Bezirke
  Straßenverzeichnis     Personen     Themen     Aktuell     Forum  
Charlottenburg-Wilmersdorf
Friedrichshain-Kreuzberg
Lichtenberg
Marzahn-Hellersdorf
Mitte
Neukölln
Pankow
Reinickendorf
Spandau
Steglitz-Zehlendorf
Tempelhof-Schöneberg
Treptow-Köpenick
Allgemein:
Startseite
Ich bin NEU hier
Hinweise
Kontakt
Impressum
Datenschutz
Links
SUCHEN
Sitemap

Mäandernde Fußgängerbrücke aus Stahl und Beton


Stadtteil: Lichterfelde; Zehlendorf
Bereich: Wannseebahn
Stadtplanaufruf: Berlin, Mörchinger Straße
Datum: 5. Juli 2023
Bericht Nr.:810

Von Lichterfelde nach Zehlendorf verlaufen die Wannseebahn und die Berliner Straße parallel. Unser Spaziergang beginnt an den letzten Bauten des Lichterfelder Villengebiets, unter anderem einer "Mietvilla" und endet in Zehlendorf am Vopeliuspfad an weiteren "Mietvillen". Diese Bauten stammen alle aus den Jahren um 1910. Heute werden die Begriffe "Villa" und "Palais" in inflatorische Fülle für hochpreisige Neubauten verwendet, auch auf Schinkel beruft man sich gern. Das ist Maklersprech, der Einfamilienhäuser oder Mehrfamilienhäuser in städtisch-dichter Bebauungsweise aufwerten soll.

Die Römer verwendeten den Begriff "Villa" für repräsentative Landsitze mit freistehenden Herrenhäusern auf großzügigem Grundstück. Das blieb auch in der Renaissance so, man denke nur an die Harmonie und Eleganz der Bauten von Andrea Palladio, der sich als Architekt an Vorbildern der römischen Antike orientierte. Bei uns waren es dann später die freistehenden Häuser des Großbürgertums in den "Villen"vierteln, bis sich schließlich auch anspruchsvolle Einfamilienhäuser "Villen" nannten.

Mietvillen
Ein äußeres Erscheinungsbild wie eine Villa, im Innern mehrere Mietwohnungen, das ist die "Mietvilla". Der Begriff haben Architekten für Bauten in den Berliner Villenvororten entwickelt. Bruno Taut hatte für den Wäschereibesitzer Erwin Reibedanz um 1910 die Gebäude einer Dampfwäscherei in Tempelhof entworfen und zeitgleich eine Mietvilla an der Adolf-Martens-Straße 14 in Lichterfelde.

Der kompakte Baukubus enthält pro Geschoss eine 250 qm große Sechszimmerwohnung. Taut verwendete plastisch wirkende Baugliederungen zur Gestaltung. Die ursprünglichen Ornamente und Farben sind heute nicht mehr vorhanden, der Bau wurde "glattgeputzt" und hat dadurch die typische Handschrift von Taut verloren. Auch ein Medaillon an der Hausfront wurde dem Bau nachträglich angeklebt.

Am Vopeliuspfad in Zehlendorf hat der Architekt Ludwig Otte 1905 für eine Gruppe von 11 Mietvillen individuelle, variationsreiche Fassaden gestaltet. Die gleichartigen Grundrisse der Häuser - von einer anderen Architektengemeinschaft entworfen - enthalten pro Etage vier Wohnungen mit je 4 bis 5 Zimmern, nach hinten um einen Lichthof gruppiert. Mit Souterrain und nachträglich ausgebauten Dachgeschossen sind vier Wohngeschosse vorhanden, von denen jedoch nur zwei von der Straße aus wahrgenommen werden. Die Bauten als "Villen" zu bezeichnen, ist jedoch grenzwertig, es sind eher variationsreich gestaltete Mehrfamilienhäuser.

Materialprüfungsanstalt (BAM)
Von Lichterfelde nach Zehlendorf verlaufen die Wannseebahn und die Berliner Straße parallel. Dazwischen liegt die Adolf-Martens-Straße und ihre Verlängerung Mörchinger Straße. In Lichterfelde unterbricht das Gelände der Materialprüfungsanstalt den Straßenverlauf. Die "Deutsche Bauzeitung" berichtet 1904, dass das "Königliche Material-Prüfungsamt der Technischen Hochschule Berlin in ihr neues, geräumiges und mit allen modernen Hülfsmitteln ausgestattetes Heim in Groß-Lichterfelde übergesiedelt ist".

Auf einem Grundstück der Domäne Dahlem, das für die Bebauung erschlossen worden war, mit 130 m Straßenfront und 3.800 qm Fläche, war 1904 das Hauptgebäude mit Seitenflügeln bezogen worden. Weitere Bauten wie das Direktorenhaus wurden nach und nach ergänzt. Die Gebäude bedeckten 1928 schätzungsweise ein Drittel der Fläche, heute ist der Baugrund voll ausgenutzt, manche Abteilungen sind auf andere Grundstücke in der Umgebung ausgewichen.


mit KLICK vergrößern

Die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) prüft nicht nur Materialien - angefangen hatte es mit Eisen und Stahl, Öl, Papier, Baumaterial - sondern berät, forscht, normiert zu Themen der Sicherheit und Zuverlässigkeit von Materialien, Verfahren und Technologien. "Zum Schutz von Mensch, Umwelt und Sachgütern", wie sie selbst es beschreibt.

Villen für Direktoren und für Architekten
Zwei Direktorenhäuser sind im Umkreis der BAM errichtet worden. Max Gary, seit 1895 Leiter der Königlichen Prüfungsstation für Baumaterialien, ließ 1903 Unter den Eichen 91 neben dem Institutsgelände seine Villa erbauen.

Westlich des Institutsgeländes entstand 1925 das Landhaus Raebel. Herrmann Raebel betrieb in der Teilestraße ein Baugeschäft, er errichtete in Berlin bedeutende Bauten wie das Umspannwerk am Rudolfplatz. Beim Landhaus Raebel war er gleichzeitig als Baumeister für den Entwurf verantwortlich.


mit KLICK vergrößern

Bevor wir Lichterfelde verlassen, müssen wir noch zwei ungewöhnliche Villen in der Knesebeckstraße (nahe Drakestraße) vorstellen. Villen des Architekten Robert Kleinau mit Fachwerk und Türmen sind uns bei unseren Spaziergängen in Zehlendorf mehrfach begegnet.

An seinem eigenen Haus in der Knesebeckstraße 1 hat er verschiedene Dachformen und Aufbauten zu einer Symphonie verschmolzen. Bei der Restaurierung des Gebäudes sind Gravuren und Verzierungen gefunden worden, die wahrscheinlich noch aus der Bauzeit stammen. Klinken mit insektenähnlichen Gravuren, Türverglasungen mit floralen Motiven, Fenstergitter mit Blumenmotiven. Der Gewölbekeller wird manches Bacchanal erlebt haben, dort finden sich gemalte Wirtshausszenen.


mit KLICK vergrößern

Eine bewegten Dachlandschaft hat auch das Nachbarhaus Knesebeckstraße 2. Der Architekt Hermann Rückwardt war vor allem als Königlicher Hoffotograf tätig. Erker, Türme und Dachhelme prägen den malerischen Ausdruck seiner Eckvilla, die er 1891 als eigenen Wohnsitz erbaut hat.

Von Lichterfelde nach Zehlendorf
Der Dahlemer Weg ist die Grenze zwischen den Ortsteilen Lichterfelde und Zehlendorf. Hier ändert sich auf unserer Route der Charakter der Bebauung. Entlang der Mühlenstraße von Lichterfelde nach Zehlendorf hatten wir bereits auf einem früheren Rundgang festgestellt, wie sich beide Ortsteile voneinander abheben. In Lichterfelde ist es heute die Villenbebauung, die vom BAM-Gelände abgelöst wird, in Zehlendorf bieten mehrgeschossige Wohnblöcke ein großstädtisches Bild.

Aufwendige Brückenkonstruktionen
Von der Straßenbrücke über den Dahlemer Weg schaut man Richtung Osten auf das abgeschottete Gelände der Materialprüfer. Das Gelände Richtung Westen wurde früher von einer Baumschule genutzt, Anfang der 1990er Jahre hat man es bebaut und einen unbefestigten Weg parallel zur Wannseebahn eingerichtet. Zu diesem Pfad führt oben vom Dahlemer Weg eine aufwendige Brückenkonstruktion, ein mäandernder Holzbohlenweg, dessen Konzept einen rätseln lassen kann:


mit KLICK vergrößern

Eine Rampe aus vier Stahlbrücken mit Holzbohlenbelag ist auf Betonpodesten und -Widerlagern aufgelegt, die mit massiven Betonpfeilern im Erdreich verankert sind. Wofür war diese kostspielige Gestaltung notwendig, das Gelände der Baumschule dürfte doch eine normale Tragfähigkeit aufgewiesen haben?

Etwas weiter westlich lässt sich die Wannseebahn für Fußgänger und Radfahrer auf einer "Schneckenbrücke" überqueren. Spiralförmig windet sie sich barrierefrei zu einem Steg empor, der das Überqueren ermöglicht, um drüben hinter der Bahntrasse spiralförmig wieder abwärts zu führen. Dem Fotografen ermöglicht sie interessante Durchblicke, aber ob das Bauwerk außer praktisch zu sein auch noch ästhetische Ansprüche befriedigt, liegt im Auge des Betrachters.


mit KLICK vergrößern

Doch sie hat historische Vorzüge, die bei der Einweihung 1976 sogar den Bausenator und den Bezirksbürgermeister als Gleisbett gelockt haben: Sie soll Berlins 500. Brücke sein, und damit nicht genug die die 250., die nach 1945 neu erbaut wurde. Außerdem war sie die zweite ihrer Art in Berlin zur damaligen Zeit. (Hoffentlich hat sich da niemand verzählt oder ist in der Zeile verrutscht, um eine markante Zahl zu finden). In der Reinickendorfer Ernststraße haben wir ein weiteres Exemplar gesehen, mit dem man die "Borsigwalder Alpen" überqueren konnte.

Ökosiedlung Berliner Straße
Der Weg an der Wannseebahn führt zur Siedlung Am Mühlenberg, die ein Beispiel ist für das Ringen um die zeitgemäße Dachform - Flachdach oder Spitzdach - im "Zehlendorfer Dächerkrieg". An der Mörchinger Straße stehen sich beide Dachformen in verschiedenen Bauphasen derselben Siedlung gegenüber. Das Areal der Baumschule nebenan wurde in den 1990er Jahren zu einem anderen außergewöhnlichen Bauprojekt, der Ökosiedlung Berliner Straße.

Von der Berliner Straße über die Mörchinger Straße ziehen sich die Bauten nach Süden bis zum Weg an der Bahn herunter. Die Bewohner träumten von einem besseren Leben mitten in der Stadt, kinderfreundlich, ökologisch und solidarisch sollte es sein. Als hätten die Städtebauer nur auf diese Initiative gewartet, hatten sie Fördertöpfe mit wohlklingen Namen dafür parat: "Experimenteller Wohnungs- und Städtebau", "Stadtökologisches Modellvorhaben", "Städtebauliche Qualitäten im Wohnungsneubau". Realisiert wurde eine ungewöhnliche Mischung von sozialem und freiem Wohnungsbau, Genossenschafts- und Eigentumswohnungen.

Nachbarschaftshaus Wannseebahn
Auch die Bauweise war zu jener Zeit fast revolutionär: Abwärme vom Kraftwerk Barnackufer (3 km entfernt) für die Fußbodenheizung, Wintergärten zur Isolierung der Wohnungen gegen Kälte. Das Regenwasser der Hausdächer wurde in eine Kuhle des sandigen Baumschulenbodens geleitet und bildete nach und nach einen See. Der futuristische Bau eines Nachbarschaftshauses hat eine Terrasse zum See, und nebenan ist ein ebenso futuristischer Kitabau entstanden.

Von dem See wird ein Zierbrunnen mit Säule und Brunnenfigur gespeist, der im Innenhof des 1932 von den Architekten Paulus & Paulus erbauten Teils der Mühlenberg-Siedlung steht. Die zwölfeckige Brunnenschale enthält eine kleinere Schale, von der aus vier stilisierte Fische in das größere Becken speien.


mit KLICK vergrößern

Zwei Wohnanlagen Berliner Straße
Kurz vor dem Ende unseres Spaziergangs wechseln wir an der Berliner Straße die Straßenseite, um zwei stilistisch herausragende Wohnanlagen aus den 1920er Jahren anzusehen. Westlich der Einmündung der Winfriedstraße erstreckt sich eine Zeile von zweigeschossigen Backsteinbauten. Dreieckige Erker springen in Reihe aus der Front hervor, zwei Erker umgeben jeweils einen Treppenaufgang mit gezacktem Giebel in der Dachzone. Die weißen Sprossenfenster bilden einen angenehmen Kontrast zur Backsteinfront.

An die stumpfe Ecke zur Charlottenburger Straße schmiegt sich im Bogen eine Wohnanlage an, die aus sechs miteinander verbundenen Häusern unter einem Flachdach besteht. Die Fenster im ersten und zweiten Stock sind jeweils zu einem Band verbunden, alle Fensterbänder verlaufen auf gleicher Höhe und stellen dadurch eine optische Verbindung aller Häuser her. Von hier sind es nur noch wenige Schritte nach Zehlendorf Mitte, um mit einem geeigneten Verkehrsmittel den Heimweg anzutreten.
--------------------------------------------------------------

--------------------------------------------------------------
Unsere Route:
--------------------------------------------------------------

zum Vergrößern ANKLICKEN



Würdige Haltung, kühner Blick, ruhiger Charakter
Mänaden tanzen auf der Fassade