Bezirke
  Straßenverzeichnis     Personen     Themen     Aktuell     Forum  
Charlottenburg-Wilmersdorf
Friedrichshain-Kreuzberg
Lichtenberg
Marzahn-Hellersdorf
Mitte
Neukölln
Pankow
Pankow, Weißensee
Prenzlauer Berg
Reinickendorf
Spandau
Steglitz-Zehlendorf
Tempelhof-Schöneberg
Treptow-Köpenick
Allgemein:
Startseite
Ich bin NEU hier
Hinweise
Kontakt
Impressum
Datenschutz
Links
SUCHEN
Sitemap

Sucht uns in Eurem Herzen


Stadtteil: Pankow
Bereich: Jüdischer Friedhof Weißensee
Stadtplanaufruf: Berlin, Herbert-Baum-Straße
Datum: 1. August 2011

In Weißensee gibt es zwei jüdische Friedhöfe, den kleinen konservativen Adass Jisroel an der Wittlicher Straße und den großen bürgerlichen an der Herbert-Baum-Straße. Auf dem großen Friedhof kann man sehen und erfühlen, dass die hier beerdigten Juden sich assimiliert hatten, Teil des Bürgertums waren. Während der kleine Friedhof streng orthodox keine Urnenbegräbnisse, keine repräsentativen Grabanlagen und Erbbegräbnisse, keinen Grabschmuck, keine Blumen und Kränze, nur hebräische Schriftzeichen auf der Vorderseite der Grabsteine, ja nicht einmal geschnitzte Särge zulässt, sieht es auf dem großen Friedhof für uns so vertraut aus, dass wir nur im Vergleich sehen, wie die Symbole der gesellschaftlichen Anerkennung die jüdischen Vorstellungen überformt haben. Repräsentative, künstlerisch und architektonisch gestaltete Grabanlagen setzen ein Denkmal für bedeutende Persönlichkeiten, obwohl im Tode alle gleich sein sollen. Auch Mies van der Rohe und Walter Gropius haben hier Grabanlagen geschaffen. Jugendstil und Art Deco, schmiedeeiserne Einfassungen und antikisierende Grabtempel, Kalkstein und roter Granit, Schalen aus Kupferblech, Säulen und Vasen, eine Vielzahl von Ornamenten sind hier zu finden.

Der 1880 angelegte Friedhof ist mit 42 Hektar doppelt so groß wie die Gärten der Welt in Marzahn. Wenn man alle Wege begeht, legt man 15 Kilometer zurück. Ursprünglich sollte eine Straße den Friedhof durchschneiden. Die DDR hatte diesen alten Plan dann verwirklichen wollen, verzichtete aber in letzter Minute darauf, als Heinz Galinski bei Erich Honecker intervenierte. Auf diesem Streifen, der nicht der jüdischen Gemeinde gehörte, waren während der Nazizeit illegale Beerdigungen erfolgt. Noch heute ist der Streifen deutlich erkennbar, er wird inzwischen offiziell für Grabstellen genutzt.

Der Friedhof ist "preußisch" angelegt, mit Planquadraten an schnurgeraden Wegen, deutlich gekennzeichnet mit Buchstaben und Zahlen. Die Grabstellen sind durchnummeriert, an den Grabsteinen sind die Nummern seitlich eingraviert, mehr als 115.000 Tote ruhen hier. Viele Namen sagen uns auch heute noch etwas. Berthold Kempinski ist hier beerdigt, aus seiner Weinhandlung ging das Restaurant und Hotel hervor, und die Kaufhausbesitzer Hermann Tietz ("Hertie") und Adolf Jandorf ("KaDeWe"), die Verleger Rudolf Mosse, Leopold Ullstein und Samuel Fischer ("S.Fischer-Verlag"), der Zigarettenfabrikant Josef Garbaty. Arthur Koppel und Benno Orenstein liegen auf diesem Friedhof, aus ihren Namen fügt sich die Maschinenfabrik Orenstein & Koppel zusammen, die sie 1878 in Schlachtensee gegründet haben. Grabinschriften verdichten sich zu Assoziationen, Bildern, Geschichten und Geschichte.

Erstaunlich ist, dass der jüdische Friedhof während des Dritten Reiches unzerstört, unbehelligt und selbstverwaltet blieb, ja dass hier jüdisches Leben stattfand, wie das woanders nicht mehr möglich war. Es wurden weiter jüdische Lehrlinge und Umschüler ausgebildet, hier spielten jüdische Kinder und konnten sich auf dem großen Gelände frei bewegen, es wurde weiter beerdigt und Gottesdienste gehalten. Nach Schließung der jüdischen Schulen wurden viele Jugendliche mit Friedhofsarbeiten beschäftigt, auf dem für die Straße freigehaltenen Streifen konnten sie Fußball spielen.

Nach jüdischer Vorstellung ruht ein Toter bis zur Wiederauferstehung in seinem Grab, eine Neubelegung, Auflösung oder Umbettung der Grabstelle ist nicht möglich. Trotzdem wurden nach kontroverser Debatte schließlich auch Urnengräber zugelassen. Die Asche der in den KZs Umgekommenen wurde teilweise bis 1942 per Nachnahme an die Angehörigen geschickt, auch diese Urnen sind hier beerdigt.

Im Ersten Weltkrieg waren patriotisch gesinnte Juden wie selbstverständlich für Deutschland in den Krieg gezogen, ein Gräberfeld gefallener jüdischer Frontsoldaten befindet sich auf dem Friedhof und wird inzwischen von der Bundeswehr gepflegt.

"Sucht uns nicht hier, sucht uns in Eurem Herzen" steht auf einem Grabstein. Be-suchen aber sollte man den Friedhof, der ein außergewöhnliches Kulturdenkmal ist und zu vielen Gedanken anregt.


--------------------------------------------------------------
... ACHTUNG, es folgen ZWEI Bildergalerien ...
--------------------------------------------------------------


--------------------------------------------------------------
... und hier sind weitere Bilder ...
--------------------------------------------------------------


Hier haben Türme keine Zukunft
Sonderzug nach Pankow