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Krankenhaus, Hospital und Bürgeramt


Stadtteil: Reinickendorf
Bereich: Schweizer Viertel
Stadtplanaufruf: Berlin, Teichstraße
Datum: 5. Februar 2018
Bericht Nr.:614

Zwischen der Weißen Stadt in Reinickendorf und den Friedhöfen an der Ollenhauerstraße sollte ursprünglich ein städtisches Gemeindezentrum und ein Siedlungsgebiet mit großem Straßenraster entstehen, so plante es die Gemeinde 1908. Verwirklicht wurden davon nur das Krankenhaus an der Teichstraße und eine Schule sowie zwanzig Jahre später mehrere Wohnanlagen auf verändertem Stadtgrundriss.

Altes Humboldtkrankenhaus
In der Teichstraße steht man vor einem mächtigen, klassizistisch geprägten Bau mit Tympanon (Dreiecksgiebel) und Pilastern (Wandpfeilern), die sich in einer Kolossalordnung über mehrere Etagen erstrecken. Das Schild "Bürgeramt" über der Tür widerspricht dem Äskulap-Medaillon am Eingang, das auf die Heilkunst verweist. Das 1908 als Teil eines modernen Krankenhauskomplexes erbaute Gebäude wird von der Bezirksverwaltung genutzt, seitdem 1985 am Nordgraben ein neues Humboldt-Krankenhaus entstanden war.


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Während der Besatzungszeit nach Ende des Zweiten Weltkriegs diente das Krankenhaus unter dem Namen "Hôpital Militaire Louis Pasteur" der französischen Besatzungsmacht als Militärkrankenhaus.

Auf dem Krankenhausgelände sind die Bauten um einen Hof mit großzügigen Grünflächen angeordnet. Zwei dreiflügelige Gebäudekomplexe nehmen die Fachabteilungen und Versorgungseinrichtungen auf. Die Architekten sind mit der Anlage der Architekturidee gefolgt, die der Berliner Stadtbaurat Ludwig Hoffmann mit seinen Krankenhausbauten in Buch formuliert hat. Zwischen den alten Bauten steht ein flacher Operationsbunker, der 1941 im “Führerbauprogramm" errichtet wurde, um bomben- und splittersicherer Luftschutzräume zu schaffen. Durch einen Tunnel ist der Bunker mit der Chirurgischen Station im Altbau verbunden.

Eine nicht leicht einzuordnende Persönlichkeit ist der Arzt Erwin Liek, nach dessen Tod 1935 die Nazis dem Humboldt-Krankenhaus seinen Namen gaben. "Der Arzt und seine Sendung" war sein Thema, das er in mehreren Publikationen behandelte. Die "Entseelung" der Schulmedizin, die Entfremdung von Ärzten und Patienten, das sind bis heute aktuelle Themen. "Einheitsbestrebungen" von Ärzten mit Homöopathen - wie von ihm damals gefördert - werden dagegen nicht mehr positiv gesehen. Andererseits warnte Liek vor "unzünftigen Wunderheilern", die in den Massenmedien herausgestellt würden.

Liek wandte sich dagegen, dass "Lebensschwache und Lebensuntüchtige" gefördert werden. Eine aktive Bevölkerungspolitik müsse sich für die "gut Veranlagten" einsetzen, um "die biologische Substanz des Volkes zu stärken". Maßnahmen einer "negativen Eugenik", wie Fortpflanzungsverbote oder Sterilisation von sogenannten körperlich, geistig oder sozial "Minderwertigen" befürwortete er, wandte sich aber gegen die Euthanasie.

Bundeskanzler Kohl hat den Begriff geprägt der "Gnade der späten Geburt". Wenn man daraus im Gegenschluss die "Gnade des frühen Todes" ableiten dürfte, dann wäre Liek erspart geblieben, vielleicht dem Werben der Nazis zu erliegen und seine Haltung gegen "Minderwertige" tatsächlich zu praktizieren.

Wohnanlagen
Das 1908 geplante großflächige Straßenraster für das "Niemandsland" zwischen dem Krankenhaus und den Friedhöfen bzw. der Ollenhauerstraße ließ sich nicht verwirklichen. Stattdessen bestimmten Kleingärten, Lauben und Einfamilienhäuser das Bild. Nach 1924 begann der Bezirk, den Bereich um die Waldowstraße neu zu ordnen.

So entstand 1930 der Becherweg mit einer Wohnanlage, die die Straße in ihrem Verlauf säumt und mit einer "Baunath" zwischen den Wohnblöcken auf den einstmals hier verlaufenden alten Feldgraben Rücksicht nimmt. Die verschiedenen Bauabschnitte sind unterschiedlich gestaltet. Spitzwinkligen Vorlagen rhythmisieren und beleben die Straßenfront. Kunstvoll gesetzte Klinker umrahmen die Hauseingänge. In Vorgärten markieren Birken die einzelnen Gebäudeteile.


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Zwischen Waldowstraße und Ollenhauerstraße sind um 1930 weitere Wohnanlagen entstanden, die die individuelle Handschrift ihrer Architekten zeigen. Erwin Gutkind hat beidseits der Kienhorststraße Bauten geschaffen, die uns schon bei unserem Rundgang 2013 begeistert haben. Klare Struktur und Lebendigkeit: Klinkerbänder, weiße Putzflächen, in Stahlprofile gefasste Fenster, Vor- und Rücksprünge der Fassaden, Vorgärten.

Mit seinem Sozietätspartner hat Max Taut 1930 drei lange Häuserzeilen an der Ostseite der Waldowstraße erbaut. Es sollte eine Großsiedlung mit über 1.100 Wohnungen werden, aber dann kam die Wirtschaftskrise dazwischen. Nur einige wenige Wohnungs- und Haustypen haben die Architekten verwendet. Ob sie damit ein "lebendiges und abwechslungsreiches Straßenbild" geschaffen haben, wie die Denkmaldatenbank hofft, müssen die Bewohner und Besucher entscheiden.

Wohnungsfürsorge
Die "Wohnungsfürsorgegesellschaft Berlin " hat 1937 die quadratischen Blocks zwischen Waldowstraße, Solferinostraße und Ollenhauerstraße bebaut. Die Häuser sind schlicht und ohne Balkons. Die Fassaden sind sparsam gegliedert durch farblich abgehobene Putzfelder.

In der Wohnungsnot nach dem Ersten Weltkrieg hatten Wohnungsfürsorgegesellschaften die Aufgabe, staatliche Zuschüsse (Mittel aus der Hauszinssteuerabgabe) im Wohnungsbau zu investieren. Später im Jahr 1937 schloss sich die Wohnungsfürsorgegesellschaft Berlin mit acht städtische Wohnungsbau- und Siedlungsgesellschaften zur GSW (Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft) zusammen.

Vor fünf Jahren hat die GSW ihre Selbstständigkeit verloren, die "Deutsche Wohnen AG" hat das Wohnungsunternehmen in seinen Konzern eingegliedert. Dieser Konzern ist umstritten, mit "Wohnungsfürsorge" kann man seine Tätigkeit sicher nicht umschreiben, eher mit Fürsorge für die Aktionäre.

Friedhöfe
Drei Friedhöfe gehen als parallele, langgestreckte, schmale Begräbnisstätten von der Humboldtstraße ab. Die katholischen Friedhöfe St. Sebastian und St. Hedwig III sind untereinander verbunden. Will man vom städtische Friedhof Reinickendorf zu den konfessionellen Nachbarn wechseln, muss man - wie mir eine Friedhofsbesucherin auf Befragen erzählte - zur Straße zurückgehen oder über einen Zaun klettern. Warum diese Berührungsängste?

Der katholische Domfriedhof St.Hedwig hat schon einige Wanderungen hinter sich. Ursprünglich an der Chausseestraße in Mitte angelegt auf einem Grundstück, das Friedrich der Große der Gemeinde geschenkt hatte, wurde der Friedhof eingesammelt und zog zur Liesenstraße um, weil am ursprünglichen Ort gewinnträchtiges Bauland entstanden war. Ein Grab mit langer Liegedauer blieb in der Chausseestraße zurück, die Angehörigen wollten es nicht aufgeben. Die "Katholischen Höfe" mussten drum herum gebaut werden.

Bei der Randwanderung der Friedhöfe ist die erste Erweiterung von St. Hedwig in Weißensee angekommen und die nächste hier in Reinickendorf. Eine Vielzahl eindrucksvoller Grabmale wie in der Liesenstraße findet man hier nicht. Aber eine ungewöhnliche wuchtige Friedhofskapelle, mit der ein Kölner Kirchenbaumeister den Berlinern vorführte, wie rheinischer Kirchen der Romanik aussahen. Besonders monumental wirkt der Kirchenbau, weil er wie eine Festung auf erhöhtem Bauplatz angelegt wurde.


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Ollenhauerstraße
Zwei historische Bauten in diesem Teil der Ollenhauerstraße wollen wir zum Abschluss betrachten. Ein gelber Backsteinbau auf dem Grundstück Nr.99 ist mit zwei unterschiedlichen Giebeln und einem Treppenhausturm asymmetrisch gegliedert. Hier hatte 1890 ein Messingwerk einen Standort der metallverarbeitenden Industrie begründet. Durch die Kremmener Bahn von Wittenau nach Tegel und die Industriebahn Tegel-Friedrichsfelde dehnte sich die Industrie von hier weiter nach Norden aus.

Das vorkragende Krüppelwalmdach und das geschnitzte Gebälk geben dem Wohnhaus Nr.104 eine alpenländische Anmutung. Die mittige Hausdurchfahrt trennt zwei Läden, die von einer Bäckerei und einer Schlachterei genutzt wurden. Der Hof ist komplett umschlossen und überdacht. In den Seitenflügeln waren Produktionsräume und Wohnräume für Arbeiter untergebracht. Das Quergebäude verfügte über Stallungen für 12 Kühe, Pferdeställe und Wagenremisen. Kühe und Pferde in der Stadt - noch gibt es Zeitzeugen, die das miterlebt haben.

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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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... und hier sind weitere Bilder ...
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Alles sicher, Gentlemen
Der janusköpfige Bahnhof