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überirdisch bewegt


Stadtteil: Pankow
Bereich: U-Bahn U2
Stadtplanaufruf: Berlin, Vinetastraße
Datum: 6. Juni 2011

Vineta war eine sagenhafte versunkene Stadt an der Ostsee. Versinkt deshalb die Hochbahn vor dem Bahnhof Vinetastraße in den Untergrund? Sie merken schon, die U-Bahn nach Pankow ist diesmal einen Stadtspaziergang - mehr eine Spazierfahrt - wert. Eineinhalb Jahre "Ersatzverkehr" mussten die Fahrgäste hinnehmen, damit das "vom Rost zerfressene Hochbahnviadukts der U2" (Tagesspiegel) zwischen Senefelderplatz und Vinetastraße und die Hochbahnhöfe Eberswalder Straße und Schönhauser Allee mit Rostschutz, 1.450 Fahrbahnblechen, 300.000 Spezialschrauben und tonnenweise Schotter für die Gleise saniert werden konnten. Dafür soll es jetzt leiser und komfortabler sein.

Die Berliner Institution Konnopke's Currywurst ist auch wieder am alten Platz unter dem Magistratsschirm (1). Mit Schmunzeln und Solidaritätsbekundungen haben die Berliner monatelang die Hartnäckigkeit verfolgt, mit der die 75jährige Inhaberin der BVG Zugeständnisse für den Umzug in eine provisorische Bude und einen völlig neuen Kiosk mit goldeloxierten Profilen abgerungen hat. Mit Leierkastenmann und Rotkäppchen-Sekt aus Plastikbechern wurde die Rückkehr dann zünftig begangen, und sogleich bildete sich wieder eine Schlange von Kunden vor dem Kiosk. Schon beim vorangegangenen "Probeverkauf" standen 120 Menschen Schlange für eine Currywurst.

Die Züge der Hamburger Hochbahn fahren auch im Untergrund, die Berliner Untergrundbahn lässt ihre Züge auch als Hochbahn fahren, die Berliner S-Bahn fährt über, unter und auf der Erde. Die Begriffe "Untergrundbahn" und "Hochbahn" sind hier beliebig austauschbar. Wenn hochbahn.de schreibt, dass ihre Hamburger Züge "überirdisch" fahren, dann meint sie damit "oberirdisch", denn überirdisch fliegen nur die Engel, und die sind nicht von dieser Welt. Fliegen tun die oberirdischen Züge gottlob nur im Ausnahmefall, bei einem schlimmen Unfall im Gleisdreieck 1908 stürzte ein Wagen vom Viadukt.

Am Haus in der Berliner Straße 75 prangt ein "Orden" aus DDR-Zeiten, die "Goldene Hausnummer", mit der die Identität der Bewohner mit ihrem Wohnumfeld gestärkt werden sollte. Ist es symbolisch zu sehen, dass ein Teil des Goldes schon abgeblättert ist? Das Haus Nr.79 gegenüber, ein gelber Backsteinbau, deutet mit seinen Verzierungen - einem mehrstufigen Zahnschnitt und roten Backstein-Doppelbändern - auf eine Vergangenheit als Bahnbau hin, der Ursprung bleibt aber im Dunkeln. Direkt am U-Bahnausgang Vinetastraße trifft man auf "Chinatown". Das hatte ich mir ganz anders vorgestellt, in New York, L.A. oder Sydney handelt es sich um Stadtviertel, aber hier ist nur ein Kiosk so benannt, der vielleicht eine Historie als Pinkelhäuschen oder Zollstation hinter sich hat.

Doch zurück zu den Bahnhöfen. Nur zwei Bahnhöfe auf der Strecke zwischen Alexanderplatz und Pankow liegen oberirdisch auf dem Magistratsschirm, es sind die von Grenander gebauten und 1913 eingeweihten Stationen Schönhauser Allee (ehemals Nordring) und Eberswalder Straße (ehemals Danziger Straße). Mit der Umsteigemöglichkeit zur Ringbahn war die Schönhauser mit 9 Mio. Fahrgästen 1929 an fünfter Stelle des U-Bahn-Fahrgastaufkommens, nach Potsdamer Platz (13 Mio.), Alexanderplatz, Hallesches Tor und Stadtmitte. Die unterirdischen Bahnhöfe Rosa-Luxemburg-Platz, Senefelderplatz (2) und Vinetastraße wurden ebenfalls von Grenander gebaut, ihre heutige Ausstattung kann man zurückhaltend als "schlicht" bezeichnen. Vor der Wiedervereinigung feierten 1987 zwei getrennte Berlins das 750.Stadtjubiläum, aus diesem Grund wurde in Ost-Berlin auch der U-Bahnhof Vinetastraße neu gestaltet und der "Schreitende" von Rolf Biebl auf dem Bahnsteig aufgestellt (3). Diesen obercoolen Typen mit Sonnenbrille hätte ich nicht in der Zeit des sozialistischen Realismus verortet, so kann man sich täuschen.

Seit 1905 hatte sich Pankow gewünscht, die U-Bahn möge in sein Stadtzentrum weiter gebaut werden. Im Jahr 2000 war es dann endlich so weit, der U-Bahnhof Pankow wurde als Umsteigebahnhof zur S-Bahn fertig gestellt. Jetzt warten die Pankower noch auf einen Regionalbahnhof an der Strecke nach Stralsund, vielleicht geht es damit schneller. Vor dem Bahnhofsgelände wird zwar gebaut, ein heftiger Wolkenbruch hielt mich aber von weiteren Erkundungen ab, trotzdem war ich zum Schluss nass wie nach einem Vollbad in voller Kleidung.

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(1) mehr über den "Magistratsschirm", Konnopke und den U-Bahnhof Schönhauser Allee: Unter dem Magistratsschirm und Damenklo mit Guckloch
(2) mehr zum Senefelderplatz: Bedürfnisse
(3) Biebl hat auch die Skulptur von Rosa Luxemburg vor dem Verlagsgebäude des "Neuen Deutschland" geschaffen: Nichts-tun-Landwirtschaft


Prozession zu den Hugenotten
Messerstecher in der Heide