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Ein anständiges Haus


Stadtbezirk: Charlottenburg, Wilmersdorf
Bereich: Uhlandstraße
Stadtplanaufruf: Berlin, Steinplatz
Datum: 15. November 2010

Die Hotelprinzessin wird 90, und die Medien stehen an zum Gratulieren, Hessischer Rundfunk, Tagesspiegel, Morgenpost, BZ berichten über die Jubilarin und ihre Geschichte. Ilse Eliza Zellermayer ist im Hotel am Steinplatz aufgewachsen, das 1916 erbaut wurde, bis zum Zweiten Weltkrieg war es eine großbürgerliche Institution. Im März 1943 wurde es enteignet, Großadmiral Dönitz nahm hier sein Hauptquartier und befehligte seine Flotte vom Steinplatz aus. Nach dem Krieg wurde das Haus wieder hergestellt und von Ilses Bruder Heinz Zellermayer geführt, bis es in den 1970er Jahren unter dem Konkurrenzdruck der internationalen Hotelkonzerne wie Hilton aufgeben musste. Danach wurde aus dem Gebäude eine "Altersresidenz", die 2006 die Tore schloss, seitdem steht das Haus leer.

Die Namen der Hotelgäste und die Storys dazu sind eine kleine Kulturgeschichte mehrerer Epochen, das Hotel am Steinplatz war so etwas für Berlin wie das Chelsea für New York. Die Zellermayers beherbergten Romy Schneider, Louis Armstrong, Vladimir Nabokov, Zarah Leander, die "Hotelprinzessin" Ilse Eliza Zellermayer spielte als Kind Tischtennis mit Yehudi Menuhin, später wurde sie Agentin von Luciano Pavarotti. Ach ja, Romy Schneider: sie provozierte 1973 einen Skandal, als sie Bruno Ganz mit aufs Zimmer nehmen wollte, schließlich war man ein anständiges Haus. In der "Vollen Pulle", der Hotelbar, saßen im Nachkriegs- Berlin Atze Brauner, Harald Juhnke, Günther Grass - und nicht nur sie - an der Theke.

Heinz Zellermayer war der spiritus rector für die Aufhebung der Sperrstunde in West-Berlin. Die Lokale im sowjetischen Sektor schlossen eine Stunde später als in den Westsektoren, deshalb zogen die Nachtschwärmer in den Osten. Zellermayer überzeugte den amerikanischen Stadtkommandanten, die Sperrstunde ganz wegfallen zu lassen, die eingeschnürte Teilstadt bekam eine in Deutschland einmalige Attraktivität, was das späte Feiern betraf.

Die Entstehung dieses Hauses Steinplatz Ecke Uhlandstraße war genauso ungewöhnlich wie die Geschichte seiner Bewohner. August Endell, ein Denker, Philosoph, Kunstredakteur, Ästhet und autodidaktischer Architekt hat es gebaut, ein "hagerer, stets kränklicher Mensch mit storchenhafter Erscheinung", dessen künstlerische Entwicklung von der "Über-Ornamentik" des Jugendstils bis zur sachlichen Moderne reichte. Weitere seiner Bauten waren zwei Theater, die nicht erhalten sind, deren Bilder aber ein fantasiereiches Spiel mit der Üppigkeit des Jugendstils zeigen, zwei Villen in Westend, der vorderste, geflieste Hof der Hackeschen Höfe und die Trabrennbahn Mariendorf. Er gab die Kunstzeitschrift "Pan" heraus, als Designer hat er Möbel, Lampen und Textilien entworfen. Er war ein universelles Genie wie der bekanntere Peter Behrens, der Bauten für die AEG entwarf (z.B. die Turbinenhalle - "Kathedrale der Arbeit") und vom Firmenlogo bis zum Produktdesign deren gesamtes Erscheinungsbild prägte, ohne als Architekt oder Designer ausgebildet zu sein.

Und heute? Als wir vom Steinplatz kommend in die Uhlandstraße einbiegen - die unser heutiges Flanierziel sein soll - blinkt uns unter einem schon in die Jahre gekommenen, derzeit nicht benutzten Baugerüst der goldenen Rundbogen des Eingangsportals entgegen, alles andere ist in Schutt und Graffiti versunken. Erschreckt sehen wir das Haus an - wie konnte das passieren? Das Gebäude steht unter Denkmalschutz, aber das bedeutet eben nicht, dass es erhalten werden muss, sondern nur, dass bauliche Veränderungen genehmigt werden müssen und dass eine neue Nutzung denkmalgerecht sein muss, wobei die Behörde auf die Wirtschaftlichkeit Rücksicht nehmen soll. Eine Pflicht, ein ungenutztes Denkmal wieder herzustellen, gibt es nicht. Wenn Investoren auf Vorrat kaufen, kann so etwas herauskommen.

Die Uhlandstraße, die vom Steinplatz in Charlottenburg bis zum Volkspark Wilmersdorf geht, hat - obwohl sie im Zentrum den Kudamm kreuzt - nur wenige historische Bauten und einige Neubauten an markanten Ecken, wie beispielsweise das Stilwerk Ecke Kantstraße und das BMW-Gebäude Ecke Kudamm. Ein neubarockes Mietwohnhaus - ein kleiner Palast mit reichhaltiger Fassadengliederung - steht auf dem Abschnitt zwischen Kudamm und Lietzenburger Straße.

Ab Hohenzollerndamm macht sich der Magen bemerkbar, wir biegen in die Güntzelstraße ein und essen griechisch. Es kommt mir so vor, als gäbe es (nur noch) wenige Griechen in Berlin, ist meine Wahrnehmung falsch?
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Mehr zur Uhlandstraße: Uhlandstraße


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