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Per Expressbus zu sechs Dörfern


Stadtteile: Zehlendorf, Lichterfelde, Marienfelde, Buckow, Johannisthal, Schöneweide
Bereich: Expressbus X 11
Datum: 10. August 2015
Bericht Nr: 517

Die Doppeldecker-Busse der BVG sind aus Berlin nicht wegzudenken. Ganz selten mal bleiben sie unter einer zu niedrigen Brücke stecken wie an der Drakestraße, aber daran kann es nicht liegen, dass die Fahrgäste generell nicht gern ins Oberdeck heraufgehen. Jetzt lockt die BVG bei neuen Doppeldeckern mit USB-Anschlüssen im Oberdeck und einem Monitor, der schon unten die oben freien Plätze anzeigt. Uns muss man nicht locken, von oben und möglichst in der ersten Reihe sieht man viel mehr von der Stadt, bekommt ein Gefühl für die Eigenart der durchquerten Kieze. Also auf zur Stadtrundfahrt mit einem Expressbus, der in einer knappen Stunde sechs Dörfer im Süden Berlins miteinander verbindet. Der X 11 startet in Zehlendorf am U-Bahnhof Krumme Lanke und endet in (Nieder-)Schöneweide.

(Haltestelle Zehlendorf Eiche)

Das um 1220 gegründete Dorf Zehlendorf wurde bereits 20 Jahre später von seinen Landesherren an das Kloster Lenin verkauft. Die Brüder Johann I. und Otto III. regierten als Markgrafen-Doppelpack von Spandau aus die Mark Brandenburg und hatten offensichtlich wenig Interesse an Zehlendorf, sie richteten sich mehr auf den Landesausbau Richtung Osten aus. Die Mönche vom Kloster Lehnin waren auf Einkaufstour Richtung Teltow unterwegs, Drewitz hatten sie gerade geschenkt bekommen, Ahrensfelde und andere Dörfer gekauft, da waren die 300 Silbermark gut angelegt, um Zehlendorf zu übernehmen.

Die Entwicklung Zehlendorfs ist durch den Verkehr geprägt. An der Verbindungsstraße nach Potsdam wurde eine Poststation eingerichtet, an der auch die Kutschpferde ausgespannt wurden. Kurz vor 1900 hat Carl Gotthard Langhans - dem wir das Brandenburger Tor verdanken - die erste preußische Chaussee von Berlin nach Potsdam über Zehlendorf gebaut. Ihr Jahr 1838 fuhr die erste Fernbahn zwischen Berlin und Potsdam. Sie hatte unterwegs nur einen Haltepunkt - in Zehlendorf. Knapp 40 Jahre später wurde die Wannseebahn in Betrieb genommen, die hinter dem Bahnhof Zehlendorf die Stammbahnstrecke verlässt und zu den Villenkolonien Richtung Schlachtensee unterwegs ist.

Im "historischen Winkel" von Kirche und Schule (jetzt Heimatmuseum) steht die Friedenseiche, die 1871 am Sedantag gepflanzt wurde. Die Schlacht von Sedan steht für den Sieg über die Franzosen im Krieg 1870/71. Wie die viele Berliner Straßenbenennungen nach französischen Orten dieses Krieges verbindet sich hiermit weniger der Gedanke des Friedens als vielmehr die Freude darüber, den Erzfeind niedergerungen zu haben.

Der BVG-Expressbus X 11 bringt uns an der Haltestelle "Zehlendorf Eiche" (Clayallee/Potsdamer Straße) direkt in das Zentrum des alten Dorfes. Hier sieht es aus wie auf dem historischen Foto von 1909, nur die Eiche ist viel voller geworden. Ein paar Schritte von hier sprudelt der Märchenbrunnen am Sderotplatz, benannt nach dem Ort in Israel, der immer wieder Ratenangriffe aus dem Gazastreifen aushalten muss.



(Haltestelle Karwendelstraße)

Auf der alten Dorfaue von Lichterfelde zwischen den Fahrspuren des Hindenburgdamms stehen zwei Kirchen und ein gedrungener Backsteinturm mit den Initialen "B.V.E.W.". Die Tür mit der Aufschrift "Hochspannung Lebensgefahr" weist nicht auf einen besonderen sakralen Kick hin - auch wenn der Turm von Fritz Gottlieb(!) entworfen wurde - sondern auf die "Berliner Vororts-Elektricitäts-Werke", die hier einen Stromverteiler in gotischer Formensprache errichtet haben. Von Fritz Gottlieb stammt auch der Entwurf der Pauluskirche, die zwischen Dorfkirche und Stromverteilerturm auf der Dorfaue steht und im Jahr 1900 eingeweiht wurde.

Von hier aus sieht man das Gutshaus Lichterfelde ("Carstenn-Schlösschen"). Es liegt in einem Schlosspark, der bis zum Teltowkanal reicht. Als Gutshaus 1780 im klassizistischen Stil erbaut, war es Teil vom Gut Lichterfelde, das Johann Anton Wilhelm von Carstenn 85 Jahre später kaufte. Zusammen mit dem Gut Giesendorf schuf Carstenn hieraus "Groß-Lichterfelde", eine neue Villenkolonie. Sein Grab befindet sich an der alten Dorfkirche Lichterfelde hier auf der Dorfaue, die im 14.Jahrhundert aus Feldsteinen errichtet wurde.



(Haltestelle Nahmitzer Damm/Marienfelder Allee)

Während Zehlendorf, Lichterfelde und Buckow um 1220 und 1230 von Siedlern im Rahmen der Ostkolonisation angelegt wurden, entstand das Dorf Marienfelde zur gleichen Zeit als Gründung durch einen Kreuzritterorden, die Templer. Es war die Zeit der Kreuzzüge zur Befreiung des Heiligen Landes von den "Ungläubigen". Zur Unterstützung bauten die Templer ein total modern anmutendes Bankensystem auf. Teilnehmer der Kreuzzüge konnten in einer europäischen Niederlassung der Templer ("Komturei") Geld einzahlen, die Reise dann bargeldlos antreten und mithilfe schriftlicher Zahlungsanweisungen Geld am Ziel abheben. Durch diese Bankgeschäfte, durch Schenkungen und eigenes Wirtschaften sind die Templer reich geworden. Ihre Tempelhofer Komturei gründete die Dörfer Tempelhof sowie Mariendorf und Marienfelde, die an einer gemeinsamen Nord-Süd-Straßenverbindung liegen und während der Ostkolonisation auch strategische Bedeutung hatten.

Beim Aussteigen am Nahmitzer Damm vermutet man angesichts des Geflechts vielbefahrener überregionaler Straßen nicht, hier eines der am ursprünglichsten erhaltenen Berliner Dörfer zu finden. Doch der Charakter ändert sich, wenn man die Straße Alt-Marienfelde gefunden hat.

An der Marienfelder Dorfaue steht Berlins älteste Dorfkirche von 1220, eine Feldsteinkirche mit mächtigem hohen Turm. Auch der ehemalige Gutshof liegt an dieser Straße, angrenzend an den Nahmitzer Damm. In der Nachkriegszeit wurde Marienfelde über Berlin hinaus bekannt durch das Notaufnahmelager für Flüchtlinge und Aussiedler aus der DDR.



(Haltestelle Alt-Buckow)

Wenn man genau hinschaut, bemerkt man, dass die Hauptverbindungsstraße Richtung Rudow und Schöneweide, auf der der Bus hier hält, die Dorfstraße von Buckow ist. Die Berliner Dorfstraßen wurden nach einem einheitlichen Konzept nach und nach umbenannt, indem man "Alt-" vor den Dorfnamen setzte. Das begann 1927 mit Biesdorf und den Nachbardörfern an der Straße nach Frankfurt, Alt-Buckow war 1939 als 22.Dorf an der Reihe. Eine Ausfallstraße durch den Dorfkern zu legen, ist die sicherste Möglichkeit, den Dorfcharakter zu vernichten.

Alles ist noch vorhanden: Kirche, Dorfteich, Gasthof, Schule, ein märkischer Vierseithof und Bauernhäuser, aber das ist kein stimmiges Bild mehr, weil der Verkehr alles an den Rand gedrängt hat und keine Aufenthaltsqualität mehr vorhanden ist. Welch ein Gegensatz zum Nachbardorf Marienfelde!



Der hohe Turm der Dorfkirche gibt ihr ein wehrhaftes Aussehen, doch von den Wehrkirchen Siebenbürgens sind die märkischen Dorfkirchen weit entfernt. Im rumänischen Siebenbürgen rückte man zusammen gegen den nahenden Feind, deponierte Vorräte, schuf in dem Bau Unterkünfte. Schießscharten, Wehrmauern und Wehrgänge, um sich gegen die Tartaren und Osmanen zu verteidigen. Wenn in märkischen Kirchen ansatzweise Wehrbalken vorhanden sind, dann dienen sie nur dazu, ein breites Kirchenportal von innen zu verschließen.

(Haltestelle Haushoferstraße)

Johannisthal und Schöneweide sind keine Bauerndörfer, sondern Siedlungen, die erst im 17. und 18.Jahrhundert entstanden. Johannisthal war eine Kolonie von Siedlern aus der Pfalz, die von Friedrich dem Großen angelegt wurde.

Auf dem Königsheideweg sieht man kurz vor der Haltestelle Haushoferstraße die Gebäude des Wasserwerks Johannisthal, das nach mehr als hundert Jahren vom Netz genommen wurde, aber von den Wasserbetrieben weiter in Bereitschaft gehalten wird. Spree, Dahme, Britzer Zweigkanal und Teltowkanal hat man von hier aus angezapft, um Trinkwasser zu gewinnen. Das Gelände des Wasserwerks ist seit 2007 Naturschutzgebiet, kann aber nicht betreten werden.



Benannt ist die Königsheide immer noch nach einem (erfolgslosen) Treffen des Schwedenkönigs und des Brandenburgischen Kurfürsten während des dreißigjährigen Krieges. Wenn man an der Haushoferstraße aussteigt - die nach dem Großvater des Dichters Albrecht Haushofer ("Moabiter Sonette") benannt ist - kommt man direkt zum Rathaus Johannisthal am Sterndamm. Von hier aus kann man den ehemaligen Flugplatz Johannisthal und die letzten Zeugnisse des kurzzeitigen Luftkurorts "Bad Johannisthal" erkunden.

(Haltestelle S Schöneweide/Sterndamm)

Schöneweide gibt es eigentlich gar nicht, der S-Bahnhof liegt in Niederschöneweide. Oberschöneweide und Niederschöneweide haben sich unabhängig voneinander an beiden Ufern der Spree entwickelt und gehörten bis 2001 sogar zu verschiedenen Berliner Verwaltungsbezirken. Der gemeinsame Name geht auf den brandenburgischen Kurfürsten Joachim II. zurück, der sich an der "schönen Weyde" erfreute, wenn er über die Spree nach Köpenick schipperte.

Das Zentrum von Niederschöneweide wirkt wie eine belebte Kleinstadt. Von der Entstehungszeit (Teerofen, Krug, Bleiche) sind keine Zeugnisse erhalten. Die Industriebetriebe der DDR-Zeit einschließlich der Brauerei sind abgewickelt. Schule, Kirche, Feuerwehr, Bahnhof, Postamt, Pumpwerk, Bürgerhäuser und andere bemerkenswerte Bauten können Sie erkunden, wenn Sie uns durch Niederschöneweide begleiten.

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Von Start bis Ziel fährt der Expressbus nach Fahrplan in 62 Minuten. Folgt man den Wegen in die Dörfer hinein, dann kann das schnell eine Halbtags- oder Tagestour werden, die aber einen guten Einblick in die Unterschiedlichkeit der Berliner Dörfer erlaubt. Wenn Sie den Links (unterstrichenen farbigen Begriffen im Text) folgen, finden Sie unsere Spaziergänge in den einzelnen Dörfern.

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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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... und hier sind weitere Bilder ...
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Unsere Route
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Straßenverkehr