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Bei der Ballonfahrt ohnmächtig geworden


Stadtteil: Schöneberg
Bereich: Südkreuz
Stadtplanaufruf: Berlin, General-Pape-Straße
Datum: 9. Februar 2009

Französische Ingenieure arbeiten an einem Nachfolger für die Concorde, jenes Überschallflugzeug für Flugreisende, das bis 2003 flog. Erst gut 100 Jahre ist es her, dass in der Ballonfahrt ein dem Durchbrechen der Schallmauer vergleichbarer Rekord aufgestellt wurde: Mit offenen Korb stieg der bemannte Ballon "Preußen" 1901 auf 10.800 Meter. Der Ballon war von der Continental-Compagnie in Hannover hergestellt worden, jenem Unternehmen, das heute als Reifenwerk in eine Übernahmeschlacht mit noch ungewissem Ausgang verwickelt ist. Ob Tränen der Frau Schaeffler und die Umarmung der Gewerkschaften den Erfolg bringen werden, war zumindest einen Versuch wert. Doch zurück zu dem spektakulären Ballonflug 1901 mit dem Continental-Ballon.

Zwei Männer, der Meteorologe und erfahrene Ballonfahrer Arthur Berson und der Arzt und Fachmann auf dem Gebiet der Höhenkrankheit Reinhard Süring stiegen in den offenen Korb des mit Wasserstofffüllung 10 Tonnen schweren und 25 Meter im Durchmesser großen Ballons. Ab 4.500 Meter Höhe warfen sie Ballast ab, bis der Arzt Sühring trotz Sauerstoffatmung ohnmächtig wurde. Mit dem Betätigen des Ventils konnte Berson ein weiteres Steigen nicht verhindern, bei 10.500 Metern wurde auch er ohnmächtig. Der Höhenmesser an Bord, ein Barograph, konnte die letzte erreichte Höhe nicht mehr aufzeichnen, weil die Tinte eingefroren war. Die Ballonfahrt endete glimpflich, beide wachten beim Sinkflug wieder auf und landeten sicher. Höher als die beiden ist bis heute kein Ballon gefahren. Die Stratosphäre, die ungefähr in 15 km Höhe beginnt, haben sie nicht erreicht, aber den Anstoß zu ihrer Erforschung gegeben.

Ausgangspunkt der Ballonfahrt war die preußische Militär-Luftschiffer-Abteilung an der General-Pape-Straße. Sie war verantwortlich für die Nahaufklärung mit Fesselballons. Durch ihre Arbeit entstanden Deutschlands erste Luftbilder.

An der General-Pape-Straße war ab 1850 ein großes Kasernengelände an der Eisenbahnlinie Berlin-Anhalt entstanden, das zunächst mehrere Eisenbahnbataillons, später die Luftschiffer, ein Kraftfahrbataillon, ein Lazarett und Verwaltungsstellen beherbergte. Nach dem zweiten Weltkrieg endete die militärische Nutzung, es gab eine bunte Nutzung durch Betriebe wie Tabakmanufaktur, Elektroschrottverwertung, Schuhmacherei, Schreibmaschinenteilewerkstatt, Autowerkstatt und durch öffentliche Stellen als Lagerhalle für Senatsreserven während des kalten Krieges, Wohnheim für Flüchtlinge oder Finanzämter.

Heute kann man hier einen vom Bezirksamt eingerichteten Geschichtsparcours begehen. Die Kasernenkomplexen sind denkmalgeschützt, auch wenn die einstige regelmäßige Struktur der früheren Kasernen durch die Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und diverser Neubauten heute nicht mehr sichtbar ist. Die "Gewerbe- und Kulturkaserne" soll zu einem belebten, attraktiven Standort entwickelt werden.

"Hoch lebe unser Regiment! Das neben seinen Waffen auch Axt und Spaten kennt." So forsch kamen die Eisenbahnregimenter daher, die hier als modernste preußische Truppenteile gegründet wurden, nachdem im Krieg gegen die Franzosen 1870/71 die Eisenbahn erfolgreich eingesetzt worden war. Mit der militärischen Nutzung der Bahn war es wie mit anderen Entwicklungen auch (z.B. der Straßenbahn): erst als in Amerika das eingeführt und vorgeführt wurde, was man selbst bereits kannte, kam es hier zum Durchbruch. Die Amerikaner hatten im Bürgerkrieg die Eisenbahnen erfolgreich zum Truppentransport und zur Versorgung eingesetzt, 1875 zogen die Preußen mit einer Militärbahnlinie auf der Berlin-Dresdener Eisenbahnstrecke nach.

Die 45 km lange Militäreisenbahn über Klausdorf, Sperenberg zum Artillerieschießplatz Kummersdorf und später weiter nach Jüterbog wurde ausschließlich mit Militärpersonen (Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften des Regiments) betrieben (1). 1888 gestattete die Militärverwaltung die Mitfahrt von Zivilisten auf der gesamten Strecke, Ziegeleien und Gipswerke der Gegend trugen wesentlich zum Frachtaufkommen bei, ab 1901 unternahmen AEG und Siemens Schnellfahrversuche mit Triebwagen. Hier wird deutlich, wie stark schon damals Militär- und Zivilbereich miteinander umgehen und voneinander profitieren. Das technische Know-how der Eisenbahnmilitärs wurde auch im zivilen Bereich eingesetzt, zum Beispiel bei Sprengarbeiten für den Bau der U-Bahn.

Auf dem Kasernengelände General-Pape-Straße arbeiteten auch die zentralen Stellen für den militärischen Einsatz der Untertanen im preußischen Obrigkeitsstaat. Die Erfassungs- und Musterungsbehörden der Bezirkskommandos erfassten ab 1898 alle Wehrpflichtigen der Hauptstadt Berlin und des angrenzenden Umlandes, hier wurde erfasst, gemustert,
einberufen und entlassen. Nach dem Krieg änderte sich die Arbeit der hier unverändert ansässigen preußischen Militärbehörde. Jetzt war sie als Hauptversorgungsamt zuständig für die Rentenzahlungen an die Kriegsopfer oder deren Hinterbliebene und für die gesundheitliche Betreuung der zahlreichen Kriegsversehrten. Statt Einberufungen gaben sie jetzt Prothesen aus.

Zwischen den Kasernen gab es umfangreiche Flächen für Exerzierfelder. Im 1.Weltkrieg erlaubte die Militärbehörde bereits 1915 dem Personal der Bezirkskommandos und der Landwehrinspektion, die Grünanlagen zwischen den Dienstgebäuden zum Anbau von Obst und Gemüse zu nutzen. In den Hungerjahren nach dem 2.Weltkrieg wurde auch der ehemalige Exerzierplatz des 2. Eisenbahnregiments in Gartenland umgewandelt. Heute erinnern Kleingartenkolonien auf dem Gelände an diese Umwidmung. Das hat es also wirklich gegeben: Schwerter zu Pflugscharen

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(1) Hier lesen Sie mehr über den Militärbahnhof Berlin: Sehnsucht nach der Autobahn

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Industrieviertel
Sozialpalast --> siehe auch Bausünde