Professoren die Freie Universität, im Titania-Palast in Steglitz fand im Dezember 1948 die feierliche Gründungsversammlung statt. Auch die Amerikaner verfolgten natürlich ideologische Ziele, sie wollten Deutschland nach ihrer Vorstellung demokratisieren, die Erziehung und Bildung der jungen Generation war dafür besonders geeignet. Das zeigte sich in den Studentendörfern, die die Amerikaner finanzierten (--> 2) und in den Neubauten der Freien Universität, die in ihrer lockeren Pavillonbauweise den weiträumigen amerikanischen Campus nachbildeten.

Der Henry-Ford-Bau mit dem Audimax und der Bibliothek wurde 1954 zum städtebaulichen und architektonischen Mittelpunkt des Campus. Von der Garystraße aus sieht man auf die rhythmisierten Pfeiler und das auskragende Flachdach, von der östlichen Campusseite aus macht eine ausgedehnte Glasfläche den Bau transparent. Das Foyer ist licht und hell, Treppen schweben zur Galerie empor, seitliche Säulen deuten zurückhaltend an, dass die große Halle das architektonische Prinzip von Stütze und Last nicht außer Kraft setzen konnte. Die amerikanische Ford-Foundation bezahlte sieben oder acht Millionen Mark für das Bauwerk, das die Berliner Architekten Sobotka/Müller gelungen an die umgebende Landschaft angepasst haben, so dass trotz 18.000 qm Gesamtfläche kein Monumentalbau entstanden ist.

John F. Kennedy redete hier 1963. 1966 begannen die Teach-ins, Sit-ins, Go-ins und Vollversammlungen der "1968er" Studenten. Rudi Dutschke, Horst Mahler als Linksanwalt, Klaus Schütz als Ablösung für Heinrich Albertz nach dem Tod von Benno Ohnesorg - wer in jener Umbruchzeit hier studiert hat, hat sie alle im Audimax erlebt. Im Foyer des Henry-Ford-Baus hängt eine Wolke von Fotos der Menschen, die mit der FU prominent zu tun hatten, die meisten Gesichter kennen wir.

Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft
Die Freie Universität begann ihren Lehrbetrieb 1948 in mehreren alten Gebäuden, die zum Wissenschaftscampus der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft gehört hatten. Deren naturwissenschaftlichen Forschungsinstitute sollten seit 1911 außerhalb der Universitäten ohne Lehrverpflichtung eine zweckfreie Grundlagenforschung "um der Erkenntnis willen" ermöglichen. Um die erheblichen Mittel für Einrichtung und laufenden Betrieb aufzubringen, folgte man der Idee der „Rockefeller Foundation", Spenden und Mitgliedschaften der Wirtschaft einzuwerben. Welche Duplizität der Ereignisse - Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und Freie Universität orientieren sich beide an amerikanischen Vorbildern.

Otto Hahn und Lise Meitner zogen mit ihrem Institut vom Charité-Gelände Hessische Straße zur Thielallee 63, dort übernahmen sie im Institut für Chemie die Abteilung für Radioaktivität. 1938 entdeckte Otto Hahn gemeinsam mit Fritz Straßmann einen Prozess, dem Lise Meitner den Namen "Kernspaltung" gab. Auf einem banalen Arbeitstisch mit ein paar Röhren und Schaltern - so wird die Versuchsanordnung bebildert - begann das Atomzeitalter. Die wissenschaftliche Arbeit auf den Gebieten Chemie, Biologie und Physik wurden mit vielen Nobelpreisen geehrt (Max von der Laue, Fritz Haber, Max Planck, Albert Einstein, Otto Warburg, Werner Heisenberg, Otto Hahn). Aber die Forschung blieb nicht wertfrei, Psychiatrie, Erblehre, Eugenik, Hirnforschung wurden für die Rassenideologie der Nationalsozialisten missbraucht, Physik und Chemie forschten für die Kriegwirtschaft. Auf Fritz Haber geht bereits im Ersten Weltkrieg der Einsatz von Giftgas als Kampfstoff zurück. Seine Frau erschoss sich aus Gewissensgründen nach dem ersten Einsatz von Kampfgas. Während Fritz Haber meinte, durch Giftgas seien "unzählige Menschenleben zu retten, wenn der Krieg auf diese Weise schneller beendet werde", wurde Otto Hahn in seinen späten Jahren zum entschiedenen Gegner von Kernwaffen und zum Friedensaktivisten.

Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft ging mit dem Zweiten Weltkrieg unter, an ihrer Stelle übernahm die Max-Planck-Gesellschaft die Wissenschaftsförderung und Grundlagenforschung in unabhängigen Forschungsinstituten. Auch mit dem Logo wird an die Vorgängergesellschaft angeknüpft, beide verwenden den Kopf der Minerva als Emblem, wenn auch in unterschiedlicher Darstellung. Die römische Göttin der Weisheit ist eine intellektuelle Hüterin des Wissens und damit auch in demokratischen Zeiten als Patin unverdächtig.

Das Institutsgebäude für Chemie wird beschrieben als "Übergangsstil der italienischen Spätrenaissance zum Barock, mit einem an französische Wasserschlösser erinnernden Eckturm, der Eingangsbereich in der Manier Palladios", damit sei die staatstragende Bedeutung hinreichend verkörpert worden. Weitere Institutsbauten der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft - meist von Ernst von Ihne entworfen - stehen an der Thielallee und am Faradayweg, sie werden heute von der Max-Planck-Gesellschaft oder der Freien Universität genutzt. Ihne war Hofbaumeister der beiden letzten Kaiser, seine Bauten beziehen ältere Stilrichtungen (Renaissance, Barock, Klassizismus) in die aktuelle Architektur ein, ein zeittypischer Rückgriff, der als Historismus bezeichnet wird.

Siedlung Thieleck
Die Thielallee wurde auf dem Gebiet der ehemaligen königlichen Domäne Dahlem 1904 zu einer breiten Promenade mit Reitweg in der Mitte ausgebaut. Es gibt mehrere Grünanlagen wie den Thiel- und Triestpark. An der Ecke Unter den Eichen setzt die Thielecksiedlung einen markanten Startpunkt für die Thielallee, in den 1920er Jahren von der Stadt Berlin als weiträumige Wohnraumsiedlung für Beamte höherer Besoldungsgruppen errichtet. 88 Einfamilienhäuser enthalten bis zu sechseinhalb Zimmer auf 250 Quadratmetern Wohnfläche mit Hausgärten, die Mehrfamilienhäuser bis zu fünfeinhalb Zimmern auf 160 Quadratmeter Wohnfläche mit grünen Innenhöfen - ein deutlicher Kontrast zu den gemeinnützigen Kleinhaussiedlungen jener Zeit. Bruchsteinsockel, Sprossenfenster, Walmdächer, Klappläden betonen den konservativen Charakter, Dreiecksgauben und gezackte Aufdoppelungen der Eingangstüren geben einen expressionistischen Touch. Die Denkmalpflege hat einen umfangsreichen Katalog von Erhaltungsauflagen veröffentlicht, um den oft zerstörerischen Modernisierungsanwandlungen der Nutzer historischer Siedlungen Einhalt zu gebieten.

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(1) Alliierter Kontrollrat im Kleistpark: Verschiebebahnhof
(2) Amerikaner erziehen deutsche Studenten zur Demokratie: Kiefern und Heidegestrüpp


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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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... Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft ...
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Heilstätten ohne Zukunft
Deutscher und amerikanischer Heimatstil