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Stadtteil: Friedrichshain Bereich: Frankfurter Tor, Ostkreuz Stadtplanaufruf: Berlin, Boxhagener Straße Datum: 22. Juni 2009
Vor dem Bahnhof Ostkreuz ist der Lenbachplatz neu entstanden, er wurde unter Einbeziehung von ehemaligen Ruinengrundstücken angelegt. Eine Gruppe von Spielern an der Tischtennisplatte, ein Liebespaar auf der Parkbank. In den umgebenden Straßen Kneipen und Läden, Menschen mit Hunden, urbanes Leben. Die Häuser zeigen alten Glanz, die Sanierung im Kiez Traveplatz/Ostkreuz ist offensichtlich gelungen.
Was so nicht sichtbar wird, ist die Gentrifizierung, die Verdrängung der alten Bewohner aus billigen Wohnungen, die Mieterhöhungen, die soziale Veränderung des Stadtteils. In den 15 Jahren der baulichen Erneuerung sind 90 % der Bewohner neu zugezogen, nur 10 % wohnten schon vor der Sanierung hier. Das Durchschnittsalter liegt bei 33 Jahren, in Berlin insgesamt sind es 10 Jahre mehr. Die Kinder wachsen nicht mehr mit älteren Menschen auf, nur noch 7 % der Bewohner sind über 55 Jahre alt. Die Mieten sind stärker angestiegen als im Berliner Gesamtdurchschnitt, ein Drittel des Einkommens geht für die Wohnung drauf. Bewohner befürchten, dass wie im Prenzlauer Berg Yuppies und Besserverdienende eine weitere Verdrängungswelle auslösen könnten.
In Internet-Blogs wird heftig um diese Fragen gestritten. Prenzlauer Berg sei ein "gesunder Bezirk mit vielen sanierten Altbauten, wenig Sozialfällen und mit einer der höchsten Geburtenrate Europas" steht gegen “Yuppiepack verpisst Dich” oder "Kapitalismus ist eine permanente Krise". Ein neues Feindbild sind die "Spekulanten aus dem Westen", die Schwaben.
Wir sind vom Frankfurter Tor bis zum Bahnhof Ostkreuz durch den Boxhagener und den Travekiez gelaufen und haben ein "Update" dieser Gegend bei Tageslicht gemacht, bisher waren wir hier nur bei und nach Einbruch der Dunkelheit unterwegs. Die Schreibfederpassage zeigt bei Sonnenlicht die Schönheit der alten Fabrikfassade. der Nilpferdbrunnen am Wühlischplatz glänzt in der Sonne, und an der gegenüberliegenden Hauswand ist über Eck ein Wandgemälde sichtbar.
Der Helenenhof zwischen Gryphius- und Holteistraße ist ein Wohnkomplex des genossenschaftlichen Beamten-Wohnungsvereins, erbaut von ihrem Vorstandsmitglied Erich Köhn. Hier hat schon um 1900 Reformarchitektur gezeigt, dass wesentlich bessere Standards möglich sind als bei den alten Mietkasernen. Die Wohnblocks sind um parkähnliche Innenplätze gruppiert, Licht Luft und Sonne erreichen alle Wohnungen. Die denkmalgeschützte Wohnanlage hat gerade aus Mitteln des Projekts "Soziale Stadt" eine Verjüngungskur bekommen und wurde anschließend mit dem „Friedrichshainer Bauherrenpreis“ wegen ihrer besonderen Bedeutung für das Stadtbild ausgezeichnet.
Den Namen verdankt die kleine Siedlung der Frau von Hermann von Budde, dem preußischen Generaldirektor der Deutschen Waffen- und Munitionsfabrik und zwischen 1902 und 1906 Minister für öffentliche Angelegenheiten, zudem Chef des Reichsamtes für die Verwaltung der Reichseisenbahn im Jahr 1902.
In der Max-Kreuziger-Straße stand jahrelang ein sozialistischer neoklassizistischer Schulpalast aus den 50er Jahren leer, der Liegenschaftsfonds suchte einen Käufer und Investor. Wie schnell doch der Verfall auch in der Innenstadt vor sich geht: Der Putz bröckelte von den Wänden, Fensterscheiben gingen zu Bruch, das Grundstück wucherte langsam zu, immer wieder wurde Müll über den Zaun gekippt. Doch dann konnte "Wohnen im Klassenzimmer" realisiert werden, die Schule wurde zu Wohnungen umgebaut, die Turnhalle ist jetzt ein Restaurant. Fast 80 Wohnungen mit Wohnflächen zwischen 70 und 170 Quadratmetern, zum Teil als Maisonetten, sind entstanden. Manche Eigentümer nutzen ihre Lofts nicht ganzjährig, sondern nur bei Berlin-Besuchen, eine Tendenz, die auch in anderen teuren Wohnanlagen im Zentrum zu beobachten ist. Das Friedrichshain-Magazin berichtete deshalb im Internet über die Max-Kreuziger-Schule unter dem provozierenden Titel „Insel der Gutbetuchten?“
In der Turnhalle nehmen wir unser Flaniermahl ein. Das Essen schmeckt, italienisches Rindfleischragout mit Oliven gibt es nicht überall und der Wein wird großzügig nachgeschenkt.
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