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Innenansichten von drei Epochen


Stadtteile: Tiergarten, Kreuzberg
Stadtplanaufruf: Berlin, Tiergartenstraße / Berlin, Alexandrinenstraße
Datum: 8. September 2019
Bericht Nr.:669

Unsere Ziele am Denkmaltag 2019:
> Italienische Botschaft
> Katholische St. Agnes-Kirche
> Deutsches Patent- und Markenamt

Italienische Botschaft
An der Tiergartenstraße steht ein italienischer Renaissancepalast mit säulenbestandener Vorfahrt und einem massiven Kranzgesims. Der Bau vergröbert den Typus eines italienischen Palais', trotzdem erinnert er manchen Betrachter an "einen Sommertag in Rom" oder einen "Sonnenuntergang am Gardasee". Die starke Farbigkeit des Baus ist ungewöhnlich, sie wird unterschiedlich beschrieben als "roter dunkler Sienaton", als Altrosa, Flamingorosa oder Pink.


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Wir stehen hier vor dem größten und aufwändigsten Bau der NS-Zeit im Diplomatenviertel, der italienischen Botschaft, die am heutigen Denkmaltag zur Besichtigung freigegeben ist.

Bei der Wiederherstellung des kriegsbeschädigten und lange leer stehenden Gebäudes nach der Wende sind die Wunden der Geschichte nicht überdeckt worden. Damit "der Verfall nicht vergessen wird", beließ man beispielsweise die kriegsbeschädigte Kolonnade im Innenhof in fragmentarische Zustand. Das passt zu dem besonnenen Umgang der Italiener mit der Hinterlassenschaft ihrer schwierigen Geschichte. Süffisant erklären sie dazu, dass "Vergangenheitsbewältigung sich nicht auf Italienisch übersetzen lässt".

Mit feiner Ironie ist bei der Wiederherstellung der Säulenhalle sichtbar gemacht worden, dass die Säulen keine tragende Funktion haben, sondern nur vortäuschen, Kraft aufzunehmen und abzuleiten: Zwischen Säulen-Kapitell und Decke wurde eine Lücke freigelassen, die natürlich beim ursprünglichen Bau durch die Deckenkonstruktion verborgen war.

Zur Baugeschichte: Erst mussten 1939 mehrere Stadtvillen an der Tiergartenstraße abgerissen werden, dann konnte mit dem Bau der symmetrischen Gebäudeanlage begonnen werden, deren monumentaler Mittelbau als repräsentativer Haupttrakt durch zwei Seitenflügel für das Konsulat und die Botschafter-Residenz eingerahmt wird. Ungewöhnlich war, dass die Botschaft nicht vom Heimatland Italien errichtet wurde, sondern vom Bündnispartner Deutschland, das damit den italienischen Führer Mussolini beeindrucken wollte. Soweit bekannt, ist der deutsche Architekt nur im Rahmen von Speers Bauaufgaben tätig geworden. Er hatte Görings Landsitz "Carinhall" erbaut und das Prinz -Albrecht-Palais zur Gestapo-Zentrale umgebaut.

So war das Ziel des Baus nicht - wie sonst - die Darstellung der fremden Kultur, sondern die Zurschaustellung des eigenen nationalsozialistischen Weltbildes. Die Bauarbeiten waren als "kriegswichtig" von Einschränkungen befreit und wurden bis 1942 weitergeführt. Nur der Konsulatsflügel war eingerichtet und in Betrieb genommen worden, als wenige Monate später Bomben auf die Botschaft niedergingen. Zu einer Einweihung war es nicht gekommen, weder Hitler noch Mussolini hatten je einen Fuß in das Gebäude gesetzt.

Wertvolle antike Einbauten der italienischen Botschaft wie Zierbrunnen, Kaminfassungen, Portale wurde aus anderen Bauten, insbesondere historischen italienischen Renaissance-Palazzi herbeigeschafft. Im Haupttrakt befindet sich der acht Meter hohe blaue Festsaal, dessen Ausmaße monumental sind, was durch die Farbigkeit abgefangen wird. Die Innenräume sind nicht einheitlich gestaltet, je nach Raum wechseln sich wohl mit Rücksicht auf die Einbauten die Stilzitate ab. Im Keller befindet sich eine Kapelle (Krypta), die gleichzeitig als Luftschutzbunker ausgebaut ist.

Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb der größte Teil des Bauwerks über Jahrzehnte eine Ruine. Die Botschaft war nach Bad Godesberg abgewandert, nur in einem Flügel in Berlin war eine Zeit lang das Konsulat tätig. Anders als die benachbarte japanische Botschaft, die in den 1980er Jahren abgerissen und später als Kopie neu errichtet wurde, blieb der kriegsbeschädigte Bau der Italiener erhalten. So konnte die besonnene Wiederherstellung durch einen italienischen Architekten und seinen deutschen Kooperationspartner gelingen.

Die italienische Botschaft hat sich am Denkmaltag 2019 für Interessierte zur Besichtigung und Führung geöffnet. Weitere Einblicke erhalten wir heute beim Patentamt an der Gitschiner Straße und der katholischen St. Agnes-Kirche in der Alexandrinenstraße. Beide waren im Frühjahr Ziel unseres Stadtspaziergangs durch die südliche Friedrichstadt.

Katholische St. Agnes-Kirche

Die Kirche St. Agnes mit ihrer kargen Gestaltung und der rauhen Oberfläche ist ein Bau des "Brutalismus", dessen Name sich herleitet vom französischen "beton brut", unverputztem, schalungsrauhen Beton. Der Berliner Stadtbaurat Werner Düttmann hatte den Kirchenbau aus Sichtbeton 1966 in dem Kreuzberger Neubauviertel als Teil der Nachkriegsmoderne geschaffen. Das Gotteshaus wurde 2005 entwidmet, weil der Kirche die Gläubigen davonliefen. Die Architekten des Büros Brandlhuber haben es zu einer Galerie umgebaut. Der Galerist hat ein Erbbaurecht, nach 99 Jahren fällt das Bauensemble an die katholische Kirche zurück.

Der von sakralen Einbauten befreite Kirchenraum ist ein hoher Raum von eindrucksvoller Leere. Nur von der Decke fällt durch seitliche Schlitze indirektes Licht ein, das die Dimension erspüren lässt. Die Architekten haben den Innenraum verwandelt, dabei kaum in die Substanz eingegriffen und die Raumwirkung geschickt für die neue Nutzung eingesetzt.

In den bis zu 20 Meter hohen leeren Raum haben sie eine Zwischenebene eingestellt, die mit einem schmalen Spalt von den Wänden entfernt bleibt. Mit 20 quadratischen Betonstützen in gleichmäßigem Abstand ist die Zwischendecke wie ein "Tisch" in den Raum eingestellt. Dadurch entsteht unten eine Arbeits- und Galerieebene mit "normaler" Höhe und oben eine ungewöhnliche Präsentationsfläche, die umso eindrucksvoller ist, je zurückhaltender sie bespielt wird.


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Deutsches Patent- und Markenamt

Bei unserem Besuch im Frühjahr haben wir die 234 Meter lange Straßenfront des Baus des Kaiserlichen Patentamts an der Gitschiner Straße zwischen Lindenstraße und Alexandrinenstraße erlaufen. Wir wussten, dass im Innern auf Erschließungsfluren von 10 Kilometern Länge die Beamten entlangeilen können zu den 700 Diensträumen. Bei der Besichtigung am Denkmaltag kam angesichts so gigantischer Ausmaße die Ernüchterung: Das Patentamt nutzt heute nur noch die untere Etage, ganze 65 Mitarbeiter sind hier noch tätig. Ist hier alles schon digital?

Auf der Führung zeigt man uns ein historisches Prüferzimmer von 1905, dort hängt eine Kopie des Patents lfd. Nr. 3 für Lilienthals Flugapparat. Im Keller des Patentamts Akten über Akten, die dort aufgestapelt sind. Die eigentliche Arbeit wird heute in München gemacht, dorthin ist das Patentamt 1949 verlegt worden. In München findet man kaum Räume für das wachsende Amt, aber nach Berlin mag man keine Abteilung zurückgeben.


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So ist in Berlin mehr oder weniger eine Kommunikationsabteilung übrig geblieben, die sich im Lauf der Zeit wandelt. Die Bibliothek, in der noch Karteikästen (vielleicht nur als Kunstobjekte?) und ein Ausgabeschalter für CD-Roms zu sehen sind, weicht demnächst dem Neubau einer Kantine (für 65 Mitarbeiter?). Für Recherchezwecke werden dann wohl ein paar Bildschirme reichen.

Als die amerikanische Besatzungsmacht die Herrschaft über das Patentamt übernahm, war ausgerechnet ein amerikanischer Patentanwalt der leitende Offizier, ein Treppenwitz der Weltgeschichte. Er ließ die Patentakten, derer er habhaft werden konnte (viele waren schon in ein Salzbergwerk ausgelagert), in die USA bringen. Dort wurden sie mikroverfilmt, nur die Mikrofilme kamen später nach Deutschland zurück. Die Aktenstapel, die wir im Keller gesehen haben, sind längst digitalisiert. Heute muss ein Prüfer, der einen Patentantrag bearbeitet, sich durch internationale digitale Medien fressen. Vor zwei Jahren wurden weltweit 1,4 Millionen Patente erteilt, davon entfielen auf China 420.000, auf USA 318.000, auf Europa 105.000. Der Bestand an gültigen Patenten betrug 13,7 Millionen.

Der Keller des Berliner Patentamts bringt noch mehr interessante Einsichten. An den Decken sieht man Anker, die die Mauern zusammenhalten. Die ständigen Erschütterungen durch die vor dem Haus fahrende Hochbahn wurden bei der Planung des Gebäudes nicht ausreichend berücksichtigt, deswegen musste man nachträglich die Mauern durch Zuganker stabilisieren.

Im Gebäude gab es eine Rohrpostanlage, die nur stillgelegt, aber nicht ausgebaut wurde. Die Rohre sind an der Decke im Kellergeschoss sichtbar. Es gibt Bestrebungen, die Rohrpost wieder für die innerbetriebliche Kommunikation in Betrieb zu nehmen. Sie hat den unschätzbaren Vorteil eines analogen Systems - sie ist abhörsicher. Auch im Bundeskanzleramt soll deswegen eine Rohrpostanlage in Betrieb sein.

Ein Problem des digitalen Zeitalters kann auch das Patentamt bisher nicht lösen: Wie bringt man das auf Datenträgern gespeicherte Gedächtnis der Welt sicher in die Zukunft? Herkömmliche Speichermedien sind nicht langlebig genug, Daten müssen immer wieder von veralteten Datenträgern auf neue Datenträger übertragen werden, und ein Quantensprung ist nicht in Sicht. Man kann ja nicht zu den ältesten analogen Medien zurückkehren, nur weil in Stein gemeißelte Daten 10.000 Jahre halten.

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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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Italienische Botschaft

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... und hier sind weitere Bilder ...
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Katholische St. Agnes-Kirche, Patentamt


Muckefuck und Paech-Brot
Ein Bildwerk wie ein Alt-Berliner Kachelofen