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Spiritus is ooch Nahrung


Stadtteil: Mitte
Bereich: Unter den Linden, Nikolaiviertel, Molkenmarkt
Stadtplanaufruf: Berlin, Am Festungsgraben
Datum: 16. August 2021 (Update zu 24. August 2009)

Berlin sei wie eine amerikanische Stadt, meint ein Architekturkritiker, sie baue, reiße ab, baue neu. So wird Berlin eine Collage kurzfristiger Strömungen und langfristiger Epochen. Inwieweit Baudenkmäler authentisch sind oder nicht, kann man an den Palästen in Mitte sehen. Nein, ich meine nicht den Palast der Republik, der dem Stadtrecycling zum Opfer gefallen ist, sondern die Palais überwiegend aus dem 18.Jahrhundert, die heute noch stehen.

Wenn man auf Bildern sieht, wie im Berliner Stadtgebiet am Ende des Krieges von den meisten Gebäuden nur Fassadenstümpfe übriggeblieben sind, dann drängt sich die Frage auf, woher heute historische Innenräume, Portale, Fassaden, Giebel, Dachgauben kommen. Die Palais in Mitte jedenfalls sind überwiegend Nachbauten unter Verwendung von Teilen der Ruinen, im Innern oft von vornherein auf eine neue Nutzung ausgerichtet. Es ging dabei um die Fragen buchstabengetreuer Nachbau, veränderter Weiterbau, Erhaltung der Ruine als Mahnmal. Und um die moralische Wahrhaftigkeit: Ist Kopie nicht Lüge? Und sollte man mit vollständigem Neubau die Ursachen der Zerstörung vergessen machen oder den Spruch der Geschichte annehmen und nicht ungeschehen machen, was geschehen ist? Und damit die Identität der Städte bewahren, die auch Teil der eigenen Identität ist.

Die Haltung der Stadtverantwortlichen wechselte mehrfach zwischen Erneuern und Bewahren. Der Bauhausarchitekt und Miterbauer der Stalinallee Richard Paulick hatte 1951 einen Plan für den historischen Wiederaufbau der Straße Unter den Linden entwickelt, der von DDR-Regierung beschlossen und verwirklicht wurde. Andererseits wurden Schinkels Bauakademie beseitigt und das Stadtschloss.

Altes Palais
Am Stadtschloss hatte Kaiser Wilhelm I. keine Freude. Er lebte im klassizistischen Alten Palais, das Carl Ferdinand Langhans an der Straße Unter den Linden mit einer begrünten Pergola zum Opernplatz (Bebelplatz) für ihn erbaut hatte. Als Kronprinz und auch später als König und Kaiser wohnte er in seinem Palais, und dort starb er 1888.


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Durch Bomben wurden 1943 wurden die Innenräume und Rückseite des Alte Palais zerstört, die Fassade blieb weitgehend erhalten. 1964 erfolgte der Wiederaufbau hinter der alten Fassade mit veränderter Raumaufteilung, teilweise anderen Raumhöhen und ohne die Pergola. Nach der Wende wurde die Pergola rekonstruiert. Heute nutzt die Humboldt-Uni das Palais, das innen mit benachbarten Gebäuden verbunden wurde.

Kommode (Alte Bibliothek)
Um die Ecke am Opernplatz (Bebelplatz) steht die "Kommode", die Königliche Bibliothek, die Friedrich der Große hatte erbauen lassen. Sie ist selbst kein Palais, ihre Architektur folgte einem Entwurf der Nordfassade der Wiener Hofburg, der dort erst im nächsten Jahrhundert realisiert wurde - das Original entstand später als seine Kopie. Die geschwungene Fassade war laut Baedeker (1880) "eines der effectvollsten Werke des Barockstils in Berlin, wegen seiner Gestalt spottweise die Büchercommode genannt".

Friedrich der Große stellte dort der Bevölkerung seine 150.000 Bände umfassende königliche Büchersammlung zur Verfügung, es war der erste selbständige Bibliotheksbau der Stadt. "Nahrung des Geistes" (nutrimentum spiritus) steht am Giebel, daraus machten die Berliner "Spiritus is ooch Nahrung". Nach Umzug in neue Räume wurde aus der Bibliothek die Preußische Staatsbibliothek, deren Nachfolge trat die Staatsbibliothek an. Die Alte Bibliothek wurde später von der Humboldt-Universität und ihrer Vorgängerin genutzt. Nach Kriegszerstörung wurde die Kommode neu gebaut, hinter der Fassade nach historischem Vorbild erhielt der Bau erhielt eine völlig neue Innenaufteilung.

Kronprinzenpalais
Eine überdachte Brücke mit einem Rundbogendurchgang verbindet nach einem Entwurf Karl Friedrich Schinkels das Kronprinzenpalais mit dem Prinzessinnenpalais. Das Kronprinzenpalais war die Stadtresidenz mehrerer Kronprinzen, der spätere Kaiser Wilhelm II. ist dort geboren. Während ihrer Regentschaft wohnten Königin Luise und König Friedrich Wilhelm III. im Palais. Auch in der Nachkriegsgeschichte war es ein bedeutender Ort, der Einigungsvertrag 1990 wurde dort unterzeichnet.


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Das nach Bombenangriffen bis auf die Grundmauern ausgebrannte Gebäude wurde in der Nachkriegszeit vollständig abgetragen. An seiner Stelle hat der Architekt Richard Paulick einen Neubau errichtet mit einer historisierenden Fassade. An der Rückseite des Grundstücks schuf er einen zweigeschossigen Pavillon, den ein Bronzeportal und mehrere Terrakottaplatten der 1962 abgerissenen Bauakademie von Karl Friedrich Schinkel schmücken. So ist die "Schinkelklause" - heute für Kunstausstellungen genutzt – ein Neubau mit Spolien eines Schinkelbaus.

Prinzessinnenpalais
Im Jahr 1733 wurden zwei Wohnhäuser an der Oberwallstraße miteinander verbunden und später mit einem Kopfbau zu den Linden ergänzt, so entstand ein Palais. Seinen heutigen Namen erhielt es, als es für die drei Töchter des Königspaares Friedrich Wilhelm III. und Luise hergerichtet wurde. Nachdem der Festungsgraben dort zugeschüttet war, wurde der Prinzessinnengarten vor dem Palais ein Barockgarten, später ein Landschaftsgarten. Heute zählt er zum Bebelplatz.


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Da der Ursprungsbau im Krieg ausgebrannt war, hat Richard Paulick auch das Prinzessinnenpalais neu gebaut. Mit einer historischen Rekonstruktion des zerstörten Palais im Äußeren verband er eine neue Nutzung als Operncafé mit Gartenterrasse und neuem Innenleben, wie es für ein Café geeignet ist. Seit 2018 nutzt die Deutsche Bank das Gebäude unter dem Namen Palais Populaire als Kunsthalle.

Festungsgraben
Quer über die Straße Unter den Linden verlief früher der Festungsgraben, ein Teil der überflüssigen und bald wieder eingeebneten Stadtbefestigung des Großen Kurfürsten. Von der Spree im Süden ging es vorbei an der Mohrenstraße, Jägerstraße und dem Prinzessinnenpalais, hinüber zum Palais des Prinzen Heinrich (Humboldt-Universität) und dann zum Kupfergraben. Dort war die Spree wieder erreicht. Die Wallstraße, Niederwall- und Oberwallstraße und Straße Am Kupfergraben zeichnen diesen Verlauf näherungsweise im Stadtgrundriss nach.

Als seine Funktion als Festungsgraben nicht mehr gebraucht wurde, verwandelte er sich in ein stehendes Gewässer, in das die Abwässer aus den Häusern eingeleitet wurden. Ein übelriechendes Ärgernis, auch die Prinzen waren nicht erbaut von diesem Rinnsal, Kronprinz Friedrich Wilhelm adressierte einen Brief an seine Schwester "An die Prinzessin Luise, wohnhaft am stinkerigen Graben", und die Post kam an.

Zwischen Prinzessinnenpalais und Staatsoper haben Archäologen einen Teil der Einfassung des Festungsgrabens entdeckt, der dort zugeschüttet worden war, um den Prinzessinnengarten anzulegen. Die historischen Reste des Grabens wurden nicht ausgegraben, sondern dokumentiert und anschließend darüber die Gartenanlage erneuert.

Palais am Festungsgraben
An der Straße Am Festungsgraben hinter dem Kastanienwäldchen und dem Maxim-Gorki-Theater liegt das Palais am Festungsgraben, ein spätklassizistischer Wohnbau für einen preußischen Finanzminister, in dem später das Preußische Finanzministerium seinen Sitz hatte. Ein historischer Tanz- und Festsaal wurde 1934 aus einem anderen Gebäude hierher versetzt.


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Die Sowjetische Militäradministration ließ das kriegsbeschädigte Palais wiederherstellen und als "Haus der Sowjetischen Kultur" einrichten. Danach wurde es zum „Haus der DSF“. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich die Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft, das war nach der Gewerkschaft die zweitgrößte Massenorganisation in Ostdeutschland. Anders als die meisten anderen Gebäude, die wir heute besuchen, ist das Palais am Festungsgraben durch die Wiederherstellung nach dem Krieg kaum verändert worden.

Prinz-Heinrich-Palais
Die Humboldt-Universität nutzt - wie ihre Vorgängerin Friedrich-Wilhelms-Universität - das ehemalige Prinz-Heinrich-Palais, das für den Bruder Friedrichs des Großen erbaut worden war. Das heutige Hauptgebäude der Humboldt-Universität - die Dreiflügelanlage um einen großen Ehrenhof - war bei Kriegsende weitgehend durch Bomben zerstört. Es wurde überwiegend nach historischem Vorbild wieder aufgebaut. Im Inneren wurde insbesondere der Mittelteil neu gestaltet, nur wenige Gebäudeteile wie ein Treppenhaus im Ostflügel blieben original erhalten.

Im Foyer steht seit DDR-Zeiten an der Wand über der Treppe ein Zitat von Karl-Marx. das "zur besseren Verständlichkeit" sprachlich abgewandelt war. In der Nachwendezeit wollte man das Zitat entfernen, entschloss sich aber, es mit einer sprachlichen Intervention zu "entschärfen". "Vorsicht Stufe" liest man mit jedem Tritt, denn es steht jetzt an jeder Stufe.

Ephraim-Palais
Im Nikolaiviertel, das wegen seiner künstlich geschaffenen Historie auch schon mal architektonisches Disneyland genannt wird, steht ein Palais, das den Höhepunkt aller Palais-Bauanekdoten bildet, das Ephraim-Palais. Der im 18.Jahrhundert geschaffene Eckbau wurde damals im Volksmund "die schönste Ecke Berlins" genannt. Das Haus, das der Münzpächter Friedrichs des Großen für sich erbauen ließ, wurde 1936 abgetragen, weil es der Verbreiterung des Mühlendamms im Wege stand.


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Nummeriert und eingelagert überstanden die sorgsam behandelten 3.000 Gebäudestücke den 2.Weltkrieg, die Lagerstätte gehörte in der Nachkriegszeit zu West-Berlin.

So feindlich waren die beiden Stadthälften nicht immer zueinander, wie man vielleicht glauben könnte. Als das 750.Stadtjubiläum nahte, das man getrennt und in Konkurrenz zueinander feiern wollte, erinnerte sich Ost-Berlin an die Gebäudestücke, die doch schön zum Nikolaiviertel passen würden. Und West-Berlin hatte als Tauschobjekt das Archiv der Königlichen Porzellanmanufaktur im Auge, das Ost-Berlin besaß.

Also tauschte man, und das Ephraim-Palais-Puzzle wurde "nahe dem ursprünglichen Standort" (um 12 m versetzt) nach 50 Jahren "originalgetreu" wieder zusammengefügt. Man schuf sogar mehr als das Original und setzte eine Kopie der Schlüterdecke aus dem 1889 abgebrochenen Wartenbergschen Palais in den 1.Stock. Heute wird hier Stadtgeschichte ausgestellt, das Haus gehört zum Berliner Stadtmuseum und ist zugleich selbst ein ganz spezieller Teil dieser Historie.

Palais Schwerin
Am Molkenmarkt ist das Palais Schwerin fast unbeschädigt erhalten geblieben. Aber der Platz, einst ein Zentrum der historischen Handelsstadt Berlin, ist verschwunden, er ist beim Ausbau zur autogerechten Stadt buchstäblich unter die Räder gekommen. Die Planungen, das Umfeld in Anlehnung an den historischen Verlauf des Stadtgrundrisses kleinteilig neu zu ordnen, kommen nicht voran. Und der Ausbau der Mühlendammbrücke in der Dimension der vorhandenen Autostraße lässt befürchten, dass eine Neuorientierung noch nicht stattgefunden hat.


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Das Palais Schwerin wurde für einen Staatsminister gebaut, später hatte hier das Polizeipräsidium sein Quartier, bevor es zum Alexanderplatz zog. 1936 wurde das Palais in den Neubau der Münze einbezogen, die den Fries der 1886 abgebrochenen alte Münze als Fassadenschmuck in Kopie erhielt. Im Innern des Palais Schwerin sind viele Ausstattungsdetails erhalten, unter anderem barocke Schmuckdecken und die hölzerne Treppe mit Schnitzarbeiten.

Podewils'sches Palais
Das Podewils'sche Palais ist das letzte Ziel unseres Stadtrundgangs. Das Haus in der Klosterstraße wurde durch den Ausbau für den Grafen von Podewils - geschmückt mit Stuckdecken und Wandgemälden - zu einem barocken Palais. Im Zweiten Weltkrieg wurde es schwer beschädigt, beim Wiederaufbau ist die äußere Form des Gebäudes erneuert worden, der Innenausbau erfolgte nach neuen Plänen, um es als Haus für Kulturveranstaltungen zu nutzen.


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Bei Grabungen am Palais haben Archäologen eine mittelalterliche Schmiedewerkstatt gefunden, unter dem Kellerboden und mehr als zwei Meter unter dem heutigen Straßenniveau Zu den Funden gehörten auch Kuppelöfen zur Eisenverarbeitung und Vorratsgruben für Holzkohle. Eine Querstraße der Klosterstraße, die bis 1965 bestand, hieß seit dem 15.Jahrhundert Kleine Schmiedegasse.

Es stand im Baedeker
Reiseführer können Besucherströme erzeugen, wirken aber auch auf die Orte selbst, zu denen sie die Menschen lenken. Vom historischen Eckfenster seines Arbeitszimmers im Erdgeschoss des Alten Palais konnte Kaiser Wilhelm I. mittags den Wachwechsel an der Neuen Wache beobachten. Wobei ihm wiederum die Berliner zusahen, denn es stand in Reiseführern wie dem Baedeker (1880), dass "eine aufgezogene Fahne seine Anwesenheit andeutet". Und daran hielt er sich, unterbrach einer Anekdote zufolge auch eine wichtige Sitzung, um ans Fenster zu treten: "Die Wache kommt, da muß ich ans Fenster! Die Leute warten auf meinen Gruß – so steht’s im Baedeker!"

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Palastschaustelle
Sucht sich einen Platz unter dem Apfelbaum