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Ein guter Deutscher


Stadtteil: Spandau
Bereich: Siemensstadt
Stadtplanaufruf: Berlin, Rohrdamm
Datum: 11. Mai 2015
Bericht Nr: 506

Werner von Siemens hat im Laufe seines Lebens ein gewaltiges Unternehmen der Elektroindustrie aufgebaut, es wurde zum Inbegriff der "Elektropolis". Auf diesem sehr erfolgreichen Weg hat er sich allerdings eine Fehleinschätzung geleistet: Er lehnte Werbung ab. Seine Nachfolger beendeten die Entwicklung von Automobilen mit Elektroantrieb, vielleicht war auch das eine falsche Entscheidung.

"Reklame durch Worte" fand Siemens unwürdig, seine Produkte sprächen für sich. "Wer das Beste liefert, bleibt schließlich oben", schrieb er. Nicht einmal Plakat- oder Anzeigenwerbung gab es zu seinen Lebzeiten. Mehrere Jahre nach seinem Tod, als für das Konkurrenzunternehmen AEG bereits Peter Behrens das Design der gesamten Außendarstellung (corporate identity) von der Kaffeekanne über den Briefbogen bis zum Fabrikgebäude gestaltete, da fing das Unternehmen Siemens bescheiden damit an, ein Firmenlogo eintragen zu lassen. Nur die klare Vormachtstellung von Siemens bei den Produkten der Elektroindustrie konnte damals verhindern, dass das Unterlassen von Marketingmaßnahmen Schaden anrichtet, denn es gab zunehmend weitere Konkurrenten.

Automobile mit Elektroantrieb - wo könnte Siemens heute im Zeitalter der Elektromobilität stehen, wenn nicht die Entwicklung von Kraftfahrzeugen mit Elektroantrieb nach einigen Jahren wieder aufgegeben worden wäre. Auf dem Kurfürstendamm fuhr 1882 der erste elektrische Oberleitungsbus der Welt - Siemens hatte hier eine Versuchsstrecke eingerichtet.

Ein paar Jahre später produzierten die Siemens-Schuckertwerke die "Schuckert-Droschke" - einen Pferdewagen ohne Pferd, mit einer Batterie unter dem Wagenkasten als Antrieb. Es folgte die Stadtdroschke Type B, bei der der Akku zwischen den Vorderrädern stand (dort wo Benzinautos ihren Kühler haben). Fuhrbetriebe und Omnibusbetriebe nutzten die Elektro-LKWs, doch die Elektro-PKWs waren wegen ihres geringen Aktionsradius' von 70 km nicht wirtschaftlich - das ist bis heute ein Problem.



In dem Siemens-Automobilwerk an der Motardstraße wurde daher die Produktion von Elektromobilen auf Benzinkutschen umgestellt. Auch hybride Systeme mit beiden Antrieben wurden produziert - wie modern. Bei einem Autorennen rund um die Welt kam ein Deutscher 1908 nach einem halben Jahr als erster ins Ziel mit einem Wagen des Herstellers "Protos". Siemens kaufte die Protos-Werke und produzierte seitdem Autos der Marke Protos. Im Jahr 1926 beendete Siemens das Thema Autobau. Die Automobilfabrik NAG der AEG übernahm die Produktion.

Der Tagesspiegel hat am Askanischen Platz das ehemalige erste Verwaltungsgebäude von Siemens bezogen. Nebenan in einem Hinterhaus an der Schöneberger Straße hatte Siemens & Halske 1847 eine Telegraphen-Bauanstalt gegründet und bereits vier Jahre später die expandierende Fertigung für die Nachrichtentechnik zur nahe liegenden Markgrafenstraße verlegt. Es folgten als "Gebr. Siemens & Co" Fabrikbauten für die Starkstromtechnik (Straßenbeleuchtung, Kabelwerk) am Salzufer und an der Franklinstraße und für die Elektrokohle in Lichtenberg. Innerhalb von 50 Jahren hatte Siemens durch die rasante Entwicklung der Elektroindustrie Weltgeltung erlangt und begann nun wegen Platzmangels, einen neuen Standort auf den Nonnenwiesen zwischen Spandau und Charlottenburg zu entwickeln.

Das reiche bürgerliche Charlottenburg und die nicht begüterte Festungsstadt Spandau rangen miteinander, wohin das neue Quartier Siemensstadt gehören sollte. Spandau bekam den Zuschlag, aber Charlottenburg kassierte für die Straßen- und Verkehrsverbindungen bei Siemens kräftig ab. Die Bahnhöfe Westend und Jungfernheide lagen weitab, die Arbeiter mussten lange unbequeme Wege über schlammige Straßen zurücklegen. Die Spree konnte nur mit der Fähre überquert werden, bis Siemens 1905 nächstens heimlich eine Brücke übers Wasser schob. Die Befestigung von Nonnendammallee und Siemensdamm bezahlte Siemens, genau wie den Bahnhof Fürstenbrunner Weg, die Straßenbahnen nach Berlin und Spandau, die S-Bahn nach Gartenfeld und den Brückenschlag über die Spree.

Siemens hat eine Unternehmensgeschichte, wie es sie heute kaum noch ein zweites Mal gibt: Vom Familienunternehmen zur Aktiengesellschaft, die ihre Selbstständigkeit bis heute bewahrt hat. Nicht zerschlagen wie die AEG, nicht einem anderen Konzern einverleibt wie Borsig und Bergmann, nicht pleite gegangen wie der Eisenbahnkönig Strousberg. Die Elektrotechnik ist von der Gründung bis heute eines ihrer Geschäftsfelder, ein Teil der Produktion ist im Inland - sogar in Berlin - verblieben. Werner von Siemens hatte in der Technik die Nase vorn - Zeiger-Telegraf für die Kommunikation über lange Strecken, elektrischer Generator (Dynamomaschine), erste Straßenbahn ("Elektrische") in Lichterfelde, elektrisch betriebener Fahrstuhl, Luftschiffe in Biesdorf, U-Bahn und Hochbahn in Berlin. Und er hatte einen Cousin bei der Deutschen Bank, Georg von Siemens, der die Gründung seiner Aktiengesellschaft organisierte, ohne die das Kapital für die gewaltige Expansion des Unternehmens nicht beschafft werden konnte. Und auch politisch hat Werner von Siemens vorgesorgt, er hat das Reichspatentgesetz mit verfasst, das den Urheber einer Erfindung vor Nachahmung schützt.

Der neue Standort an der Nonnendammallee war erschlossen und der Stadtteil offiziell in "Siemensstadt" umbenannt, als 1914 der Erste Weltkrieg begann. Mit den elektrischen Ausrüstungen für Heer und Marine war Siemens unverzichtbarer Rüstungslieferant. Noch während des Krieges wurde das zweite Wernerwerk mit dem stadtteilprägenden Siemensturm gebaut und ein Flugzeugwerk. Den Wegfall der Rüstungsaufträge nach Kriegsende konnte Siemens teilweise durch die neue Sparte Haushaltsgeräte (Bügeleisen, Elektroherde, Rundfunkgeräte) ausgleichen.

Ende des Zweiten Weltkriegs richtete Siemens vorausschauend in den zu erwartenden Westzonen West- und Süddeutschlands selbstständige dezentrale Abteilungen ein ("Exilregierungen"), die die Teilbetriebe nach Kriegsende fortführen sollten - man war über die alliierten Nachkriegs-Pläne informiert. Und als die Russen das Dynamowerk in Berlin demontierten, zögerte Siemens nicht lange und baute die Fertigung wieder auf. Für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Wernerwerks Fernmeldetechnik bekam Siemens sogar Fördermittel aus dem Marshallplan (ERP). Aktuell soll wieder einmal die Zahl der Mitarbeiter verringert werden, um ein gutes Ergebnis für die Aktionäre ausweisen zu können. Eine einseitige Sicht auf die Ausgaben, wenn man das Feuerwerk von Geschäftsideen des Firmengründers vor Augen hat, mit dem immer neue Einnahmen erschlossen wurden.

Siemens hat auch Öfen zur Leichenverbrennung konstruiert und hergestellt. Allerdings war es nicht Werner von Siemens, sondern sein Bruder Friedrich, das 11. von 14 Geschwistern. Friedrich war kränklich und entwicklungsverzögert aufgewachsen, aber mit der siemenstypischen Energie heuerte er zunächst als Schiffsjunge an, bevor er im Industrieofenbau seine Berufung fand. Er erfand Pressglas und Drahtglas und gründete die größte Glasfabrik Europas in Belgien. Im Auftrag eines Dresdner Arztes konstruierte er den Krematoriumsofen, mit dem die weltweit erste Einäscherung im geschlossenen Feuer stattfand. In einer zeitgenössischen schematischen Darstellung des Ofens spricht der Pfarrer oben noch das letzte Gebet, während die Senker den Sarg zu dem Arbeiter herunter lassen, der den Ofen bedient.

Zurück nach Siemensstadt. Zwei Architekten waren nacheinander für die Fabrikbauten verantwortlich, auf einer Fläche von einer Million Quadratmeter sollen 300 Werksgebäude errichtet worden sein. Dabei ging es vor allem um folgende Sektoren: Telegrafenwerk, Dynamowerk, Automobilwerk, Gasturbinenwerk, Luftfahrtgerätewerk, Kabelwerk, Messgerätewerk, Schaltwerk, Kleingerätewerk und Werke für Fernmeldetechnik, Funk- und Radiotechnik. Außerdem wurden Verwaltungsgebäude für das Wernerwerk und für Siemens-Schuckert gebaut.

Die großen Fabriken sind moderne Stahlskelettbauten, die nur nach außen den Eindruck vermitteln, als seien sie Tempel, barocke Paläste oder Stein auf Stein gemauerte Stockwerksbauten.

Der Baumeister Karl Janisch, der von der Königlichen Eisenbahndirektion zu Siemens wechselte, war für die erste Serie von Industriebauten verantwortlich. Er schuf an der Nonnendammallee 72 mit dem Dynamowerk einen Zweckbau, dessen Fassade mit einer langen Reihe serieller Fensterachsen von historisierenden Elementen unterbrochen wird. Das Tempelmotiv zeigt vier dorischer Säulen mit aufliegendem Gebälk, darüber ein drei Stockwerke umfassendes Fensterelement unter einem Rundbogen. Umrahmt wird diese Darstellung von doppelten Wandpfeilern (Pilastern), die den Dreiecksgiebel tragen. Auch ein Triumphbogenmotiv wird zur Unterbrechung der Backsteinfront eingesetzt.

Der Turm des Wernerwerks Messinstrumente am Wernerwerkdamm ist das Wahrzeichen von Siemensstadt. Dabei ist der Turm kein Schmuck-, sondern ein Funktionsbau. Er ist gleichzeitig Schornstein und Wasserturm, mit Backsteinen verblendet und dann mit einer Uhr von sieben Metern Durchmesser bekrönt. Diese Turmuhr zeigt an zwei Seiten erheblich voneinander abweichende Zeiten. Gehen in Siemensstadt die Uhren anders?



Das Schaltwerk-Hochhaus an der Nonnendammallee 104 und das Wernerwerk-Hochhaus am Siemensdamm 50 stehen für Hans Hertleins Industriebauten der Neuen Sachlichkeit. Beides sind Stahlskelettbauten, mit Klinkern verkleidet. An das Schaltwerk-Hochhaus, einen langen, schmalen Baukörper mit 58 Fensterachsen, der 10 Stockwerke hoch ist, sind auf jeder Seite zwei quadratische Treppenhaustürme angedockt. Mit diesem Bau hat Hans Hertlein Maßstäbe gesetzt, es war das erste Fabrikhochhaus in Europa.

Auch für das Wernerwerk-Hochhaus hat Hertlein eine Form gefunden, die den riesigen Raumbedarf in eine ansprechende architektonische Form umsetzt. Mehrere unterschiedlich hohe Gebäudeflügel umschließen zwei Innenhöfe. Für den Brunnen im großen Innenhof mit der Skulptur eines Fischotters erhielt Max Esser auf der Pariser Weltausstellung 1937 einen Grand Prix.

Nicht nur Industriebauten, auch Wohnhäuser und sogar zwei Kirchen hat Hertlein für Siemens gebaut. Die Siemens-Siedlung am Rohrdamm nördlich des Werner-von-Siemens-Parks besteht aus ein- und zweigeschossigen Reihenhäusern mit suburbanem Ausprägung und dreigeschossigen Wohnhausblocks. Die Großsiedlung (Ringsiedlung) südlich des Parks ist von der Architekten-Avantgarde der zwanziger Jahre gebaut worden, zu den Architekten gehörten Bartning, Gropius, Häring und Scharoun. Die Siedlung ist Teil des UNESCO-Weltkultuererbes.

In der Siemens-Siedlung nördlich des Parks wohnte von 1943 bis zu seinem Tod 1950 John Rabe, der als Siemens-Niederlassungsleiter im chinesischen Nanjing mit Heldenmut mehrere hunderttausend Chinesen vor den 1937 heranrückenden Japanern in Sicherheit brachte. In dem japanisch-chinesischen Krieg richteten die Japaner ein Massaker in Nanjing an, dem 300.000 Menschen zum Opfer fielen. Rabe öffnete die Türen des Siemens-Werks für Flüchtlinge, als Nanjing von den Japanern bombardiert wurde. Er versteckte 500 Flüchtlinge im Garten seines Einfamilienhauses, den er mit einer riesigen flächig aufgespannten Hakenkreuzfahne vor Bombardierung schützen konnte, schließlich waren Japan und Nazi-Deutschland Verbündete. Mit grimmigem Humor meinte Rabe, der Platz unter der Fahne sei "bombensicher". Mehrere hunderttausend Menschen kamen in der Sicherheitszone für die Zivilbevölkerung unter, die er als Vorsitzender eines internationalen Komitees in Verhandlungen mit den Japanern durchsetzen konnte.

Siemens holte Rabe noch während des Zweiten Weltkriegs nach Berlin zurück und degradierte ihn zu einem Sachbearbeiter für Auslandsreisen. Die Nazis unterdrückten Berichte über Nanjing, verhafteten Rabe kurzzeitig. Die letzten Jahre verbrachte er in Berlin hungernd und leidend, aber unterstützt von Nanjinger Bürgern, die ihm monatlich Lebensmittelpakete schickten. Rabes Tagebücher sorgten dafür, dass er nicht vergessen wurde. "Der lebende Buddha von Nanjing" - der „Oskar Schindler Chinas“ - "Der gute Deutsche von Nanjing" sind Ehrentitel, die ihm zugeschrieben wurden.

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