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Im Dreieck springen


Stadtbezirk: Tiergarten
Bereich: Moabit, Hauptbahnhof
Stadtplanaufruf: Berlin, Lehrter Straße
Datum: 26. Mai 2008

Zellengefängnis ? Hat ein Gefängnis nicht immer Einzelzellen ? Nein, erst als die "humanistischen Idee" des 19. Jahrhunderts Menschen durch Strafe zu verbessern suchte und man deshalb von der Unterbringung in Gemeinschaftszellen abkam. Völlige Isolation sollte die gegenseitige Beeinflussung der Häftlinge verhindern, Kriminalität war sozusagen als ansteckend erkannt worden. Das "Preußische Mustergefängnis Moabit" stand seit 1849 direkt gegenüber dem Lehrter Bahnhof (heute Hauptbahnhof). Im letzten Jahr ist dort hinter der hohen Gefängnismauer ein Geschichtspark entstanden, den wahrscheinlich die meisten Fußgänger und Autofahrer gar nicht wahrnehmen und den wir heute entdecken wollen.

Die Idee zu den sternförmig um einen Beobachtungsturm gruppierten Zellentrakten hatten die Preußen aus England importiert. Das "Panoptikum-Prinzip" macht es möglich, von dem Beobachtungsturm aus alle Gefängnisinsassen zu beaufsichtigen. Der Wärter in der Mitte kann in die Zellen einsehen, ohne dass die Insassen den Wärter sehen können, weil er selbst im Dunkeln steht. (Dasselbe Prinzip wandte man auch auf Fabrikarbeiter an).

"Hofgang" mit Schweigegebot hatten die Gefangenen isoliert auf 10 qm großen dreieckigen Flächen, die mit hohen Mauern umgeben und zum Himmel offen waren. 20 dieser "Tortenstücke" bildeten jeweils ein rundes Bauwerk, den "Spazierhof". Da viele Gefangene diese Haft nicht ertrugen und dort "im Dreieck sprangen" (daher kommt diese Redewendung) baute man später eine eigene Irrenabteilung im Innern der Gefängnisumfassungsmauer. Im heutigen Geschichtspark ist ein solches Dreieck als Betonnachbau zu sehen.

Den zentralen Beobachtungsturm hat man symbolisch mit einem Quader im Park angedeutet, die Zellentrakte sind in Umrissen durch Bodenmodellierungen und Einfassungen mit Mitteln der Landschaftsarchitektur sichtbar gemacht worden. Die an die Umfassungsmauern von außen angebauten Beamtenwohnhäuser für die Gefängnisaufseher stehen zum Teil noch, sie sind zum Innenhof fensterlos. Der Gefangenenfriedhof wurde 1958 eingeebnet und mit Kleingärten bebaut, der Beamtenfriedhof blieb innerhalb der Kleingärten als eingezäunter Bereich erhalten. Natürlich konnte man den Beamten nicht zumuten, neben den Gefangenen auf das Jüngste Gericht zu warten, und diese Differenzierung hat sogar noch in West-Berlin zum unterschiedlichen Umgang mit diesen beiden Friedhöfen geführt - der eine eingeebnet, der andere erhalten. Einer der ersten Gefängnisdirektoren war der Begründer der evangelischen Inneren Mission, Johann Hinrich Wichern. Zu den bekanntesten Insassen gehörten Wilhelm Voigt ("Hauptmann von Köpenick"), Wolfgang Borchardt ("Draußen vor der Tür"). Albrecht Haushofer ("Moabiter Sonette"), Klaus Bonhoeffer. Wolfgang Borchert beschreibt, wie er achthundert Mal am Tag die Frauenstimme durch den Lautsprecher auf dem gegenüberliegenden Bahnhof "Lehrter Straße. Lehrter Straße" ausrufen hörte. Im 2.Weltkrieg wurde das Gefängnis von der Polizei und von der Gestapo genutzt, danach übernahmen es die Alliierten bis 1955. Ende 1946 wurde die einzige Hinrichtungsstelle der Westsektoren hier eingerichtet und bis Mai 1949 genutzt (insgesamt zwölf Hinrichtungen). Um die geplante aber nicht verwirklichte Westtangente zu bauen, wurde es 1958 abgerissen, lediglich die Außenmauern blieben erhalten. Nach der Wende sollte der Tiergartentunnel genau über dieses Gelände führen, auch das konnte im zähen Ringen mit den Planern verhindert werden, der Tunnel grenzt jetzt östlich an das Gefängnisgelände. Der "Geschichtspark ehemaliges Zellengefängnis Moabit" wurde 2007 eröffnet als Verbindung von Gedenkstätte und Parkgelände.

Der Park liegt an der Invalidenstraße und Lehrter Straße. Auf der Westseite der Lehrter Straße steht ein weiteres Gefängnis, das heute noch in Betrieb ist, eine Zweigstelle des Plötzenseer Jugendgefängnisses. Auf der Rückseite des Gefängnisses Lehrter Straße befindet sich das Poststadion, eine Sportanlage, die seit 1988 unter Denkmalschutz steht. Seit 1996 ist die Tribüne wegen Einsturzgefahr geschlossen.

Zum Trost nach soviel Begegnung mit den dunklen Seiten des Lebens setzen wir uns beim Italiener am Neuen Tor draußen zu einem Abschiedsschmaus.

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mehr über Johann Hinrich Wichern: Wichern, Johann Hinrich

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