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Hier stinkt kein Fisch


Stadtteil: Kreuzberg
Bereich: Marheinekeplatz, Gneisenaustraße, Südstern
Stadtplanaufruf: Berlin, Marheinekeplatz
Datum: 7. Januar 2008

Die modernisierte Markthalle am Marheinekeplatz weckt unser Interesse für den heutigen Stadtrundgang. Gleichzeitig rückt damit die Institution der Berliner Markthallen in den Blickpunkt.

Markthalle am Schiffbauerdamm
Kein Geringerer als der visionäre "Eisenbahnkönig" Strousberg, der schon einen Schlachthof baute, bevor die Stadt auf diese Idee kam, hatte auch bei der "Verproviantierung" Berlins die vorausschauende Idee, eine Markthalle zu bauen. Ab 1865 entstand am Schiffbauerdamm auf einer Grundfläche von 5.300 qm eine Basilika mit gusseisernen Säulen und einer 15 m breiten Innenpassage. In seiner Markthalle war Hygiene oberstes Gebot: Fische schwammen nicht mit offenen Bäuchen in altem Wasser, sondern lebend in Trögen mit fließendem Wasser. Ein Erfolg war dieser überdimensionierte Halle aber ebenso wenig wie seinem Schlachthof beschieden, seine Betreibergesellschaft ging nach kurzer Zeit pleite. Der Berliner Polizeipräsident hielt die Lebensmittelversorgung in der Hand einzelner Geschäftsleute für unzulässig. Die weitere Geschichte des als Zentralmarkthalle gescheiterten Strousbergschen Baus zeigt zugleich wie im Brennglas die nachfolgende wirtschaftliche, kulturelle und politische Entwicklung der Stadt.

1871 als Feldpostamt im Deutsch-Französischen Krieg genutzt, wurde das Haus 1874 zu einem Zirkus umgebaut (die Parallelstraße zum Schiffbauerdamm heißt heute noch "Am Zirkus"). 1919 entsteht nach weiterem Umbau und dem Einbau einer expressionistischen Kuppel Max Reinhardts "Großes Schauspielhaus" in diesem Gebäude. Es folgt zur Nazizeit das "Theater des Volkes" mit Führerloge, ehe 1949 die DDR den Friedrichstadtpalast in diesen Räumen eröffnet. Und damit endet die Geschichte: wegen des Schwemmsands der nahen Spree wird der Bau baufällig und abgerissen, der Friedrichstadtpalast zieht in einen Neubau an der Friedrichstraße.

Die Lebensmittelhygiene blieb weiter auf der Tagesordnung der Stadtverantwortlichen, die leicht verderblichen Waren wie z.B. Fisch sollten nicht länger auf offenen Wochenmärkten verkauft werden. Unter Beteiligung von Virchow wurde 1881 ein Markthallenkonzept erarbeitet, bis 1892 waren eine Zentralmarkthalle und 14 kleinere Markthallen gebaut, zumeist unter Federführung des Stadtbaurats Hermann Blankenstein, der eine Fülle von öffentlichen und kirchlichen Backsteinbauten in der Nachfolge der Schinkel-Schule schuf. Rote und gelbe Klinker und aufwendige Ornamente in teilweise farbigen Ziegelformsteinen findet sich bei fast allen seinen Bauten.

Marheineke-Markthalle
So auch im Eingangsbereich der Marheineke-Markthalle, die wir auf unseren heutigen Rundgang besuchen. Viel ist ansonsten von der alten Architektur nicht übrig geblieben nach Kriegsbeschädigung und allen Umbauten. Die Südfassade der Halle ist jetzt komplett verglast und sorgt damit für Licht und Weite in der Halle, wo es früher dunkel und eng war. Die Marktstände präsentieren ihre Waren frisch und farbig, alles wirkt aufgeräumt. Und doch sorgt der (viel zu) breite Mittelgang der Halle für eine Beziehungslosigkeit der Stände im Einheitsformat, und die unterschiedlose Unfarbigkeit aller Wände verstärkt den Eindruck der Verlorenheit. Der Verfasser des Alternativkonzeptes zur Hallenmodernisierung hätte sich das anders gewünscht: individuell statt standardisiert, aber nun ist es so, und die Händler machen das Beste daraus. Auf der Galerie an der Nordseite der Halle ist nur die Hälfte der Stände vermietet, obwohl die öffentliche Betreibergesellschaft eine das Angebot übersteigende Nachfrage behauptet. Laufkundschaft gibt es hier nicht, aber wer das Angebot von Bekleidung, Nagelstudio und fairer Ware kennt, wird auch hierher kommen.

Zentralmarkthalle
Die städtische Zentralmarkthalle, die nach 1881 der Strousbergschen folgte, wurde nahe dem Alexanderplatz gebaut. Sie stand bis nach dem 2.Weltkrieg, dann wurde sie abgerissen. Nach der Wende wurde als Neubau die "Berliner Markthalle" errichtet, die heute "Berlin-Carré" heißt und zu den weniger attraktiven Einkaufscentern gehört. In einem Artikel in der "Zeit" heißt es: "Nicht weit entfernt von den Glitzermeilen rund um den Alexanderplatz liegt eine Insel der Provinzialität". Während andere zum Kaufhof, ins Alexa oder zu Saturn Shoppen gehen, "geben sich gelernte DDR-Bürger und kleine Angestellte, Frührentner und Hartz-IV-Empfänger ... ein Stelldichein in einer der trübsinnigsten Passagen, die die Stadt zu bieten hat: dem Berlin Carré. Versteckt im Erdgeschoss des monströs aufragenden Wohnblocks an der Karl-Liebknecht-Straße ... vollführt eine Drehtür einsame Pirouetten. Nur selten passiert sie ein Gast; von Kunde kann man kaum sprechen, denn die meisten kommen eh nur, um zu schauen - und nicht um zu kaufen. Das Berlin Carré ist der gescheiterte Versuch, das Markthallen-Prinzip in die Gegenwart zu retten. Auf der Gesamtfläche planlos aus der Hand verlorene Stände bilden ein Mini-Labyrinth, in dem man zwischen Lädchen umherirrt, deren Verkaufsfläche 10 Quadratmeter nur selten überschreitet. Socken und Strumpfhosen soll man dort kaufen, Wein aus Ungarn, Kinderkleidung und Billigschuhe bieten die Händler feil; Bücher und Esoterikbedarf sind im Angebot."

Und das am historischen Platz der "Hallen von Berlin" !. Das Thema Markthallen bleibt spannend, die Arminiusmarkthalle und die Eisenbahnmarkthalle sind weiterhin in Betrieb, die "Zimmerhalle" und die Markthalle IV an der Dorotheenstraße wurden in andere Gebäude integriert, wir haben also weitere Flanierziele vor uns.

Unser Weg führt uns heute weiter über die Gneisenaustraße zum Südstern, wo wir unsere gewohnte abendliche Stärkung zu uns nehmen. In einem Lokal, das noch Aschenbecher auf die Tische stellt, obwohl seit einer Woche das Rauchverbot in Gaststätten in Berlin wirksam ist. Na ja, es wird noch nicht amtlich durchgesetzt, aber die Kleidung riecht beim Ablegen zu Hause wieder unangenehm nach Rauch. Es wird bessere Zeiten geben. Und dann wird hoffentlich nicht mehr, wie man heute in der Zeitung lesen konnte, ein Ober durch einen Faustschlag niedergestreckt, weil er einen Gast höflich auf das Rauchverbot hingewiesen hatte.

Der U-Bahnhof Südstern wird gerade instand gesetzt, noch in der Nacht kreischen die Baumaschinen.

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Ein Mops namens Rolex
In Friedrichshain wurde nicht nur gebraut