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Dorf mit Lagegunst


Stadtteil: Spandau
Bereich: Tiefwerder
Stadtplanaufruf: Berlin, Tiefwerderweg
Datum: 16. Mai 2016
Bericht Nr: 545

Die Dorfstraße von Tiefwerder schmiegt ihre Westseite an die Windung der Havel an. Im Süden und Osten wird die Straße vom Jürgengraben umflossen. Jedes Grundstück ist ein Wassergrundstück, das Dorf steht auf einer Insel. Bis ins 20.Jahrhundert hinein war es ein Fischerdorf wie der Köpenicker Kietz. Amtlich wird es aber als Kolonistensiedlung bezeichnet, und das ist ein Hinweis auf die Vertreibung dieser Fischer aus dem Spandauer Kietz. Zweimal musste das seit 1319 bestehende Spandauer Dorf umziehen. Erst war es dem Bau der Zitadelle im Weg und musste zum Burgwall vor dem Klostertor weichen. Dann wurde es während der Kriege gegen Napoleon niedergebrannt, als ein französischer Divisionsgeneral die Spandauer Vorstädte räumen ließ. Einen neuen Platz hat man den Fischern in Tiefwerder zugewiesen, und da dieses Gebiet außerhalb der Spandauer Gemarkung lag, wurden sie mit diesem Umzug zu "Kolonisten", die ein fremdes Gebiet urbar machten.

Kein Dorfanger, keine Kirche, es ist ein nacktes Straßendorf, das zwischen Stresow und der Heerstraße in der durch die Havel geprägten Flusslandschaft liegt. Die Havel ist in ihrem gesamten Verlauf oft nicht als Fluss zu erkennen, sondern wird dort durch eine Vielzahl von Seen gebildet. Auch in Berlin sind der Tegeler See, der Spandauer See, der Stößensee und der Wannsee Teil der Havel.

Die Dorfstraße von Tiefwerder endet im Süden an mehreren Wasserarmen, die das "Klein-Venedig" Spandaus sind (das größere "Neu-Venedig" liegt im Köpenicker Ortsteil Rahnsdorf). Spandau und Köpenick - die beiden Außenposten an der Spree mit dem Fischerdorf Berlin in der Mitte - ähneln sich mit den "Kietz" genannten Fischerdörfern und den Siedlungen "Klein-Venedig" bzw. "Neu-Venedig" am und im Wasser. Doch während das militärische Spandau seine Burg im Laufe der Jahrhunderte in eine Festung (Zitadelle) umwandelte, wurde aus der Köpenicker Burg ein kurfürstliches Barockschloss.

Fünfzehn Kolonistenhäuser entlang der Dorfstraße in Tiefwerder - alle nach 1816 erbaut - sind heute noch erhalten, doch der dörfliche Charakter ist verloren gegangen. Vor allem der Wassersport hat hier deutliche Zeichen gesetzt. Auch eine der ältesten Diskotheken weltweit ist hier zu finden. In der Dorfstraße 5 soll die älteste Rockdiskothek Europas bestehen, die nie umgezogen ist.


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Die Tiefwerder Wiesen südlich des Dorfes waren ein Überflutungsgebiet der Havel. Hier weiden Wasserbüffel in einem eingezäunten Bereich auf den Feuchtwiesen. Die Wasserbüffel fressen fast alles, sogar Schilf, und sind daher als "Rasenmäher" willkommen. Während Rinder bei Feuchtigkeit leicht krank werden, macht den Wasserbüffeln - asiatischen Großrindern - die Feuchtigkeit nichts aus. Seit 2011 weiden die Wasserbüffel hier im Sommer, im Winter ziehen die Tiere ins Brandenburgische um. Auch im Tegeler Fließ findet man inzwischen Wasserbüffel.

Und beigefarbene Tiere stehen auf den Wiesen herum, die wie Schafe in Rindviehgröße aussehen. Sie sind so sehr mit Grasen beschäftigt, dass man ihren tief im Grün steckenden Kopf kaum sehen kann. Es sind Galloways der Farbe Dun mit flauschigem Fell, die einen als Weideland ausgewiesenen Teil dieses Gebietes nutzen.

Man nennt das "Landschaftspflege durch Beweidung", die Feuchtwiesen sollen dadurch erhalten bleiben. Es ist ein für Berlin einmaliges Naturschutzgebiet, in dem seltene Pflanzen- und Tierarten vorkommen. Früher war das Überschwemmungsgebiet der Havel eine Auenlandschaft, die durch ständigen Wechsel von Hoch- und Niedrigwasser geprägt war. Und es war Berlins größtes Laichgebiet für Hechte. Heute werden die Wiesen nur noch sehr selten überschwemmt, weil der Wasserspiegel der Havel durch verschiedene Eingriffe abgesenkt wurde.


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Zurzeit wird renaturiert, der Wasserstand auf den Wiesen soll reguliert werden. Das Wasser- und Schifffahrtsamt lobt sich selbst dafür, dass es "aus guter Tradition besonders anspruchsvolle Maßnahmen zur Verbesserung des gewässerbezogenen Naturschutzes angeht". Das ist doch dieses Amt, das am Landwehrkanal Bäume mit überdimensionalen Betonwürfeln vor dem Absturz ins Wasser schützen wollte, vermutlich als nachtragende Reaktion auf vorhergehende Bürgersproteste? Vom Bezirksamt wurden für die Renaturierung Kleingärtner gekündigt, die auf den Wiesen Flächen gepachtet hatten, ihre Lauben wurden größtenteils abgerissen. Einige Laubenpieper, die sich vertrieben fühlten, haben dagegen geklagt und Recht bekommen, doch für die Lauben kam das zu spät.

Der Havelarm, an den sich Tiefwerder anlehnt, ist um 1910 zum Südhafen geworden, als man den Fluss begradigte, mit Spundwänden versah und das Gebiet an der stillgelegte Kurve in einen Binnenhafen verwandelte. Der Senat sieht hier ein großes Entwicklungspotenzial, weil der Südhafen an der Bundeswasserstraße zwischen den Seehäfen Hamburg und Stettin liegt und von den Stadtschleusen und vom Niedrigwasser unabhängig ist. Außerdem habe der Hafen eine "trimodale Schnittstelle (Binnenschiff, Schiene, Straße)", deshalb komme ihm eine besondere "Lagegunst" zu. Tatsächlich flankieren die Schienen das denkmalgeschützte Eingangsgebäude der Hafengesellschaft BEHALA, und über die nördlich angrenzende Schulenburgstraße gibt es eine Verbindung nach Ruhleben und zur Heerstraße.

Von der Schulenburgbrücke über die Havel kann man das Hafengelände überblicken. Nach Norden schaut man zurzeit auf die dort am Ufer liegende, vormontierte Fahrbahn der Freybrücke, die darauf wartet, zur Baustelle verschifft zu werden. Die Bögen sind dort bereits montiert, das Nadelöhr mit der Behelfsbrücke an der Heerstraße zwischen Charlottenburg und Spandau wird dann hoffentlich bald beseitigt sein.


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Über eine Holzsteganlage kann man die Tiefwerder Wiesen durchqueren und vom Dorf zur Heerstraße gelangen. Damit endet ein Spaziergang, der am Tiefwerderweg begann, wo das Hafengelände und die Sportplätze des Spandauer Hockey- und Tennis-Clubs an der Straße gegenüber liegen. Südlich der Tiefwerder Brücke beginnt die Dorfstraße, die bis zu einem Steg Richtung Tiefwerder Wiesen verläuft. Hier liegen die Kleingartenanlagen von "Klein-Venedig". Hat man zwischen Brücke und Steg die Dorfinsel durchschritten, dann trifft man auf die Wasserbüffel und Galloways und ist der Natur überlassen.

Mit Blick auf die Baustelle Freybrücke verlassen wir Spandau und lassen uns am Amtsgerichtsplatz in Charlottenburg vom Griechen das Flaniermahl servieren. Ein Update des Lokals von Folklore zum Restaurant ist beim Publikum gut angekommen, am Abend des Pfingstmontags bekommen wir gerade noch einen Zweiertisch.

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Ein Spaziergang auf der gegenüberliegenden Havelseite: Fantasievolle Gebilde wie frei geformte Skulpturen

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... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
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... und hier sind weitere Bilder ...
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Unsere Route
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Ästhetische Verschleierung eines Lagers
Kleingärtner auf der Hallig